Bohema Magazin Wien

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Überhöht, Laut und Schwer

Dune: Part Two - ein ungelenker Spagat zwischen Arthouse und Blockbuster; eine aufreibende Touristenreise durch widersprüchliche Sandlandschaften.

Krieger-Gesten /// (c) Warner Bros.

Dune: Part Two ist ein ulkiger Film. In seinem Versuch, Totalitarismus und Kolonialismus anzuprangern, reproduziert er sie so sorgfältig und rissbrettartig als ästhetisches Spektakel, dass die Frage, ob die Dekonstruktion gelungen ist, ausbleibt, bis der dritte Teil der Trilogie über die Leinwand flackert.

Paradox

Was sich bereits über diese Episode sagen lässt, ist, dass ein Film, dessen selbstdefinierte Kernthematik die Kritik an blindem Fanatismus und manipulativer Autorität ist und der gleichzeitig alle formalen Regeln der Kunst zieht, um jeden Keim der subjektiven Interpretation seiner Bilder in der dröhnenden, bedeutungsbestimmenden Soundkulisse zu ersticken, sich im fundamentalen Konflikt mit sich selbst befindet. Nun könnte man annehmen, dieser Widerspruch zwischen Form und Inhalt stehe exemplarisch für den ambivalenten Wesenszustand des Protagonisten Paul Atreides - schließlich gelingt es dem Film oft, wenn auch nicht immer gewollt, Gegensätze und Widersprüchlichkeiten im großen Stil zu konstruieren. So zum Beispiel, wenn Paul die ungläubige Partei der Fremen auf seine Seite zieht, in dem er ehrlich zu ihnen ist und später selbst dem Glauben an seine eigene Interpretation der Zukunft erliegt. 


Doch gerade weil Teile der inhaltlichen Abhandlung funktionieren, tritt die Inkonsequenz von Dune: Part Two noch deutlicher hervor. Es ist wirklich seltsam wie sehr der Film darin scheitert, eine standhafte Kritik aufzubauen, die neben der Gewalt, mit der er Machtmissbrauch fetischisiert, bestehen kann. Die eine konsistent oppositionelle Gegenstimme und moralischer Anker ist dabei die Figur Chani, die, wie die meisten weiblich gelesenen Figuren in Dune: Part Two, lediglich durch einen Mann hindurch – als schlichter Gegenpol und anti-Paul – charakterisiert wird. Ohne eigene Geschichte oder Herkunft abseits ihrer inspirationslosen Fremen-Identität, ist sie somit als Randerscheinung auch keine glaubhafte Stimme gegen die Kamera, die um Pauls Kult kreist. 


So kommt es, dass der Film besonders dann ins kitschige und komische abgleitet, wenn er die Themen behandeln will, die ihm am wichtigsten sind. Diese Tendenz steigert sich beinahe ins Absurde, wo Figuren wie Stilgar, durch die der Fanatismus-Themenkomplex abgehandelt wird, zu Witzfiguren verkommen, die Harkonnen zu peinlichen Pubertierenden werden und Chanis antikolonialer Widerstand in einer klischeehaften Darstellung von Teenagertrotz mündet. 
Auch, dass in ironischer Art und Weise Kompars:innen aus Ländern der Region, aus deren kulturellen Artefakten die orientalistische Idee der Fremenkultur von Herbert entworfen wurde, genutzt werden, um die Fremen für westliche Zusehende authentischer erscheinen zu lassen, aber keine handlungsvorantreibenden Fremenfiguren mit Schauspielenden aus der Region besetzt sind, lässt Dune: Part Two an Glaubwürdigkeit einbüßen.

Kino-Gesten /// (c) Warner Bros.

Klobig

So entsteht zunehmend der Verdacht, dass der Film bloß daran interessiert ist, eine ästhetisch stimmige Welt und die Erfahrung dieser zu entwerfen. Eine Annahme, die angesichts des enormen Pathos, mit dem diese inhaltlich überhasteten Bilder aufgeblasen werden, bekräftigt wird. 
Und man kann nicht leugnen, dass es der Crew von Dune: Part Two in weiten Teilen gelungen ist, eine runde Bildsprache zu entwerfen, die von einer beeindruckenden Schwere durchzogen ist und von starken schauspielerischen Leistungen getragen wird. Leider werden diese begrüßenswerten Merkmale des Films aber nicht nur durch seinen halbherzigen Inhalt geschmälert.

Auch die hohe Brennweite, geringe Tiefenschärfe und überinflationäre Nutzung naher Aufnahmen, die Zusehenden nicht nur Überblick und Autonomie verweigern, sondern erst die parodistisch übertriebene Natur der klischeebehafteten Figuren hervortreten lassen, halten Dune: Part Two zurück, Tiefe zu entfalten und resultieren in einer gehetzten bis chaotischen Montage. 
So geht der Geschichte ein substanzielles Maß an Dynamik verloren, die sie dringend benötigt hätte, um Arrakis über die Rahmen der Leinwand hinaus lebendig erscheinen zu lassen. Wir wohnen nicht der Entwicklung einer Handlung in dieser Welt bei, sondern einer Aneinanderreihung an Szenen, mit dem Ergebnis einer plumpen Unbeholfenheit, die sich als Gravitas zu tarnen versucht. Kein Wunder also, dass auf Hans Zimmers brachial-stumpfe Blechtonnentreterei nach allen Regeln des Orientalismus zurückgegriffen wird, um den Weg durch das narrative Wirrwarr zu leiten.

Schlussstrich

Was am Ende von Dune: Part Two bleibt, sind einzelne Momente des Spektakels, die kurz mitreißen; ein Wurmritt, ein Kriegsrat und ein Kniefall – doch kein klares Gefühl des Zusammenhangs oder der Aussage, wodurch die inkongruenten Augenblicke im leeren Raum des Widerspruchs hängenbleiben, in dem man verzweifelt nach der Welt zwischen den Zeilen sucht, die Arrakis in Herberts Vorlage erst zum Leben erweckt hat.