Bohema Magazin Wien

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Blut in der Felsenreitschule

Eine blutrünstige Handlung, tiefgründige Hofmannsthal-Verse und eine hervorragende Regie von Krzysztof Warlikowski auf der Bühne der Felsenreitschule in Salzburg - Richard Strauss’ Elektra bei den Festspielen.

Michael Laurenz und Ausrine Stundyte in der blutigen Felsenreitschule /// Salzburger Festspiele / Bernd Uhlig (c)

Warlikowskis Elektra geht in Salzburg in die zweite Runde, nachdem die Premiere im Sommer 2020 bereits ein voller Erfolg war. Die Besetzung blieb ähnlich und in der Titelpartie, ist wieder Ausrine Stundyte zu erleben, die den ganzen Einakter lang auf der Bühne verweilt (1h 50min). Als Chrysothemis gibt es mit Vida Miknevičiūtė einen starken, höhensicheren Sopran zu hören (In drei von sieben Vorstellungen wird die Rolle von Asmik Grigorian übernommen). Auch Tanja Ariane Baumgartner (Klytämnestra), Michael Laurenz (Ägisth), Christopher Maltman (Orest) und das übrige Ensemble singen hervorragend, eingebettet in den überwältigenden Klang des groß besetzten Orchesters.

Mord liegt in der Familie

Am Weg zum Trojanischen Krieg opferte König Agamemnon seine Tochter Iphigenie für besseres Reisewetter. Als er nach Hause zurückkehrt, wird er daraufhin von seiner erbosten Frau Klytämnestra und ihrem neuen Gefährten Ägisth erschlagen. Iphigenies übrige Geschwister Elektra, Chrysothemis und Orest ertragen den Vatermord auf unterschiedliche Weise eher schlecht als recht. Eines ist klar: Blutige Rache an der Mutter ist jetzt angesagt, um dem Wahnsinn im Haus ein Ende zu setzen. Zum Glück kehrt der schon tot geglaubte Orest dafür zurück und erlöst seine Schwestern, insbesondere die von Leiden gezeichnete Elektra, deren Leben im Tanz der erfüllten Rache ein zufriedenes Ende findet.

Eine tief gestörte Mutter-Tochter-Beziehung: Elektra und Klytemnästra /// Salzburger Festspiele / Bernd Uhlig (c)

Das Ambiente der Felsenreitschule und die längliche, schmale Bühne eignen sich hervorragend für die Darstellung antiker Räume. Im Kontrast zur Felswand sieht man einen großen Glaskubus, rostige Duschen und ein Swimmingpool, das immer wieder Verwendung findet und das Bühnenlicht als bewegtes Wellen-Schattenspiel an die Wand reflektiert. Das mag sich in erster Linie alles blass und trist anhören, doch auf der kühlen grau-blauen Bühne erleuchtet der Glaskubus mit türkisem Mobiliar teilweise in strahlendem violett.

Farbige Kostüme als Kontrast zur grau-blauen Tristesse

Außerdem gibt es orange Leuchten, die auf und ab fahren, sowie Kostüme, die von tiefem blau, über fürstliches rot (Klytämnestra) bis zu metallischem rosa (Chrysothemis) und gemustertem Norweger-Pullover (Orest) reichen. Elektra hat zerzauste Haare und trägt ein weißes Kleid mit roten Blumen, sowie eine kleine schwarze Tasche, aus der sie unter anderem Zigaretten entnimmt.

Orest im Norweger-Pullover /// Salzburger Festspiele / Bernd Uhlig (c)

„Ich habe ihm das Beil nicht geben können!“, singt die nervös wartende Elektra vor dem nun finsteren Glaskubus, in den Orest gegangen ist, um den Vater Agamemnon zu rächen. Im Orchester hört man aufregende Bewegungen, die ein ganz mulmiges Gefühl erzeugen und den Puls in die Höhe treiben. Dann ist es so weit: ein Schrei. Elektra singt: „Triff noch einmal!“, und die Projektion eines Blutflecks klatscht großflächig über die ganze Bühne. Erst kommen wenige (projizierte) Fliegen zum Blut, dann werden es immer mehr, schließlich bewegt sich ein ganzer Schwarm auf der Wand der Felsenreitschule. Ein sehr eindrucksvolles Bild, vor dem Elektra durch Erlösung abschließt und Orest mit blutigen Händen in seinen Wahn verfällt.

Schaurig-ekliges Ende: immer mehr Fliegen an der Wand /// Salzburger Festspiele / Bernd Uhlig (c)

Ist das ein Happy End? Das liegt wohl im Auge des Betrachters. Die Betrachtung dieser Opernproduktion ist jedenfalls sehr empfehlenswert - ob im Live-Genuss bei den Salzburger Festspielen oder auf myfidelio (Aufnahme 2020).