Bohema Magazin Wien

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Portrait einer Beziehung in dunkelblau

Über Reisen in Wüsten und menschliche Abgründe. Wie porträtiert man eine Frau, deren Gesicht nur sie selbst zu kennen vermag? Ein Rätsel, ebenso wie eine Ikone der Literaturgeschichte. Jemanden, der sich scheinbar jedem Menschen unterschiedlich offenbart? Margarethe von Trotta wagte zuletzt einen Versuch. Einen Versuch, Ingeborg Bachmann so zu zeichnen, wie sie war.

Ingeborg Bachmann in der Wüste /// Wolfgang-Enenbach (c)

Ingeborg Bachmann-Reise in die Wüste heißt ihr neuester Streifen, der vorletzten Monat in Österreich Premiere feierte und seitdem die Gemüter spaltet, jedenfalls jene, die sich mit Literatur oder ferner mit Ingeborg Bachmann auseinandersetzen. Denn anstelle des Schaffens einer Frau, die bekanntlich ihrer Zeit weit voraus war, widmet sich der Film fast ausschließlich der Beziehung mit Max Frisch, ihrem Zerbrechen daran, ihrem Leid, dem Verlust ihres Strahlens.

Männer, lol

Ein Drama, so gegensätzlich zu der ja eigentlich so steilen und glamourösen Karriere Ingeborg Bachmanns. Verehrt von der Gruppe 47, als Frau in einer männerdominierten Branche. Verehrt auch von Verlegern, in intellektuellen Kreisen von Kritikern und von anderen Männern gleichermaßen. Von Männern, von denen sie sich keinesfalls abhängig machen wollte. So lehnte sie bekanntlich die Ehe ab, lebte (ungewöhnlich zu dieser Zeit) ohne Kinder, arbeitete. Und obwohl Ingeborg Bachmann so bemüht war, emanzipiert zu sein, so widmet sich das erste Biopic, welches sie zeigt, doch ihrem zugrunde gehen an einem Mann. Diesem scheinbaren Gegensatz muss man sich stellen, wenn man Vicky Krieps in der Rolle der Ingeborg Bachmann und Ronald Zehrfeld in der Rolle des Max Frisch sieht. Während des Filmes kann man einer Beziehung beiwohnen, die nicht schöngeredet wird. Zu Beginn die Liebe, die Romantik. Man sagt sich in Paris Gedichte (Apollinaire) und küsst in Hotelgängen. Später Eifersucht, Kommunikationsprobleme, das „sich-gegenseitig-nicht-ertragen“. Am Ende die Abhängigkeit, die Trennung, die Krise. Eingerahmt von einer Reise in die Wüste - sie ist hellgelb und warm - einem Kontrast zum zunehmend grau-blau gezeigten Alltag.

 

 

Nach dieser Sintflut

 

Nach dieser Sintflut

möchte ich die Taube,

und nichts als die Taube,

 noch einmal gerettet sehn.

 

Ich ginge ja unter in diesem Meer!

flög ́ sie nicht aus,

brächte sie nicht,

in letzter Stunde das Blatt.

(Ingeborg Bachmann)

 

Eine Reise in die Wüste, eine Reise in die Vergangenheit

Die Romantisierung findet in der Bildsprache ihren Ausdruck. Unter der Sonne, mit scheinbar vollkommener Freiheit finden Gespräche mit Adolf Opel (Tobias Resch) statt, seinerzeit ein Filmemacher und ebenfalls Autor. Ihm erzählt sie ihr Empfinden, ihr Leid. Ihm offenbart sie ihre Gefühle, er sieht ihr beim Heilen zu. So reist man mit ihr nicht nur in die Wüste, sondern auch in die Vergangenheit. Eine Vergangenheit mit Max Frisch, die sie in der Wüste hinter sich zu lassen versucht. Man wohnt Ihrer Erzählung bei, in der Max Frisch nicht unbedingt gut wegkommt. Und hier liegt vielleicht das Problem, welches den Film so einseitig wirken lässt. Man muss verstehen, dass der Film aus Ingeborg Bachmanns Perspektive erzählt wird. Aus der Perspektive einer Frau, die beinahe 4 Jahre lang immer wieder unter einer Beziehung litt. Aus dieser Sicht ist Ingeborg Bachmann das Opfer, Max Frisch der toxische Partner. Ebenfalls jedoch auch ein Klischee, dass sich über viele Jahre hielt und erst mit Veröffentlichung des Briefwechsels, welcher jedoch erst nach dem Ende der Filmproduktion stattfand, als in Teilen unwahr herausstellt.

Ein zu einseitiger Blick?

Und sicher nur in Teilen, weil zu einer Beziehung dieser Art zwei Personen gehören. Vielleicht ist es deshalb notwendig, die Perspektive auf den Film zu verändern. Denn man kann auch durchaus viel aus ihm lernen. Wie tragisch eine so toxische Beziehung enden kann, dass man sich niemals alles gefallen lassen sollte, auch, oder vor allem als Frau nicht. Dass das Leben weitergeht, auch, wenn eine Beziehung endet. Der Film zeigt eine emanzipierte Frau als Opfer, auch das gibt es nicht so oft. Er zeigt eine Version der Ingeborg Bachmann. Und auch, wenn der Film Hoffnung versprüht, weil eben aus dieser warmen Gegenwart über eine kalt scheinende Vergangenheit erzählt wird, so zeigt der Film dennoch nur einen kurzen Teil von Ingeborg Bachmanns Leben. Sehr wohl den Teil, der sicher viel zum „Mythos“ um Ihre Person beigetragen hat, aber eben nur einen Teil. Einen Teil, der im Film, trotz (zugegebenermaßen etwas übersteigerten) Anspielung auf den späteren Tod, ein scheinbares Happy End hat, während das eigentliche Ende der Ingeborg Bachmann bereits zu Beginn des Filmes vorweggenommen wird. Es läutet den Film ein. Die Sucht. Der Tod Ingeborg Bachmanns, verbrannt an einer herunterfallenden Zigarette, gestorben in einem Römer Krankenhaus, vermutlich am Entzug. Das tragische Ende einer Frau, die so stark wirkte und vielleicht, oder besser sicher war.