Bohema Magazin Wien

View Original

Glanz und Krawall 

La Bohème einmal anders: Die Berliner Gruppe ‘Glanz und Krawall’ nahm sich bei den Musiktheatertagen Puccinis Klassiker und die Oper als solche aufs Korn.

Frauen vor, heißt es bei dieser Bohème /// Peter von Heesen (c)

Wiener Opernliebhaber*innen wachsen mit La Bohème auf, denn sowohl in der Wiener Staatsoper als auch in der Volksoper Wien, steht Puccinis Klassiker mehrmals jährlich am Spielplan - und das seit Jahren in Inszenierungen von Franco Zeffirelli und Harry Kupfer. Es ist eine tragische Winter-, Weihnachts- und Liebesgeschichte, die sich auf einem Teppich bezaubernder Musik in Paris ereignet. Für die meisten eine Lieblingsoper. Für andere zu kitschig. Und für manche sogar sexistisch. 

„Female Empowerment“ trifft Verismo

Die Musiktheatertage in Wien schrieben also diese La Bohème auf ihren Spielplan. Beziehungsweise La Bohème Supergroup - Eine Punk-Opern-Performance mit Berliner Schnauze. „Female Empowerment“ solle auf Verismo treffen und den Szenen des Melodrams feministische Aspekte verleihen. Das macht schon neugierig. 

Glanz und Krawall, eine Berliner Gruppe aus Schauspielerinnen und Musikerinnen, setzten Szenen aus der Bohème ins heutige Prekariat. Rodolfo scheitert daran, einen Antrag mit Finanzplan zu schreiben, Marcello trainiert für einen besseren Pinselstrich und insgesamt sind sie eine recht unfähige Männer-WG. Die Nachbarin Mimi stolpert mädchenhaft dazwischen, Musetta sehen die Freunde zusammen auf der Bühne einer Bar.

La Bohème heute /// Peter von Heesen (c)

Jeder darf jeden spielen, so tauschen die Darstellerinnen nach jeder Szene ihre Rollen und bereichern die verschiedenen Charaktere. Die freien Texte in den Szenen, die Situationen und auch die elektronische Musik, in die Puccinis Arien hineingemixt werden, sind tatsächlich amüsant.

Wie weit darf Parodie gehen?

Das Publikum schmunzelte und lachte, denn das ist eine Bohème mal anders. Irgendwie frisch, mit Augenzwinkern und doch nur dann wirklich zu genießen, wenn man den Original-Puccini bereits kennt. Es ist eine Parodie der Frauenfiguren aus Opern generell, aus La Bohème und des Genres Oper an sich, die mit Lächeln aufgenommen werden kann. Manchmal ist es allerdings zu viel. Nichts gegen das auf die Schaufel Nehmen einer Oper, da versteht man schon Spaß, aber auch wenn man sich über etwas lustig macht, muss das mit einer gewissen Qualität passieren. Die musikalischen Arrangements an sich sind unproblematisch, doch die Art und Weise, wie die Schauspielerinnen originale Puccini-Arien hauchten, pressten und grölten, war unangenehm. Es entzog ihnen eine unsichtbare Befugnis, sich über La Bohème lustig zu machen.

Sehr schade für diese La Bohème, die doch so witzig, intelligent, wild und kurzweilig sein könnte. Letztendlich wirklich nur Glanz und Krawall.