Bis das Feuer erlischt
Philosophie und Hayao Miyazaki. Eine kurze Auseinandersetzung mit Miyazaki und der Ordnung im Chaos des Lebens.
Wer an Chihiros Reise ins Zauberland (2001) oder Das wandelnde Schloss (2004) denkt, denkt meist an kindliche Abenteuerfilme, japanischen Disney oder etwas, wovon man noch nie gehört hat. Doch, dass hinter diesen fantastischen Welten auch das Leben und all seine Facetten steht, ist viele*n gar nicht bewusst. Hayao Miyazaki, der nennen wir ihn Macher dieser Geschichten, hat nicht nur ein Händchen fürs Detail. Viel mehr liegt ihm an den Aussagen, die die Menschen erreichen sollen.
Aussagen, die von der Liebe zur Umwelt (man denke an Nausicaä aus dem Tal der Winde (1984) oder Prinzessin Mononoke (1997)) bis hin zur Liebe zu einem/einer Selbst und der Wahrheit, die in uns schlummert, reicht (Das wandelnde Schloss, Chihiros Reise ins Zauberland oder Das Königreich der Katzen (2002). Das sind nur die berühmtesten Beispiele, aber jene, die den Charakter Miyazakis Filme sehr bildlich (literarisch als auch metaphorisch gesprochen) darstellen.
Das Gezeigte macht sich weder Beurteilungen noch eindeutige Aussagen zu einer Problematik zum Ziel. Die Auseinandersetzung mit den verschiedensten Thematiken nimmt die Rezipient*innen stets auf eine Reise mit. Da geht es vom tiefsten Japan bis ins europäische Festland. Nicht nur Berge und Seen, auch alte Gebäude, Badehäuser im japanischen Stil und einsame Bahnhöfe machen die Runde in den besagten Filmen.
Immer wieder findet sich die Zuschauer:in in einem Tal wieder, dass mystischer nicht sein könnte, um dort schließlich im Kampf zwischen Gut und Böse zu erkennen, dass es so etwas Simples wie eine Seite nicht gibt. Das Interesse besteht darin herauszufinden, was das Ziel auf dieser Erde ist und wie es bestmöglich erreicht werden kann.
Die vorzugsweise weiblichen Miyazaki-Held*innen sind unabhängig, zeigen Mitgefühl und stehen im jedem Kampf für sich selbst ein. Auch wenn es der einen oder anderen die Sprache verschlagen kann, finden sie jedes Mal auf ein Neues zu ihren Worten zurück und geben nicht auf.
Ähnlich Greta Thunbergs Wissen um den Zustand dieser Welt, setzen sich unsere Hauptprotagonist*innen gegen das, was sich falsch anfühlt, zur Wehr. Besonders schön zeigt sich das bei Prinzessin Mononoke – ein Film, der sich dem Schmerz des Waldes annimmt und versucht ihn zu verarbeiten. Prinzessin Mononoke wurde von der Wolfsgöttin und ihren Nachfahren aufgezogen, ähnlich dem Mythos von Romulus und Remus. Die Prinzessin ringt mit sich, da sie sich in einen „Menschen“ verliebt. Dass dieser aber den Zwiespalt ein für alle Mal beenden kann und das menschliche mit dem tierischen Reich vereinen wird, ist erst klar, als es zu spät zu sein scheint.
Das Feuer, das sich um den Wald legt, erlischt. Übrig bleiben Tränen, Narben und die Hoffnung auf ein Morgen. Auch so bei Das wandelnde Schloss als sich das alles bewegende Feuer von seinem Herrn löst und im ersten Moment seiner Wiedergeburt erlischt. Diese Wiedergeburt bedeutet aber auch neues Licht, wodurch sich das Feuer blau färbt und so zeigt, wozu es auch allein im Stande ist.
All diese Filme haben gemeinsam, das sie sich der Liebe hingeben – anders als bei vielen anderen Filmen handelt es sich aber nicht um die romantische Liebe, sondern um jene, die ein*e jede*r in sich trägt. Die Liebe zum Detail, die Liebe zu einem selbst, die Liebe zum Loslassen.
Besonders das Loslassen spielt in Miyazakis eine große Rolle. Immer wieder wird der Zuschauer*in bewusst, wie reinigend und erneuernd das Loslassen im Zusammenhang mit der Liebe ist. Denn erst, wenn wir loslassen, sehen wir, woran wir eigentlich versuchten festzuhalten. Erst mit dem Loslassen wird man mutig und traut sich auf neue Wege. Chihiro aus Chihiros Reise ins Zauberland konnte erst durch das Loslassen von ihren Eltern ihren eigenen Fähigkeiten Vertrauen schenken und sich weiterbewegen.
Fantastische Reisen also, die sich der innigsten Wünsche und mutigsten Abenteuer annehmen, ohne die Zuschauer*in dabei nur etwas vorzuenthalten. Jeder Quader ist gefüllt von Mut, Sehnsucht und der Hoffnung auf ein gutes Miteinander. Die menschliche Natur wird aus allen Blickwinkeln betrachtet, ohne auch nur ein verurteilendes Wort auszusprechen. Vielmehr befinden wir uns in jedem von Miyazakis Filmen in einem Essay, der zeigt, was ist, was sein kann und was wird.
Die Kunst des gezeichneten Films trifft auf menschliches Versagen, auf Walter Benjamins destruktiven Charakter in uns allen und die Blüten, die aus all dem wachsen können. Das Kindliche in uns wird ein erneutes Mal geweckt und das zu erlöschen drohende Feuer ändert einfach nur seine Farbe.
Hayao Miyazaki is a Japanese animator, director and manga artist. He is considered to be the most accomplished multiplication director with his movies being loved by both public and critics even outside Japan. He is a co-founder of Studio Ghibli. Some of the movies mentioned in the article were not directed by Miyazaki, but belong to the studio and were made in co-production with the famous director himself
Romulus and Remus are the twin brothers who according to a roman legend found the city of Rome. As it usually is in mythology, they were the children of a vestal virgin (a priestess of Vesta, literally virgins) and the god Mars. But due to tragical circumstances they were abandoned and here comes the she-wolf. A wolf who breast fed the twins.
Destructive character of philosopher Walter Benjamin, in a nutshell, is a character of the future. The force of nature that needs to clear space of past for the future, degrading the tradition to something worth destruction. Progress for the sake of progress, destruction for the sake of destruction. Not a brutal force always, but a force with no vision.