Bohema Magazin Wien

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Konzerthaus Diary

Ein Pöbler (nicht ganz im Unrecht) bei einem der letzten Wiener Grubinger-Konzerte am Dienstag und wie das Quatour Ébène mit der Ersatzcellistin am Donnerstag klarkam.

Martin Grubinger, bald im Ruhestand /// Simon Pauly (c)

Dienstag, 28. Februar: Martin Grubinger mit den Percussive Planet Soloists

Als Ehrenmitglied in der Marmortafel des Wiener Konzerthauses verewigt zu werden – davon können die meisten nur träumen. Doch bei dem, was Grubinger mit seiner Karriere in der Schlagzeugwelt revolutioniert hat (er hat sie fast selbst erschaffen…), wundert es nicht, dass bei ihm auch dieses außerordentliche Szenario nun eintritt. Zukünftig kann man seinen Namen also beim Betreten des Hauses neben Größen wie Bernstein und Ligeti lesen. Grubinger schmunzelt und gibt zum Besten, dass er sich diesen Ruhm aber weiterhin als Professor hart erkämpfen muss, damit er diesem Status seinen Schüler*innen gegenüber überhaupt gerecht werden kann.

Bald im Ruhestand, mit 40

Während viele andere Spitzensportler*innen und -musiker*innen über Jahrzehnte an ihrer Karriere festhalten, bleibt Martin Grubinger seinem lang angekündigten Vorhaben treu: Mit seinem 40. Geburtstag im Mai beendet er seine Karriere. Das Konzerthaus ist schon an diesem vorvorletzten Abend ausverkauft, die Bühne wurde sogar verkürzt und die Instrumente müssen enger zusammenstehen als sonst, damit noch ein paar Menschen reinpassen. Im fast dreistündigen Konzert zeigt Grubinger mit seinen Schülern, Freunden und ehemaligem Lehrer die hohe geistige Konzentration und physische Hochleistung, die das Schlagwerkspiel erfordert – so wie man es seit Jahren von ihm kennt.

Auf dem Programm stehen eine Vielzahl von verschiedenen Stilen der Schlagzeugwelt. So ist von zeitgenössischer über afrokubanische Musik, ostasiatischer Trommelkunst bis hin zu Rhythmen aus dem Pop- oder Salsa-Genre alles zu hören. Besonders beeindruckend dabei ist die instrumentale Vielfältigkeit auf der Bühne. Die Musiker wechseln während der Stücke stetig die Instrumente und stürmen von einer Seite zur anderen, um ja den nächsten Einsatz nicht zu verpassen. Marimbaphone und Vibraphone treffen auf Bongos, Taikotrommeln, Becken und kleinere Percussioninstrumente. Die Interpretation der verschiedenen Stile kam aber nicht bei allen gut an. Mitten im ersten Stück stand einer auf, und sagte beim Herausgehen laut vernehmbar:

„Afrikaner sind viel besser als diese Trottel.“

Und vielleicht mag er sogar Recht behalten, dass die Kunst anderer Länder nur von deren Ureinwohner*innen perfekt zum Ausdruck gebracht werden kann. Und dennoch zeigt Grubinger und der Rest der Crew in einer äußerst beeindruckenden Form die facettenreiche Interpretation von internationalen Schlagzeugwerken. Das ist jedenfalls das, was die meisten im Zuschauerraum sehr schätzen: Grubingers lockere Art während der Stücke ein paar Worte zu den Werken, seinem Ensemble oder zu sich selbst zu verlieren, kurz danach aber wieder in die höchste Konzentration und Aufmerksamkeit zu verfallen und trotzdem mit einer unglaublichen Freude und Enthusiasmus neue Schlagzeugrhythmen zu kreieren.

Neben den Werken Okho und Drumming von den beiden Komponistengrößen Iannis Xenakis und Steve Reich, die bereits zu Beginn Grubingers Karriere eine Vielzahl an Schlagzeugliteratur zur Verfügung stellen konnten, waren ebenfalls Werke von Daníel Bjarnason (Inferno), Kalevi Aho (Sieidi) und Martin Grubinger senior (The number of fate) Teil des Konzertprogramms. Beeindruckende Ensembleformationen, die einen ganzen Orchesterklang adaptieren, nationale Klänge durch das Spiel der Wiener Pauke oder kunstvolle Spielereien mit den Schlagtechniken in der Zugabe – Grubinger lässt ein wiederholtes Mal das Wiener Publikum mit seiner Musik begeistern. Wir warten gespannt auf sein letztes Konzert am 30. Mai.

 

Eine gelehrte Unterhaltung durch die Epochen

Donnerstag, 2. März: Das Quatour Ébène im Mozart-Saal

„Bei dem Quartett habe ich die Idee eines Gesprächs unter vier Personen gehabt.“ Wie Johann Friedrich Reinhardt treffend beschreibt, unterstreicht die ‘vornehmste Gattung der Instrumentalmusik’ die ästhetische und gesellschaftliche Idee einer gehobenen Konversationskultur. Dieser Nimbus des Exquisiten und Elitären zeigt sich auch im Zusammenspiel des Streichquartetts Quatuor Ébène. Obgleich der Cellist Raphaël Merlin krankheitsbedingt durch María Andrea Mendoza vertreten wird, ließen sich dies die Musiker*innen auf der Bühne keineswegs anmerken. Geistig und affektiv diszipliniert, aber stets spielerisch und leichtfüßig spielten sie zusammen, als würden sie es so bereits seit Jahren in dieser Konstellation tun. Jede Arm- und Handbewegung verläuft mit Bedacht, alle Einsätze werden mit kurzem Augenkontakt „abgesprochen“ und das hervorragende Zusammenspiel bringt die Musikalität in ihren vollen Zügen auf die Bühne.

Ein Streichquartett von Bach. Ein Streichquartett von Bach???

Das Programm ist vielfältig und unterstreicht die Exklusivität dieser besonderen Gattung. Mit Richard Dubagnons Säkulare Suite d’apres des oeuvres de J.-S. Bach eröffnet das Konzert mit einem ganz besonderen Komponistenprojekt. Dubagnon unternahm 2016 den Versuch, die exklusive Gattung des Streichquartetts nun auch in die barocke Zeit und dessen Kompositionsstil zu adaptieren. Dafür nahm sich der Komponist verschiedene Stücke von Johann Sebastian Bach zur Hand, die allesamt in einem Zusammenhang mit dem Thema „Natur“ stehen. So laden die neun Stücke auf eine Reise durch Kantaten, Choräle und instrumentale Werke ein, jedoch in der Interpretation eines Streichquartetts. Getreu dem Motto: Hätte es die Gattung damals schon gegeben, hätte Bach die Werke so komponiert.

Im Kontrast zu dem einleitenden barocken Stil folgte daraufhin die impressionistische Herangehensweise an die Streichquartettkunst. Mit Ravels einzigem komponierten Streichquartett, wird der Zuschauerraum in eine Art Klangsphäre geführt, in der die vier Musiker*innen auf der Bühne in ein Gespräch verfallen. Besonders der zweite Satz überzeugt mit seiner witzigen Art des Zupfens in allen Stimmen, zeigt aber auch die hohe Kunst des Zusammenspiels, die genau auf die Einsätze der jeweils anderen hören und entsprechend reagieren müssen. Die zweite Hälfte schließt das Konzert mit Schumanns A-Dur Streichquartett und leitet so zurück in den Klang der traditionellen Streichquartettkunst.

Das Konzert spannt einen Bogen über die epochenübergreifende Interpretation und Komposition des Streichquartetts. Und auch wenn die Urform aus der Klassik nicht zu hören ist, so entdeckt man mit dem barocken, romantischen und impressionistischen Stil die wesentlichen Gemeinsamkeiten: Jede Stimme ist gleichberechtigt. Alle vier Instrumente „kommen zu Wort“. Vier Musiker*innen sprechen miteinander.