Bohema Magazin Wien

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Joyful, energizzante, fulminant

...so versprach es mein Kollege Dávid in seiner Ankündigung meiner Kritik - besser hätte ich selber den Oktett-Abend mit vereintem Belcea und Ébène nicht beschreiben können.

Enescu und Mendelssohn in jungen Jahren

Ein Fest.

Das ist das Erste, was mir in den Kopf kommt als die zwei Quartett-Giganten die Bühne betreten. Und wenn ich mich so umschaue, bin ich sicherlich nicht die einzige, die einen Fangirl-Moment erlebt: hibbelig, grinsend und verzückt klatscht der volle Saal, eigentlich jetzt schon bereit Standing Ovations zu geben. Ich erinnere mich an ein Statement von Christian Kuhnt, dem Leiter des Schleswig-Holstein Musik Festivals, dass Kammermusik - und vor allem der Streichquartett-Kult - vom Aussterben bedroht ist. Aber wenn ich mich heute so im Mozartsaal des Wiener Konzerthauses umsehe...auch Profis haben manchmal Unrecht.

Wolkenflug und Nebelflor

erhellen sich von oben.

Luft im Laub und Wind im Rohr

Und alles ist zerstoben.

Dieser Vers aus Goethes Walpurgisnacht diente dem damals 16-jährigen Felix Mendelssohn-Bartholdy als Parole für sein einziges Oktett - und als die erste Phrase erklingt, lehnt sich der ganze Saal in Genuss zurück. Wenn man strahlende Jugend und Lebenslust vertonen wollte, so hat das der Komponist geschafft - und die Interpreten umso mehr. Mit welch einer Lust und Freude uns dieses Paradewerk der kargen Streichoktett-Literatur dargeboten wird, lässt einem das Herz höher schlagen. Man kann gar nicht entscheiden, ob sich die Musiker*innen mehr aneinander oder an der Musik erfreuen - Fakt ist, dass die Belebtheit und das Spielerische alle Anwesenden mitreißt. Pure Freude erfüllt den Saal; beflügelt, aufregend und herzflatternd teilen die Acht (klingt fast schon wie eine Superhelden-Gang, was ich in der Tat angebracht fände) Glück und Euphorie mit dem Publikum.

Der zweite Satz, auch wenn etwas ernster, verliert trotzdem nicht an adoleszentem Optimismus. Wie sehr die Streicher hier die Harmonien genießen, ständig in Bewegung sind und auf ihren Stühlen rotieren, um stets mit dem jeweiligen Dissonanz- oder Modulations-Partner*in in Kontakt zu sein ist phänomenal. Der dritte Satz ist an Leichtigkeit und Eleganz wohl nicht zu überbieten; besser als Fanny Mendelssohn den oben genannten Dichter im Zusammenhang mit diesem Satz zitierte, kann man es nicht sagen: „Am Schlusse flattern die Geigen - und alles ist zerstoben“. Und bevor man sich noch diese Zerstobenheit klarmachen kann, beginnt Antoine Lederlin (Belcea-Quartet) zügig das berauschende Finale. Eine virtuose Kette, welche sich durch alle Stimmen zieht und eine Art Elektrizität aufbaut, die einen bis zum Schluss nicht loslässt. Der Saal explodiert nach dem Schlussakkord und lässt die Künstler schon dreimal zum Verbeugen auf die Bühne kommen, noch bevor es zur Pause geht.

Überdimensionale Kammermusik

Harscher Szenenwechsel: George Enescus Streichoktett. Zwar auch in jungem Alter geschrieben (mit 19 Jahren), aber an Stimmung und Botschaft fast ein komplettes Gegenteil. Auch die Besetzung ändert sich: nun sitzt Belcea an der Front. Wenn von Front die Rede sein kann, denn so spielerisch und charmant Mendelssohn alle Stimmen miteinander liebäugeln lassen hat, so schwer und monumental schrieb Enescu seine Version dieser Besetzung. Es erinnert mehr an eine Symphonie als ein Kammermusikwerk; die Komplexität der Harmonien und Kontrapunkte ist schwierig, sowohl für den Performer als auch für das Publikum.

Corinna Belcea als Ritterin voran, stürzen sich die Acht in den Kampf. Mit einem langem, siebenstimmigen (!) Unisono und weiten Sprüngen wird das Werk eingeleitet und in einer erstaunlich ausgearbeiteten Form weitergeführt. Jede Stimme ist individuell und wichtig; während im Mendelssohn viel Begleitung vorhanden ist (auch wenn man bei den zwei Quartetten des Abends deswegen natürlich nicht weniger Begeisterung findet), ist bei Enescu jeder gleichgestellt. Nach einem sogar noch feurigeren zweiten Satz will ich mich persönlich bei George für die schönen Soli in der ersten Bratsche bedanken: Da Krzysztof Chorzelski (Belcea-Quartet) bei ihrem letzten Konzert im April leider erkrankt war, freut man sich heute umso mehr über seine warme Darbietung.

Mit einem grandiosen und fast unübersichtlichen Finale ist dieses 40-minütige Gefecht vorbei, und es bleibt einem nichts anderes übrig, als den Hut vor dem Komponisten abzunehmen: In so einem jungen Alter solch ein multidimensionales und brillant verflochtenes Werk zu schreiben ist nicht ohne. Auch nicht, das alles zu entflechten: Quatuor Ébène und Belcea Quartet schaffen es meisterhaft aufeinander einzugehen und trotzdem ihre Individualität zu pflegen, während nebenbei virtuose Herausforderungen mit links erledigt werden.

Die Kunst des Verschmelzens, ohne sich selber zu verlieren

Das ist quasi eine der Quintessenzen eines Streichquartetts - umso spannender im Doppelpack. Es ist aufregend, die jahrelang trainierten Vierer-Konstellationen aufgebrochen zu sehen. Dadurch, dass beide Ensembles derartig ihren eigenen Charakter und ihre eigene Weise der Kommunikation haben, wird das im Oktett noch deutlicher. Beide mit 100-prozentigem Vertrauen, Ébène eloquent und spielerisch, Belcea warm und mit permanentem Augenkontakt. Zu erfahren, wie jeder einzelner auf dieser Bühne an sich ein wundervoller Musiker ist und sich in verschiedenen Rollen wiederfinden kann, ist ein Geschenk. Man spürt die Freundschaft und den Genuss der beiden Ensembles, zusammen musizieren und damit auf (lang erwartete und sehr erfolgreiche) Tour gehen zu können; und man spürt, dass das Publikum heute mit einem warmen Glücksgefühl im Magen nach Hause geht.