Bohema Magazin Wien

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Selbstbestimmte Ikonen oder wirklich nur 3 Engel für Charlie?

Flashback 2000: Lucy Liu, Cameron Diaz und Drew Barrymore nehmen es mit patriarchalen und heteronormativen Stereotypen auf. Ob sie diesen Kampf gewinnen?

© Columbia Pictures

Charlie’s Angels (deutsch: 3 Engel für Charlie) (2000) mit McG als Regisseur hat Hollywood bewiesen, dass Frauen in Action-Filmen die Hauptrollen übernehmen und ebenfalls einen kommerziellen Erfolg erzielen können. Lucy Liu, Cameron Diaz und Drew Barrymore schlüpfen in die Rollen der drei Geheimagentinnen Alex Munday, Natalie Cook und Dylan Sanders. Sie instrumentalisieren ihr Fachwissen und ihre Kampferfahrungen, aber auch ihre Körper und viel nackte Haut, um die Welt zu retten. Die Kombination aus selbstbestimmten Frauen, die jedoch klar für den Male-Gaze konzipiert sind, steht im Widerspruch. Ist Charlie’s Angels ein feministischer Film oder bloß die Verwirklichung von McG’s heterosexuellen Fantasien?

Im Film übermittelt ein mysteriöser Millionär namens Charlie (Stimme von John Forsythe) Aufträge mit der Hilfe von John Bosley (Bill Murray) per Lautsprecher an das Trio. Und die nächste Mission steht bereits fest: Die Angels müssen mit Bosley als Sidekick eine Verschwörung verhindern, die die Privatsphäre von Millionen von Menschen gefährdet. Das alles geschieht mit überdramatisierten Kampfszenen, vielen Outfit-Wechseln und einer Betonung auf die Talente der drei Heldinnen.

McG, der bis dato Musikvideoproduzent war, wurde von Drew Barrymore als Mitwirkender vorgeschlagen. Smash Mouth’s All Star (1999) oder auch One Week (1998) von Barenaked Ladies zeigen klar McG’s Musikvideo-Ästhetik, die man später auch in Charlie’s Angels wiederfindet. Von Kameraeinstellungen, über knallige Farben hin zu stark kontrastierten Set-Designs und Kostüme fühlt sich der Film an wie ein Musikvideo in Überlänge. Die drei Hauptdarstellerinnen werden so inszeniert, dass ihr Sex-Appeal klar im Vordergrund steht. Hair-Flips in Slow-Motion, enganliegende und weit ausgeschnittene Kampfoutfits sowie ein offenes Instrumentalisieren ihres Aussehens sind fundamentaler Teil sowohl des Plots als auch der Ästhetik des Films.

The Male Gaze und Feminismus in den 2000ern

Der Begriff Male Gaze kommt ursprünglich von der britischen Filmtheoretikerin Laura Mulvey, die 1975 in ihrem Essay Visual Pleasure and Narrative Cinema das Zuschauen kontextualisiert. Sie beschreibt, dass Filme für ein vorrangig männliches und heterosexuelles Publikum gemacht und somit Frauen in die Rolle des Objekts der Begierde gedrängt werden. Dies geschieht nicht nur auf narrativer Ebene, sondern auch mithilfe von technischen Mitteln wie etwa Kameraeinstellungen, Beleuchtung und Sounddesign. Somit werden weibliche Figuren übersexualisiert, passiv und stereotypisiert. Da die Filmindustrie meist von heterosexuellen Männern dominiert ist, fließen deren sexuelle Fantasien und Lebensrealitäten in Elemente wie Regie, Drehbücher, Kostümdesign und Schnitt mit ein. Während dies im letzten Jahrzehnt etwas aufgebrochen wurde, da bei Mulveys Theorie der queere und intersektionale Zugang völlig fehlt, so richtet sich eine Vielzahl an Filmen noch immer an ein imaginiertes Publikum, das die Produktionsebene widerspiegelt, namentlich heterosexuell, männlich, und weiß.

Auch Charlie’s Angels ist klar durch den Male Gaze geleitet. McG beschreibt selbst, dass es sich wie ein Traum anfühlte, plötzlich einen Feature-Film mit drei wunderschönen Frauen drehen zu dürfen. Auch die Rollen der Drehbuchautor:innen, Editors, Kostümdesigner:innen und Kinematografie wurden von Männern übernommen. Nur bei den Produzent:innen sind mit Drew Barrymore und Nancy Juvonen neben ihrem Kollegen Leonard Goldberg Frauen vertreten. 

Natürlich ist der Film ein Produkt seiner Zeit und somit benötigt es eine kleine Zeitreise zurück in die Welt des Feminismus der 1990/2000er Jahre. Nach der ‚zweiten Welle‘ des Feminismus der 1960er/70er, der sich besonders auf Gleichstellung im patriarchalen Arbeitsmarkt sowie Reproduktionsrechte konzentrierte, begann in den 90er/00er Jahren die ‚dritte Welle‘ der Feminismusbewegung. Der Fokus lag nun auf Intersektionalität, Queerness und der sexuellen Befreiung. Die eigene Sexualität offen auszuleben war also zentral und spiegelte sich auch in den Medien der Zeit wider. Dies führte dazu, dass Sexualität besonders in Verbindung mit Frauen instrumentalisiert und monetarisiert wurde. In der Mode- und Schönheitsindustrie, sowie in Filmen und Serien wurde die neue Offenheit verwendet, um heteronormative und westliche Schönheitsideale zu idealisieren und zu verfestigen.

Im Film spielen Lucy Liu, Cameron Diaz und Drew Barrymore großzügig mit ihrem Sex-Appeal, ihren Körpern und verkörpern ‚das Idealbild‘ einer ‚schönen Frau‘ in den 2000ern. Lucy Liu ist die Einzige, die mit dem weißen Idealbild bricht, denn die Eltern der amerikanischen Schauspielerin stammen aus China.

© Columbia Pictures

Nobodys Angels

Während das Trio in einer gewissen Abhängigkeit zu sowohl Charlie als auch Bosley steht, agieren die drei Agentinnen selbstbestimmt, kompetent und selbstbewusst. Sie sind intelligent, beherrschen mehrere Kampftechniken, Fremdsprachen sowie Wissen in den Bereichen IT und Geopolitik. Den Charakteren ist bewusst, wie Männer sie wahrnehmen, sie nutzen dies zu ihrem Vorteil aus. Immer wieder werden sie von Männern unterschätzt oder gar nicht erst als Gefahr wahrgenommen. Mit süffisantem Lächeln, das von ihrem leichtgläubigen Gegenüber nicht als solches wahrgenommen wird, wickeln sie ihre Zielobjekte um den Finger. Es wird auch der Anschein vermittelt, dass sie klar entscheiden, ob, wann und wie sie ihren Körper instrumentalisieren. Sie verzichten außerdem auf das Verwenden von Pistolen, greifen in Kämpfen vor allem auf ihr Martial-Arts-Training zurück. Dies war eine klare Entscheidung von Drew Barrymore. Sie wollte verhindern, dass Schusswaffen im Film idealisiert werden, da Barrymore richtig vermutete, dass die Angels ein Vorbild für viele junge Mädchen und Frauen werden könnten. 

Alex, Natalie und Dylan sind nicht nur beruflich miteinander in Kontakt, sondern sind auch beste Freunde. Weibliche Freundschaften enden in Hollywood oftmals in Streit, sind geprägt von Eifersucht und müssen sich gegeneinander ausspielen. Nicht jedoch bei den Angels. Die Frauen haben eine enge Bindung, stehen für sich gegenseitig ein und helfen einander. Das steht wahrscheinlich auch in Verbindung mit der Freundschaft, die zwischen Lucy Liu, Cameron Diaz und Drew Barrymore entstanden ist.

Im Laufe des Films, sowie im zweiten Teil Charlie’s Angels: Full Throttle (2003), werden die Nuancen der einzelnen Agentinnen aufgezeigt. Sie sind keine Kopie der jeweils anderen in variierenden Outfits. Vielmehr hat jede Agentin klare Vorlieben und individuelle Charakterzüge. Dies erkennt man auch am Umgang mit Männern. Natalie verkörpert das unschuldige Mädchen von nebenan, während Alex kühler und dominanter auftritt. Dies beeinflusst sowohl ihr Berufs- als auch ihr Privatleben. Vor ihren Partnern bewahren sie ihre echte Identität und somit lernt man sie von einer neuen, intimeren Seite kennen.

Subversive Abweichungen von der Heteronormativität

Trotz dessen, dass alle drei einen männlichen romantischen Partner zugeschrieben bekommen, kann man den Film queer lesen. Homoerotische Nuancen kommen besonders im zweiten Teil etwas klarer hervor, jedoch gibt auch im ersten Teil eine queere Zwischentöne. Während Lucy Liu in einem schwarzen Latexoutfit einen Raum an weitäugigen Informatikern belehrt, stehen Drew Barrymore sowie Cameron Diaz als Männer mit Bart und Anzug hinter ihr. Diese Art des Cross-Dressings, also das Anziehen von Kleidung, welche traditionell einem anderen Geschlecht zugewiesen wird, wird öfter aufgegriffen. Denn auch andere Outfits ihrer Undercover-Personas weisen auf queeren Subtext hin, so etwa in einer Szene mit Cameron Diaz, gestylt mit Vokuhila und kurzem Hemd. Aber auch die oftmals subversive Darstellung von heteronormativer Männlichkeit, die ins Lächerliche gezogen wird oder gar nicht erst als ernsthaft wahrgenommen wird, weist eine Abweichung der „Norm“ auf.

Engel des Male Gaze?

Den Kontext er 2000er und die männliche Beteiligung am Film ist nicht zu unterschätzen. Bei einem Publikum, das dem ‚ideal‘ von Hollywood entspricht (weiß, heterosexuell, männlich), ist das Potenzial hoch, dass es in Charlie’s Angels eine persönliche Fantasie wiedererkannt wird. Mit den engen Outfits, tief geschnittenen Tops und zweideutigen Anspielungen suggeriert der Film auch genau eine solche Wunschvorstellung.

Jedoch werden auch die subversiven Elemente betont und die Angels sind als kompetente, dreidimensionale Superheldinnen definiert. Auch die konkurrenzlose Freundschaft des Trios sowie das Instrumentalisieren des eigenen Körpers verleihen dem Film eine feministische Ebene.

Während sich die Angels klar in einem patriarchalen System befinden, in dem sie sexualisiert und unterschätzt werden, so wissen sie genau, wie sie dieses System subversiv für sich verwenden. Die männliche Fantasie, die auf sie projiziert wird, nutzen sie, um ihre eigenen Ziele zu verfolgen. Somit werden sie gleichzeitig zum passiven Objekt der Begierde als auch zum aktiven Subjekt ihres eigenen Narrativs.