"Gute Ideen kommen einfach abends beim Lagerfeuer"
In Litschau, der nördlichsten Stadt im Waldviertel, findet an zwei Wochenenden im August das Theaterfestival Hin & Weg statt. Zeno Stanek leitet das Festival seit 2018 mit zahlreichen Ideen, die die Stadt auf das Radar der Kulturlandschaft bringen.
Bohema: Im August findet das Theaterfestival Hin & Weg statt. Wie kommt es zum Untertitel „Tage für zeitgenössische Theaterunterhaltung“? Ist zeitgenössisches Theater nicht unterhaltsam genug?
Zeno Stanek: Nein, ich wollte dem Wort “Unterhaltung” auch eine andere Bedeutung geben, die vor allem mit emotionaler Berührung zusammenhängt. Wenn man “zeitgenössisch” in den Mund nimmt, dann zuckt ja jede*r ein bisschen zusammen, weil man immer das Gefühl hat, das hieße gleichzeitig schwierig oder gefühlskalt. Deswegen habe ich das Zeitgenössische mit Unterhaltung verbunden und daraus ist dieser Untertitel entstanden.
B: Was kann neben Theateraufführungen noch besucht werden?
ZS: Ernst Molden kuratiert die Konzerte mit jungen Bands, die hauptsächlich aus der Singer Songwriter-Szene kommen, und für uns die Dramatiker*innen der Musikszene sind. Es gibt verschiedene Diskussionsformate zur Frühstückszeit, aber auch abends Feuergespräche nach den Konzerten. Theater-Yoga, das ist jetzt auch keine Aufführung in dem Sinn, und szenische Lesungen natürlich. Hörspiele finden in unserer Hörspiel Lounge statt, wo man sie im gemütlichen Rahmen konzentriert anhören kann. Das sind ja doch dramaturgisch höchst aufwendig gestaltete Werke. Eigentlich die Vorstufe zum Theater, oft auch die Einstiegsdroge für Theaterautor*innen, oft schreiben sie erstmal ein Hörspiel und wechseln dann zum Theaterstück.
B: Was passiert zwischen den Festival-Wochenenden?
ZS: Unter der Woche gibt es Workshops in Richtung Regie, Körpersprache, Improvisation. Das ist immer ein recht bunt gemischter Kreis an Menschen, die an diesen Workshops teilnehmen, um sich da im Theaterbereich weiterzubilden oder zu herausfordern zu lassen. Auch Klappmaulpuppen kommen zum Einsatz, das sind spezielle Puppen mit denen etwa Nikolaus Habjan und Manuela Linshalm arbeiten und diese Puppen auch selber bauen. Man kann die Puppen dann beim Eröffnungsstück "Shakespeare im Blut" bewundern, mit den besten Mordszenen aus Shakespeares Stücken.
B: Das Festival erreicht auch ein überregionales Publikum. Was hat dich ins Waldviertel gelockt und wie lockst du nun Wien ins (kalte) Waldviertel?
ZS: Klimatisch ist Litschau im Sommer prädestiniert für einen Besuch, weil es wenigstens ein bisschen runterkühlt! Die Waldluft zu atmen ist einfach ein großes Vergnügen. Ich selbst habe als Studierender auch immer wieder Theaterproduktionen im Sommer gemacht. Jetzt kommen die Menschen nach Litschau, um einerseits Kunst in einer ungewöhnlichen Umgebung zu genießen, zu entspannen und sich geistig zu inspirieren und die Batterien aufzuladen.
B: Dem Waldviertel Tourismus muss das sehr gefallen!
ZS: Das ist natürlich für den Tourismus eine ganz wichtige Angelegenheit, weil wir ja wollen, dass die Menschen bleiben, also vom Kurzurlaub zum Langurlaub, wie die Touristiker das so gerne sagen. „Festival Land Niederösterreich" ist ja die Tourismus Strategie der nächsten Jahre für das ganze Land. Das sehen wir als Auftrag auch in Zukunft kreativ zu bleiben und die Menschen mit diesen Festivals zu unterhalten. Und vielleicht anzuregen auch mal länger im Land zu bleiben und nicht nur hin zu fahren und dann wieder wegzufahren.
B: Lass uns noch über deine Garantie sprechen. Auf der Feriendorf Website garantierst du: Eine Probewoche ersetzt drei Probewochen in der Stadt. Wie kommt es zu diesem Verhältnis?
ZS: Ich hab das selbst ausprobiert! Wenn man bei uns eine Woche probt hat man eine sehr intensive Zeit hinter sich, die ungefähr in drei Wochen in der Stadt im „normalen Leben“ stattfinden. Deshalb empfehle ich, wenn mans nur irgendwie kann, mit dem Ensemble für eine Woche nach Litschau zu kommen. Weil man nicht am Abend nach Hause fährt und sich dann am nächsten Tag wieder kalibrieren muss, um in die Probe einzusteigen. Und gute Ideen kommen einfach auch gerne am Abend beim Lagerfeuer!
B: Gibt es im Feriendorf auch Platz für die junge Generation?
Das Feriendorf ist eigentlich gemacht für eine junge Generation. Nicht ausschließlich, weil wir wollen, dass auch die ältere Genration mit den Jungen aufeinander treffen. Es gibt eine Kooperation mit der MUK Wien, mit dem Max Reinhardt Seminar, mit der Kunstuniversität Graz und mit der Ernst-Busch-Schule Berlin. Wir freuen uns sehr, dass die Schauspiel-Studierenden zu uns ins Waldviertel kommen und sich selbst präsentieren, aber eben auch bei den Projekten mitwirken, wie z.B. den szenischen Lesungen. Wir sind ein Theaterfestival, das den*die Dramatiker*in ins Zentrum setzt. Wir wollen, dass gesehen wird: Ein guter Theaterabend beginnt immer im Kopf der Autor*innen, die diese Initialzündung setzen. Bei uns entstehen dann sehr schöne Netzwerke, wenn die Regisseur*innen und bei uns auf die Autor*innen stoßen, sich austauschen und Ideen entwickeln.
B: Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit beim Theaterfestival Hin&Weg?
ZS: Eine Große! Wir werden für nächstes Jahr auch das Umweltzeichen für diese Veranstaltung anstreben, da wir zunehmend viele Bedingungen erfüllen können. Ein Aufwand ist der "Papierkram", wo ein*e Mitarbeiter*in schon sehr lange sitzt, um diese Dinge dann auch zu dokumentieren. Aber wir sind da am besten Weg dazu, wir produzieren wenig Müll, wir schauen, dass es zu einer möglichst umweltschonenden Anreise kommen kann, wir verwenden Produkte aus der Region, kochen immer auch vegan und probieren insgesamt möglichst wenig Ressourcen zu verschwenden.
B: Recycelt wurde angeblich sogar eine ganze Tennishalle. Was hat es damit auf sich?
ZS: Es gab eine, sagen wir, relativ verschmuddelte Tennishalle im Bereich des damaligen Hoteldorfs Königsleiten. Wir hatten die Idee ein "Veranstaltungsparadies" hineinzubauen, aber nicht nur! Ich glaube, wir haben da jetzt die perfekten Arbeitsräume für die darstellende Kunst kreiert. Auch das ist ein nachhaltiges Gebäude, komplett Energieautark, mit Erdwärme wird es geheizt und gekühlt und mit Photovoltaik erzeugen wir den Strom für die LED-Beleuchtung. Mittlerweile ruhen dort auf dem Dachboden über 17000 Teile Kostüme und Requisiten. Das Gebäude ist seit inzwischen einem Jahr in den unterschiedlichsten Formen im Betrieb, für Workshops, Feste, Konzerte und als Filmstudio.
B: Hin & Weg ist der Name des Theaterfestivals. Aber was passiert nachdem alle wieder weg sind, also in der Nebensaison in Litschau?
ZS: Man glaubt gar nicht, wie schön dieser goldene Herbst im Waldviertel ist. In Tschechien nennt man diesen Bereich direkt an der Grenze sogar "Little Canada", weil es eben dort aufgrund der verfärbten Laubwälder, des Wassers und der Seen aussieht, als wäre man in Kanada. Drinnen zu sitzen am prasselnden Kamin, ein Buch zu lesen und hinaus in den Nebel zu schauen, das ist Erholung pur. Außerdem sind da natürlich unsere wunderbaren Workshops. Das 7. Theaterfestival Hin & Weg wird im kommenden Jahr von 9. bis 18. August 2024 stattfinden. Im Fokus stehen die Themen „IDENTITÄT“ und „TEILEN“.