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The Story of Firesaga – Das Erbe des Eurovision Song Contests

Will Ferrell im Spagat zwischen Klamauk und ernstzunehmender Komödie

Foto: John Wilson/NETFLIX - © 2020 Netflix, Inc.

Vorsicht: Einige Punkte in diesem Review enthalten Spoiler

Als der erste Trailer für die Will Ferrell-Komödie Eurovision Song Contest. The Story of Firesaga veröffentlicht wurde, klingelten die Alarmglocken. Wie können Amerikaner eine zutiefst europäische Sache wie den Songcontest verfilmen?! Die können doch nicht einmal den kulturellen Kontext dieses skurrilen Ereignisses erfassen. Zudem ist die Qualität eines Will Ferrell-Humors ständig im Schwanken, sodass er oft Hit or Miss ist. Von daher war ich sehr vorsichtig, was diesen Film anbelangt.

Als er schließlich am 26. Juni 2020 auf Netflix landete, konnte man zumindest beruhigt aufatmen. Der Film war lang nicht so schlimm, wie befürchtet, und hatte einige tolle Momente. Sogar der Will Ferrell-Humor hielt sich in Grenzen. Aber jetzt erst einmal zur Handlung.

Ein Ferrell geht zum Songcontest

Der Film erzählt die Geschichte der erfolglosen, isländischen Band Firesaga, die nur aus Lars (Ferrell) und Sigrid (Rachel McAdams) besteht. Lars träumt seit seiner Kindheit davon, den ESC zu gewinnen, sehr zum Missfallen seines Vaters (Pierce Brosnan). Sigrid will ihn aus Liebe zu ihm unterstützen, hält dabei jedoch ihr eigenes Talent zurück. Durch eine Reihe (un)glücklicher Ereignisse werden die beiden dazu auserkoren, Island bei nächsten Songcontest zu vertreten. Lars‘ Ehrgeiz und Streben nach Ruhm beim Songcontest soll jedoch nicht nur das Liebesglück der beiden, sondern auch die Band selbst auf eine Zerreißprobe stellen. Dabei geht es bei dem Wettbewerb längst nicht mehr ums Gewinnen.

The Story of Firesaga ist hierbei aber mehr als eine „dumme“ Komödie über den Songcontest. Will Ferrell ist seit 1999 ein Fan dieses jährlichen Events, als er bei einem Besuch bei seinem Schwager (seine Frau stammt aus Schweden) einmal den Songcontest mitbekommen hat. Seither ist er von diesem Spektakel fasziniert, und war sogar zweimal als Gast mit dabei.

Der europäische Zusammenhalt

Der Songcontest selbst ist schon längst nicht mehr ein Wettbewerb, bei dem es ums Gewinnen geht. Seit der ersten Ausstrahlung 1956 ging es mehr um die Repräsentation der Länder, auf dass Europa näher zusammenrückt. Die Teilnehmer im Film haben das schon verstanden. Das bekommt man bei der Party des russischen Favoriten Alexander Lemtov (Dan Stevens) zu verstehen, bei der die SängerInnen aller Nationen mitfeiern und deren freundschaftliche Beziehungen untereinander spürbar sind. In dieser Szene haben auch viele ehemaligen ESC-TeilnehmerInnen einen Cameo, darunter auch die österreichische Kunstfigur Conchita Wurst, die uns 2014 „den Schaß“ gewonnen hat (Zitat Andi Knoll). Übrigens eine der besten Szenen des Filmes.

Der Songcontest hat auch oft die Karrieren seiner Teilnehmer gefördert. Udo Jürgens, Lordi, etc. Der Film beginnt auch mit einer Übertragung jenes Songcontests im Jahr 1974, an dem Abba gewann, wodurch die Weltkarriere der schwedischen Popband eingeleitet wurde. In diesem filmischen Denkmal werden die ZuschauerInnen an die Bedeutung des Songcontests erinnert. Es ist auch lustig und ironisch, dass in ebendieser Szene auch Pierce Brosnan den Auftritt ABBAs eher kritisch gegenübersteht, spielt er selbst doch in den beiden ABBA-Verfilmungen Mama Mia mit. Auch, dass die Favoriten und Teilnehmer irgendwann in Vergessenheit geraten, bzw deren Teilnahme ignoriert wird, wird im Film referenziert. Der Songcontest ist eben nicht alles.

Island selbst konnte erst ab 1986 teilnehmen, da damals die Datentransferübertragung auf die Insel noch nicht so möglich war. Zweimal landete es auf den 2. Platz, 1999, als Ferrell das erste Mal zusah, und 2009. Den Sieg holte es aber nie. Darum ist es auch perfekt als Schauplatz bzw. Herkunftsland für die ProtagonistInnen.

Schrullige Geschichtsstunde

Die Kostüme und die Performances erwecken ebenfalls einen Nostalgietrip durch die Jahrzehnte des Song Contests. Schrullige Kostüme, halbnackte Tänzer, Kleider mit extrem langen Schleiern, all das kommt in der einen oder anderen Kapazität vor, und beeinflussen dabei auch die Handlung. Auch die politische Komponente des Wettbewerbs kommt vor. Wenn der offensichtlich schwule russische Lemtov sich partout nicht outen will, weil Vaterland Russland LGBTQI-Menschen verfolgt und diskriminiert, dann lässt das auch an den Songcontest anno 2003 zurückerinnern, als das vermeintlich lesbische Pop-Duo t.A.T.u. für Russland ins Rennen ging.

Heimat ist auch ein wichtiges Schlagwort für den Film. Das isländische Fischerdorf wird im ersten Akt stolz präsentiert, samt glücklichen Walen und Elfenhäusern. Die malerischen, visuellen Einstellungen sind auch angelehnt an die „Werbeclips“, die vor ein jedem Performer beim Wettbewerb gezeigt werden.

Oscarverdächtige Hits 

Natürlich muss ich auch über die Songs sprechen. Und sie sind tolle Lieder, die allesamt dem Songcontest gerecht werden, und regulär hineinpassen würden. Von den Wikinger-inspirierten Musikvideo-Sequenz Volcano Lied, über das Russische Favoritenlied Lion of Love und natürlich Double Trouble. Ich würde allerdings dazu tendieren, dass der Finalsong Husavik als Nominierung für den besten Original Song ins Oscar-Rennen geschickt wird. Rachel McAdams und Dan Stevens hatten übrigens Voice-Double für die Gesangsszenen.

Jede Hollywoodkomödie, in der es um einen Wettstreit bzw. ums Singen geht, hat verschiedene Songs, und setzt vor allem beim Finale ein komplett anderes Lied ein, mit dem weder Figuren noch Publikum gerechnet haben. Der ESC funktioniert anders: Von den Vorrunden bis zum Finale wird immer dasselbe Lied gesungen und performt. Der Film versucht hier einen Kompromiss, und schafft sogar den Spagat zwischen Realität und Kinotrope. „Husavik“ ist mehr als ein passendes Lied für den Songcontests. Es ist ein Liebesbrief an die eigene Heimat, und so ist auch wieder an den Songcontest selbst. So schließt sich der Kreis.

Das Erbe des Songcontests

Der Songcontest ist schrill, er ist laut, er ist schrullig, und somit genau das Richtige für einen Will Ferrell. Seit Jahren schon wird versucht, zu expandieren. Mittlerweile sind ja auch schon Australien und Israel mit an Bord. Auf einen amerikanischen Ableger wird gehofft. Und dieser Film ist womöglich die beste Werbung dafür. Er ist lustig und hat viel Herz. Er ist ein Liebesbrief an den Songcontest, und gibt dessen Erbe wunderbar wieder.