Bohema Magazin Wien

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Ein schrilles Spiel aus Genderverwirrung und Identitätskrisen

Mit Bunbury versucht das Akademietheater viel, schafft aber wenig. Ein Theaterabend nach Oscar Wilde, der den Erwartungen nicht gerecht wird.

(c) Susanne Hassler-Smith/Burgtheater

Am Sonntag den 23.05.2021 feierte Bunbury von Oscar Wilde unter der Regie vom italienischen Regisseur Antonio Latella Premiere am Wiener Akademietheater, über ein halbes Jahr später nach dem eigentlich geplanten Zeitpunkt. Für mich war dies der erste Theaterabend nach dem Lockdown, mit entsprechend großer Erwartung ging ich also in die Vorstellung. Das brisant komische und teils auch bitterböse Stück lädt ein in eine Welt von Wahrheiten und Lügen, Leichtigkeiten und Ernsthaftigkeiten. In der Verwechslungskomödie dreht sich alles um Identitätskrisen, vertauschte Genderrollen und sexuelle Orientierung. 

Verwechslungsspiele

Bunbury handelt von zwei Freunden, John (Florian Teichmeister) und Algeron (Tim Werths), die aufgrund ihrer sexuellen Ausschweifungen ein Doppelleben führen. Beide erfinden ein Alter-Ego, das ihr moralischer Schutzschild ist: Der eine muss seinen todkranken Freund Bunbury „pflegen“, der komischerweise immer gerade dann starke Rückfälle hat, wenn Algeron bei seiner Tante Augusta (Regina Fritsch) zu einer Soiree eingeladen wird, und der andere muss sich um seinen Bruder Ernst kümmern und ihn vor den Folgen seines scheinbar ausschweifenden Lebensstils wöchentlich in London „retten“, um den Pflichten gegenüber seines Mündels und dem öden Landleben zu entkommen.

Florian Teichmeister als John und Tim Werths als Algernon (c) Susanne Hassler-Smith/Burgtheater

Oscar Wilde legt diesem Stück seine eigenen Erfahrungen zu Grunde, nämlich sein Doppelleben, das er gezwungen war zu führen, aufgrund seiner Homosexualität im England des späten 19. Jahrhunderts. Antonio Latella nimmt diese doppeldeutigen Anspielungen und stülpt sie komplett nach außen: Der Butler (Marcel Hauptmann) liest aus dem Skript vor und erklärt gleichgeschlechtliche Küsse unter den Figuren lautstark zu „Gaymoments“, falls das Publikum diese nicht einordnen kann. Des Weiteren brannte im Saal die ganze Vorstellung über das Licht, damit nicht nur die Protagonisten, sondern auch das Publikum ja keine Geheimnisse voreinander hat.

Von räkelnden Einlagen zu überspitzten Aussagen

Die Inszenierung trägt dick auf, mit einem sehr spärlichen Bühnenbild soll die Konzentration des Publikums auf die Übertriebenheit der Figuren gelenkt werden, jedoch anstatt, dass diese unterhaltsam wirken, werden viele Szenen total skurril und überspitzt dargestellt. Ob lauthaftes Gekreische der weiblichen Figuren, nicht zur Epoche passende Charleston-Einlagen von Jacks Mündel (Andrea Wenzl) und deren Gouvernante Ms. Prism (Gendertausch, Mehmet Atesci) wobei erstere sich halb nackt und wie eine Närrin schreiend und stöhnend auf der Bühne räkelt oder Szenen, die aus welchem Grund auch immer „zurückgespult“ werden, indem Figuren ihre zuvor auf der Bühne gesetzten Schritte zurückgehen und dann die Szene wiederholen, jedoch pro Mal immer lauter und exzessiver in der Darstellung werden.

Alles in allem hätte sich auch eine kürzere als die dreistündige Inszenierung in die Länge gezogen, die demaskierenden Wortwitze sowie die Spiele mit der Sprache hatten den gegenteiligen Effekt, als jenen, den sie wahrscheinlich erzielen wollte. Sehr schade!