Bohema Magazin Wien

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Glänzende Romantik im Konzerthaus

Janine Jansen und Denis Kozhukhin begeisterten das Publikum des Mozart-Saals mit einem stimmigen Programm von Beethoven, Clara Schumann und Brahms.

Foto: Marco Borggreve; Andreas Terlaak

Während parallel im Musikverein Leonidas Kavakos mit den Wiener Symphonikern Brahms’ monumentales Violinkonzert zum Besten gab, widmeten sich Jansen, die ein paar Tage zuvor mit dem Orchester das Bruch-Konzert gespielt hatte, und Kozhukhin nun der Kammermusik des hanseatischen Wahlwieners. Zu Beginn stand aber Ludwig van Beethovens c-Moll-Sonate op. 30/2 am Programm. Ein Werk, das kurz vor Beginn des halbjährigen Lockdowns im Herbst auch bei Patricia Kopatchinskaja im Konzerthaus am Programm stand. Und wie war dies nun Balsam auf die Seele aller, die damals verwirrt, wenn nicht fast vor den Kopf gestoßen wurden, ob dem, was dort aus dem Werk gemacht wurde und eher den Namen Fantasie von P. Kopatchinskaja über Beethovens... tragen hätte sollen.

Jansen startete zwar etwas kontrolliert und in sich gekehrt, aber dennoch innig und ausdrucksstark. Auch beim russischen Pianisten hatte man das Gefühl, dass er noch etwas schwerfällig loslegte, wie auch der Klang des Flügels etwas hinter dem Geigenklang verwaschen wurde (vielleicht auch räumlich bedingt, Jansen stand leider direkt vor Kozhukhin). Spätestens aber ab dem spritzigen Scherzo der viersätzigen Sonate wirkten beide perfekt ein- und zusammengespielt. Die kurzen Noten gelangen spritzig, die Sforzati und abrupten Dynamikunterschiede dieses aufbrausenden Beethoven akkurat und dennoch immer klangvoll, nie harsch und kratzig. Im letzten Satz warfen sich die beiden Partner bei den Synkopen den Spielball fidel hin- und her, der Schluss gelang so wild und durchdringend, wie er sein muss. 

Als Mittelstück wählten Jansen und Kozhukhin ein Werk, dass erst 2018 zum ersten Mal im Konzerthaus erklungen war, nämlich die Drei Romanzen für Violine und Klavier op. 22 von Clara Schumann aus dem Jahre 1853. Ein Jahr zuvor hatte Clara eine Fehlgeburt erlitten und bei ihrem Ehemann Robert wurde seine chronische Nervenkrankheit diagnostiziert. Und so stellen die Drei Romanzen tatsächlich eines ihrer letzten Werke dar, hörte Clara im Alter von 34 doch mit dem Komponieren auf. Schade, muss man heute sagen.

Warum immer nur Robert, wenn’s Clara auch kann?

Denn die drei kurzen Stücke bilden ein romantisches Kleinod. Vielleicht nicht die größten Melodien aller Zeiten, aber ein intimes Gemälde, bei dem Geigen- und Klavierstimme elegisch ineinanderfließen und die Geige im dritten Stück einen recht mitreißenden Gesang anstimmt. Mustergültig musiziert wie hier, stellt sich erneut die Frage, warum nicht schon längst mehr Werke bekannter (denn Clara war ein Star) und unbekannter Komponist*innen auf den Programmzetteln stehen.

Brahms’ dritte und letzte Violinsonate, als einzige (so wie Beethovens op. 30/2) viersätzig und ebenfalls in (d-) Moll bildete den Schlusspunkt und gewissermaßen die logische Verbindung von Beethoven in der Konzeption und Schumann in Ton und Klangsprache. Und hier ging das Konzept perfekt auf. Jansen und Kozhukhin präsentierten das hochromantische Werk mit höchster Expressivität und fettem, sattem Ton, wussten aber ganz genau, wann es sich zurückzunehmen galt, Vibrato zu reduzieren und die Seiten mit nicht mehr als einem Bogenhaar zu kitzeln. Bei den Doppelgriffen des zweiten und dritten Satzes fragte man sich, was für ein gewaltiger Klang aus einer einzelnen Geige eigentlich kommen kann. Der vierte Satz ein romantisches Klangfeuerwerk der Sonderklasse. So muss Kammermusik! 

 

Und wenn mich jemand fragt, ob eine Geige „geil“ klingen kann, nach dem Konzert kann ich mit Überzeugung JA sagen!