Bohema Magazin Wien

View Original

Draußen vor der Tür

Unsichtbar und trotzdem ständig angestarrt, gutgemeinte Tipps gegen Grabscher und Taschengeld für einen Vollzeitjob oder der wie es sich anfühlt, als Theatermacher*in ganz am Anfang zu stehen.

Die Theaterwelt betritt man durch die Hintertür. Ich weiß noch gut, was für ein Hochgefühl es damals für mich war, am Portier vorbei in die Eingeweide des Theaters vorzudringen und Teil einer mir noch unbekannten Welt zu werden. Eine Hospitanz bzw. ein Praktikum an einem Theater war für mich der erste Schritt in „meine“ Welt, und ist sicher für viele eine bereichernde Erfahrung. Aber bleiben wir bei den Türen.

Die erste Tür

Ich stehe vor der Tür und ziehe. Erst dann lese ich „bitte drücken“ aber… Die Tür bleibt auch so versperrt. Viele Menschen haben gar nicht die Möglichkeit, einzutreten, denn Hospitanzen sind an den Österreichischen (und Deutschen) Theatern generell unbezahlt. Das „Taschengeld“ oder die „Aufwandsentschädigung“, die manche Theater großzügig auszahlen, reicht sicher nicht, um tägliche Bedürfnisse zu decken. Wer also keine Eltern hat, die einen bei solch einem Unternehmen unterstützen können, bleibt schon einmal draußen. Ich konnte nur deshalb über ein Jahr unbezahlt einen ca. 40 Stunden Job machen, weil mir meine Eltern die Wohnung gezahlt haben.

Ja, der deutschsprachige Theaterbetrieb hat ein echtes Klassismus-Problem, das genau hier anfängt. Das kleine, freie Gruppen, die sowieso schon prekär aufgestellt sind, kaum finanziellen Spielraum haben ist mir klar. Aber gut geförderte Stadt- und Staatstheater, die Stargagen und kostenintensive Bühnenbilder zahlen können, sollten es sich auch leisten, in den Nachwuchs zu investieren. Bei einer meiner Hospitanzen haben am Ende Spielende und das Produktionsteam Spenden für mich gesammelt. Ein Beispiel gelebter Solidarität, die nicht so sein müsste und sollte.

Die zweite Tür

Hinter der zweiten Tür, die sich zum Glück öffnen lässt, ist es erst einmal dunkel. Ich stolpere über Bühnenteile, werde fast von einem Lastenzug erschlagen und werde das Gefühl nicht los, den falschen Weg genommen zu haben. Niemand scheint mich zu bemerken (bin ich unsichtbar?) und trotzdem fühle ich mich von allen Seiten angestarrt. Es gab unzählige Situationen, in denen ich als Hospitantin das Gefühl hatte, unsichtbar und allein gelassen zu sein. Wer sich für ein Theater von morgen verantwortlich fühlt - und sich wie so viele Theater Innovation auf die Fahnen schreibt -, sollte Strukturen schaffen, in die sich Theaterneulinge auch leicht einfinden können.

Und ja, das ist nervig, kostet Zeit und Ressourcen. Das können (sowieso schon überarbeitete) Regie- bzw. Ausstattungsassistent*innen nicht einfach so zusätzlich und vor allem allein leisten. Zum Glück tun sie es trotzdem oft. Es handelt sich um Energie, die man vielleicht auch an Menschen verschwendet, die während der Praktikumszeit herausfinden, dass sie sich die Arbeit am Theater doch ganz anders vorgestellt haben. Genau deshalb wäre eine gute Kommunikation wichtig, sonst verlieren wir auch hier schnell wieder den Zugang.

Die Dritte Tür

Will ich eigentlich gar nicht öffnen. Dass Macht im Theater missbraucht wird, ist nichts Neues. Dass oft diejenigen mit der schwächsten Position von Machtmissbrauch betroffen sind, auch nicht. Dass etwas dagegen getan werden muss, und sich nicht nur die wehren müssen, die betroffen sind, ist hoffentlich auch klar. Mir wurde einmal, bevor ich meine Hospitanz an einem Opernhaus begonnen habe, gesagt, dass ich gut aufpassen solle, mit wem ich im Lift fahre. Das mulmige Gefühl blieb, auch während des Treppensteigens.

Die vierte Tür

Zum Schluss möchte ich noch eine Tür öffnen, die uns auf das Dach unseres Theaterhauses führt. Ich atme durch und genieße den guten Ausblick von oben:

Fair-sein kostet. Zeit und Geld. Aber ganz ehrlich: Es geht nicht nur um ein temporäres Arbeitsverhältnis, sondern um nichts weniger als um das Theater von morgen. Wir können nicht zulassen, dass unsere Theater der Zukunft nur von einer Elite geleitet werden. Die Annahme, dass sich „die Guten“ sowieso durchbeißen, ist einfach grundlegend falsch. In dem System, wie es jetzt ist, bleiben nicht jene, die neue innovative Ideen bringen, sondern die, die am meisten Verbindungen haben, schon vorher wissen, wie der Hase läuft und den Hasen dann auch immer den gleichen Weg laufen lassen. Daran müssen – und werden – wir etwas ändern. Die Türen müssen uns vielleicht geöffnet werden – die Räume dahinter können wir dann hoffentlich mitgestalten.