Bohema Magazin Wien

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Arad Dabiris großes „DRAMA“

Arad Dabiris Debütroman „DRAMA“ zeigt Wien von glänzenden Fassaden bis zu Kokain, Freundschaften und dem Reiz des Schmerzes. Letztes Jahr gewann er den österreichischen Debütbuchpreis. Auch Einblicke in den zweiten Roman gab es. Text von Lucie Mohme und Nico Rottenbücher

Arad Dabiri und der Hocker /// Anna Radaschütz (c)

Um welches Drama gehts hier eigentlich?

Der Protagonist von DRAMA sitzt im Flieger nach Wien, eigentlich will er dort nicht sein. Mit der Stadt scheint er abgeschlossen zu haben, zu viel Negatives verbindet er damit. Doch wieso sitzt er dann in dieser Maschine? Ganz genau wissen die Leser*innen das am Ende nicht. Platzhaltender Grund der Reise ist die Einladung eines alten Freundes.

Bohema: Ist die einzige Handlung, die der Protagonist gemacht hat, sich in diesen Flieger zu setzen?

Arad: Genau – das Einzige, das er aktiv macht, der Rest geschieht ihm eigentlich nur.

Bohema: Und da weiß man bis zum Ende nicht, warum er das gemacht hat?

Arad: Er hat es einfach gemacht.

Große Jammerei

Und Jammern kann der Hauptcharakter gut. Er beschwert sich unablässig, wie schlimm die Menschen in Wien wären. Auch vermeintliche Freunde kriegen Hiebe ab. Doch im nächsten Moment verbringt er Zeit mit besagten Personen und lässt sich doch wieder zu harten Drogen verleiten, über die er zuvor spöttisch spricht.

Bohema: Warum hängt er mit diesen Figuren ab, die er, bis auf Ausnahmen, gar nicht leiden kann? Warum nimmt er am Ende dann doch die Drogen? Ist das eine Attraktivität zum Schmerz? Eine Selbstaufgabe vielleicht?

Arad: Er wagt sich noch einmal an die Stadt und deren Leute ran. Es ist ein Selbstversuch – entweder übersteht er den Tag, die Gründe der Abkehr bestätigen sich und er kommt danach nie wieder – oder es folgt die Selbstaufgabe und er bleibt auf ewig dort picken.

Aua!

Schmerz ist ein tragendes Thema des Romans. Schmerz der Vergangenheit, durch Beziehungen aus vergangener Zeit und dem Schmerz in Wien zu sein. Doch wieso fühlt sich der Protagonist so sehr dazu hingezogen? Fast dauerhaft begibt er sich in Situationen, die für ihn kaum auszuhalten sind oder er fügt seinem Körper mit Substanzen Schaden zu.

Bohema: Warum sind diese Selbstaufgabe und dieser Schmerz so attraktiv für ihn? Dieses amoralische Verhalten?

Arad: Jemand, der sich wortlos von seiner ganzen sozialen Struktur und der Heimatstadt verpisst, ist wohl moralisch nicht astrein. Das war nicht von Anfang an der Plan, das kam während des Schreibens. Schmerz, wenn er entfernt genug ist, finde ich spannend zu schreiben. Eine Freude, die nicht witzig ist. Paradox halt. Aspekte aus dem Leben, von Wut bis Trauer, reinpacken und aufbauschen. Dann macht es mir keinen Spaß, in das Gefühl hineinzugehen und der Figur eben auch nicht. Und dann kommt ein amoralischer Protagonist dabei raus.

Unsympathisch noch dazu

Zuletzt scheint der Roman sich am Ende fast auf eine philosophische Ebene zu begeben, die dem Finale, das die Lesenden dann doch bis zum Dénouement fesselt, etwas zu viel ist. Dennoch bleibt die Authentizität, mit der sich der Autor diesem Projekt gewidmet hat über die Länge des Romans bestehen. Und obwohl der Protagonist ziemlich sicher als unsympathisch abgestempelt werden kann, werden einige auch sich selbst im Roman wiedererkennen. Aber wie steht es dabei mit der Echtheit?

Bohema: Wie ehrlich sind deine Texte? Bilden sie die Wirklichkeit ab, sind es ehrliche Emotionen?

Arad: Sie sind ehrlicher als ich in echt bin. Im Text traue ich mich mehr.

Bohema: Was waren deine Intentionen bei der charakterlichen Gestaltung des Protagonisten?

Arad: Ich habe ihn ganz automatisch in der Ich-Form geschrieben und ihm auch keinen Namen gegeben, weil es besser passt, wenn er als Beobachter wieder nach Wien kommt. Er ist die Projektionsfläche aller Figuren, die ihm begegnen. Passiv läuft er in alle und alles hinein – naiv und vielleicht auch einfach dumm. Er hätte wohl auch einfach umdrehen können - aber dann gäbe es das Buch nicht.

(Theater)drama?

Abseits vom Inhalt ist die Gestaltung sowie Strukturierung von Dabiris Prosa-Text eine außergewöhnliche. Denn DRAMA ist dem Titel entsprechend als Theaterdrama verfasst und dies gestaltet sich im dritten Akt (dritten Kapitel) dann auch so aus.

Bohema: Es ist eine Mischung aus einer Romansprache, einer Theaterstruktur und einer Gedankenstromästhetik. Ist DRAMA in drei Akten geplant gewesen, weil es in drei Teilen geschrieben ist? Und innerhalb des letzten Teils sind es auch nochmal vier Akte?

Arad: Am Anfang hatte ich nur den dritten Akt im Kopf. Ein klassischer Theatertext, ein Dinner, da streiten sie sich. So Yasmina-Reza-Style. Dann habe ich gemerkt, ich will auch viel mehr davor über die Stadt sagen. Dann wusste ich schnell, dass es drei Teile braucht. Der erste Akt, der Hinweg, woher er kommt und wohin er geht. Der Zweite dann die kleinen Traumata verteilt in der Stadt. Der dritte bleibt das ursprünglich geplante Dinner - dass es dann hier auch noch Unterkapitel gibt, kam beim Schreiben, weil ich mehr Raum brauchte für einen eigenen dramaturgischen Verlauf im letzten Akt.

Was schreibt Dabiri sonst noch?

Im Gespräch mit Dabiri ging es auch um Kreativität, die der Autor in diesem Buch zum Ausdruck bringt, die aber auch schon in dem zweiten Roman steckt und in seinen Theatertexten.

Bohema: Ist das Kreative immer ein bisschen verbunden mit dem Schmerz des Autors?

Arad: Ich würde niemals einfach behaupten, dass es therapeutisch sei, ein Buch zu schreiben, aber sagen wir mal so: Wenn es mir mein ganzes Leben lang gut gegangen wäre, würde ich nicht solche Texte schreiben. Auslöser gibt es immer direkt aus dem Leben, der Rest kommt von selbst. Die Texte sind halt echt, und Mittelaltermärchen oder Science-Fiction könnte ich nicht erzählen. Bei den Stücken ist es genauso – nur ein Ticken politischer.

Bohema: Wenn wir ein bisschen abseits von DRAMA sprechen, du hast aktuell einige Deadlines und meintest, dass noch weitere Wien-Bücher kommen. Wie sieht es da aktuell aus mit dem Schreiben?

Arad: Das mit den Wien-Büchern hat sich so ergeben. Das zweite Buch spiegelt mein Gefühl wider, das ich letzten Sommer nach dem Release von DRAMA hatte und spielt damit auch automatisch zu großen Teilen in Wien. Ich schreibe gerade am dritten Ding, und ja, es ist wieder passiert; die grundlegende Handlung passiert in Wien. Das heißt aber nicht, dass es immer nur um die Stadtbeschreibung per se geht. Die Handlung findet einfach hier statt, an den Ecken, die ich auswendig kenne. Aber ich denke, danach bin ich erstmal trotzdem durch mit diesem Großstadtding – vor allem damit, was bisher in meiner Prosa behandelt wird. Ich hoffe, das Alter verändert mein Schreiben. Vielleicht bin ich ja nach dem dritten Buch eh 35 und schreibe über Vaterschaft, was weiß ich. Die Leute, die ich selbst gerne lese, hatten jedenfalls diesen Verlauf in ihrem Schaffen. Ich kann es für mich selbst nur hoffen. Irgendwann sollte ich einfach nichts mehr zu erzählen haben übers Drogennehmen und Saufen. Irgendwann wird aus einem schnellen vielleicht ja ein langsames Leben, aus dem man schöpfen kann.

Aber wie gesagt – was weiß ich schon.

Der zweite Roman GLORIA von Arad Dabiri erscheint beim Korbinian Verlag am 10. Oktober 2024 und verfolgt wieder eine Gruppe Mittzwanziger in Wien. Die Premiere des Buches mit Lesung gibt es übrigens am 24. Oktober 2024 im Literaturhaus Wien.