Bohema Magazin Wien

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Emmerich Steigberger, wie entstehen Lichtdesigns im Theater?

Über Bühnentechnik im Theaterbetrieb: Ein Interview mit Emmerich Steigberger, Lichtdesigner und technischer Direktor am Theater in der Josefstadt.

(c) Nina Ebner

Warum ein individuelles Lichtdesign für eine Inszenierung so wichtig ist, kann Emmerich Steigberger erklären. Er ist erfahrener Lichtdesigner und seit 2012 technischer Direktor des Theaters in der Josefstadt und der Kammerspiele der Josefstadt. In seiner Funktion hat Steigberger die koordinierende Oberhand über insgesamt 120 Mitarbeiter*innen in der Requisitenabteilung, der Tontechnik, den hausinternen Werkstätten und der Beleuchtungsabteilung. Letztere versammelt 16 Personen, vier davon sind als Lichtdesigner tätig. Auch der Direktor selbst zählt zu ihnen, denn neben der Gesamtleitung übernimmt Steigberger jährlich ein bis zwei Designs im Haus. Für bohema fragt nach hat er bei einer Backstage-Führung aus dem sprichwörtlichen Nähkästchen geplaudert.

B: Was ist die Herausforderung des Lichtdesigns am Theater? 

E: Das Lichtdesign ist eine schöne Kunstform, aber sie kann nicht für sich allein stehen, sie ist immer der Dramaturgie des Stücks und den Schauspielern untergeordnet. Das ist das Wichtigste: Es darf nicht ablenken, es muss unterstützen. Es muss subtil die Stimmung des Stücks, die Dramaturgie voranbringen. Das ist mein Credo. 

Der Designer entwickelt seine Pläne gemeinsam mit Bühnenbild und Regie. Diese Zusammenarbeit kann ganz unterschiedlich ablaufen: Es gibt Regisseur*innen, die haben schon genaue Vorstellungen in der Vorbereitung des Stücks und arbeiten sehr eng mit Bühnenbildner*in und Lichtdesigner*in zusammen. Aber da gibt es auch andere Leading Teams, die freier arbeiten und es ergibt sich erst im Zuge der Inszenierung, wie es werden soll. Man probiert vieles auf der Bühne aus, verwirft wieder vieles, um zu einem Ergebnis zu kommen. Lichtdesign ist die Planungstätigkeit. Der Beleuchter und der Stellwerker haben das dann umzusetzen.

B: Ab wann sind Lichtdesigner*innen an der Stückentwicklung beteiligt? 

E: Wichtig ist die Bauprobe, das ist der erste Step zur Bühnenbild-Realisierung, wo mit einfachen Mitteln der Entwurf des Bühnenbilds dargestellt wird. Ich sage einmal mit Probendekorationen, mit Rahmen, mit Backpapier usw. Da werden die Dimensionen 1:1 auf der Bühne aufgebaut. Im Zuge dessen ist es wichtig, das Licht schon mitzudenken, um die dramaturgisch notwendige Beleuchtung mit diesem Entwurf überhaupt realisieren zu können. 

Und dann geht’s los mit Probenbeginn, da ist es gut, wenn der*die Lichtdesignerin sich schon einmal eine Probe anschaut, wenn ein Teil der Inszenierung durchläuft. Der*die Lichtdesigner*in muss die Konzeption beginnen, sich mit der Inszenierung beschäftigen. Wenn die Produktion auf die Hauptbühne kommt, sollte man schon ein Grundkonzept haben, das auch die jeweiligen Auftritte, Detailszenen usw. berücksichtigt: Wann sind die Lichtwechsel? Wie schaut es mit dem Timing aus? Wann sind Szenenwechsel technisch geplant? Gibt’s eine Drehscheibe? 

(c) Nina Ebner

B: Wie sieht die Vorbereitung des Lichtdesigners/der Lichtdesignerin bis zur Premiere aus? 

E: Bevor wir auf der Hauptbühne die Beleuchtungseinrichtung machen, macht der*die Designerin einen Lichtplan in Papierform. Dort werden alle Scheinwerfer-Typen, die er*sie sich wünscht, an den richtigen Positionen am Papier eingezeichnet. Wenn es konventionelle Scheinwerfer sind, dann noch mit Farbfilter dazu: Welche Farbfilter geben wir da rein? Welche Effektgeräte kommen noch dazu? Diesen Plan, den man aufgrund der bisherigen Informationen erstellt hat – die man von der Bauprobe hat, die man von den Probenbesuchen hat – den kriegt dann die Beleuchtungsabteilung, die es im Zuge der Beleuchtungseinrichtung technisch realisiert. Da werden die Scheinwerfer positioniert, verkabelt, angeschlossen. 

Am Tag nach der technischen Einrichtung gibt es Proben im fertigen Bühnenbild, mit einer teilweisen Beleuchtungseinrichtung, wo man ein paar Dinge ausprobieren kann. Man hat die Chance, sich anzusehen, wie das Geplante dramaturgisch funktioniert. Das sind die ersten Überprüfungsmöglichkeiten. Nach zwei, drei Bühnenprobentagen sind die Schauspieler'*innen dann wieder auf der Probenbühne und man arbeitet sehr konzentriert an der konkreten Umsetzung des Lichtdesigns. Das ist dann etwa ca. zwei Wochen vor der Premiere. Step-by-Step programmiert man gemeinsam mit dem Beleuchter chronologisch die Lichtstimmungen. 

B: Kommt es vor, dass die Technik mit unerfüllbaren Anforderungen konfrontiert wird? 

E: Es kommt vor, dass es schon im Bühnenbildentwurf Ideen gibt, die für unser Haus nicht passen, nicht umsetzbar sind. Sei es finanziell, zeitlich oder aufgrund der Statik der Bühne. Es ist eine meine Aufgaben [als technischer Direktor], dass ich aufgrund der Pläne in der Konzeption erkenne, wo die Probleme auftreten können. 

B: Wie geht man mit dem Lichtdesign bei Repertoire-Stücken um?

E: Für den*die Lichtdesigner*in ist die Arbeit eigentlich mit der Premiere getan. Dann ist es bei uns, in den großen Häusern so, dass die Reproduktion immer gleich und wie bei der Premiere passiert. Theater ist Verabredung, mehr ist es nicht. Natürlich muss man, wenn das Stück länger gelegen ist, ein bisschen refreshen. Aber an und für sich ist die Beleuchtungsabteilung zuständig, das zu reproduzieren. Die haben dann die Pläne, die schauen nach, haben die Aufzeichnungen für jeden Scheinwerfer und im Prinzip sind die Lichtstimmungen im Pult gespeichert und werden dort vom Operator abgerufen. Damit bewege ich die Scheinwerfer, positioniere sie, steuere hell-dunkel, steuere Farben und die Summe aus vielen Geräten, die damit gesteuert werden, ergibt das Lichtdesign. 

B: Funktioniert Lichtdesign nur in großen Häusern mit umfangreichem Equipment? 

E: Nein, das funktioniert auch auf kleinen Bühnen. Dann ist vieles in einer Person zusammengefasst. Da macht der*die Beleuchter*in das Design, macht die technische Umsetzung, baut auf und programmiert es schlussendlich im Pult. 

B: Wie wird man zum*r Lichtdesigner*in?

E: Das ist verschieden. Ich habe eine technische Ausbildung – also Elektrotechnik – und bin als Techniker und Beleuchter zum Theater gekommen. Ich habe meinen Werdegang begonnen als Beleuchter, wurde Beleuchtungsmeister, dann Lichtdesigner, bevor ich die Leitung der Beleuchtungsabteilung und schließlich die technische Direktion übernommen habe. Es gibt meines Wissens nur in London die Möglichkeit, eine Lichtdesigner-Ausbildung zu machen. Es gibt aber auch Bühnenbildner*innen, die Lichtdesign machen. 

B: Ist eine technische Ausbildung eine Voraussetzung?

E: Ein Lichtdesign ohne technisches Verständnis…? Man tut sich dann schwer in der Umsetzung. Man muss auch das Knowledge haben, was es am Markt gibt, muss vom Equipment Ahnung haben. Ich muss da dran sein, damit ich weiß, welche Möglichkeiten ich als Lichtdesigner habe. 

B: Was hat sich technisch getan in den letzten Jahren? 

E: In den letzten Jahren hat sich die LED-Technik im Event- und Theaterbereich durchgesetzt. Das ist jetzt State-of-the-Art und die herkömmliche Glühlampen-/Halogen-Lampentechnik stirbt langsam aus. Es hat auch das Halogen- und Glühlicht seinen Charme und meiner Meinung nach immer noch seine Berechtigung. Aber in zehn Jahren ist die Halogen-Lampe weg. Dann ist die Zeit vorbei. Vielleicht gibt es dann wieder den Retro-Charme, wenn man eine Inszenierung ohne Moving Lights, ohne LED, ausschließlich mit Glühlampen macht, das ist dann vielleicht so wie wenn man jetzt eine Schallplatte auflegt. 

B: Was sollen wir abschließend festhalten?

E: Die Tätigkeit des*der Lichtdesigners*in ist halb künstlerisch halb technisch. Das ist auch das Spannende dran. Man kann sich nicht nur künstlerisch in tollen Visionen verlieren, sondern muss auch immer im Auge behalten, dass man es praktisch umsetzen kann. Man muss also einen pragmatischen Zugang haben, sonst wird’s nix. Auch der Zeitdruck ist sehr groß im Theater, Zeit auf der Bühne ist kostbar. Da ist es wichtig, dass man gut vorbereitet und effizient an die Sache rangeht, das ist oft im Zusammenspiel mit Regie und Bühnenbild nicht ganz einfach, weil es da ja nicht unbedingt immer eine klare Einigkeit gibt in diesem Prozess. Das ist dann meistens so ein Zusammenfinden, wenn nicht ein Zusammenraufen. 

Mein Beruf kann nicht langweilig werden, weil jeder Entwurf, jede Inszenierung und die Kombination aus Regieideen, Bühnenbild, Licht, Sound und Video immer anders ist. Man kann nie sagen, man weiß jetzt alles, man hat alles gelernt.