Bohema Magazin Wien

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Kunst mit Werten

Vom Rapper zum politischen Liedermacher à la Wolf Biermann mit Igor-Levit-Connection – Danger Dan, oder einfach Daniel, ließ das Volkstheater buchstäblich explodieren.

Danger Dan oder einfach Daniel /// Jaro Suffner (c)

Eigentlich wollte ich über den Rapper Danger Dan und seine Beziehung zu Igor Levit schreiben. Die ein oder anderen kennen Letzteren als Starpianisten und wohl eher aus unserer Klassik-Rubrik. Doch darum soll es genau gehen: Wieso überhaupt abgrenzend und in Rubriken denken? Dieses Essay leitet in die grenzenlosen Möglichkeiten von Musik ein, in die Frage, was man ausgrenzen, eingrenzen, zensieren oder nicht zensieren sollte und mündet in Danger Dans eigener Aussage, die er zur Devise seines Albums gemacht hat: Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt.

Nur ein Songwriter am Klavier?

Ich bin ganz ehrlich – als ich letzten Sommer zum ersten Mal das Lied Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt gehört habe, dachte ich: „Naja, ein Songwriter am Klavier und ein halbwegs intelligenter und offensiver Text. Finde ich okay, aber schockt mich jetzt nicht“. Wenn es euch so ging wie mir, dann lasst euch jetzt gern vom Gegenteil überzeugen.

Wegen Bohema bekam ich die Möglichkeit, mir Danger Dan im wunderschönen Volkstheater anzusehen. Das war allerdings schon meine zweite Begegnung mit dem Künstler. Das erste Mal aufmerksam wurde ich auf den Rapper, als ich zwei Wochen davor im Publikum beim Opus Klassik in Berlin saß. Er überreichte Igor Levit den Opus und hielt eine Laudatio, die es in sich hatte.

Werte-Crossover

Warum hält der Rapper Danger Dan eine Laudatio für Igor Levit bei einem klassischen Musikpreis? Igor Levit setzt sich bekanntlich politisch ein – sei es für Minderheiten oder gegen Faschisten: Ihm ist es als Deutschen, Juden, als Menschen ein Anliegen, nicht untätig zu bleiben. Das ZDF lud den Pianisten letztes Jahr in die Late-Night-Satire-Show ZDF Magazin Royale mit Jan Böhmermann ein, in der auch Danger Dan zu Gast war. Klassischer Pianist trifft auf Rapper, der sich neuerdings allein am Klavier probiert. Danger Dan präsentiert zum ersten Mal seinen Song über die Kunstfreiheit. Igor Levit begleitet ihn am Klavier.

Wie Daniel selbst in der Laudatio beim Opus Klassik erzählte, war Levit derjenige, der nach dem Auftritt bei Böhmermann fragte „Whats next?“. Die beiden beschließen, sich gemeinsam gegen Faschisten (u.a. mit Konzerten) einzusetzen. Aus einer politischen Einstellung und Freundschaft heraus entsteht ein Crossover-Projekt. Crossover ist in dem Fall – außer die Musik – vor allem die Kollision der Klassik- und Punker-Gesellschaft hinter den Künstlern. So sagte Daniel in seiner Laudatio abschließend: „[…] an alle Antisemiten, Rassisten, Anti-Feministen und AFD-Sympathisanten vor den Fernsehgeräten: Ihr seid Vollidioten“. „AFD-Sympathisanten“ schnitt das ZDF „versehentlich“ hinaus. Sitzen da etwa zu viele unverzichtbare AFD-Wähler*innen im Publikum des wichtigsten deutschen Klassikpreises…?

Die Kunst verbindet in diesem Fall also zwei Menschen, die aus so unterschiedlichen Welten kommen und sich doch im Endeffekt für die gleichen Werte einsetzen.

Volkstheater wird verzaubert

Wie diese Wertevorstellung in Form von Kunst bei Danger Dan genau aussieht, durfte ich dann im Volkstheater hautnah erleben. Unter tosendem Applaus trifft er auch hier die Aussage: Alle Rassisten, Faschisten und Antifeministen sollen jetzt den Raum verlassen, dafür sei kein Platz auf seinem Konzert. Auch bei seinen nächsten Sätzen konnten Instrumentalist*innen besonders relaten. Bevor sich das Antilopen-Gang-Mitglied ans Klavier setzt, sagt er: Eigentlich wollte er in der Lockdown-Zeit mehr Klavier üben, stattdessen seien diese Songs entstanden. Das Üben hätte er längst aufgegeben, das mache ihm einfach keinen Spaß.

Lieber Danger Dan, mal ganz im Ernst: Deine Klavier Skills reichen aus. Und ist dir überhaupt bewusst, was für ein Talent das ist, diese anspruchsvollen Texte und Rhythmen mit der Klavierarbeit zu kombinieren? Also Shout-Out an dich Daniel: Man kann dein Talent sehen, spüren und das Gesamtpaket trifft einen ins Herzen.

In seinen Songs behandelt er Thematiken wie das „dem preußischen Sinne ähnliche“ Schulsystem (Ingloria Victoria), oder Zukunftsängste, da man besonders als Rapper nicht in das Raster der Gesellschaft passt (Private Altersvorsorge 2). Dieser Song war besonders ergreifend, da er als 39-jähriger Daniel auf einen Song des jungen Danger Dan antwortet. Auf dass die Songs von Jüd*innen und wagemutigen Künstler*innen im Nationalsozialismus nie vergessen werden, ist Daniel eine Gestapo-Liste durchgegangen, durch die er leider nur einen einzigen Song aus dieser Zeit finden konnte und präsentiert ihn im Volkstheater mit Streichquartett.

Sein Song Ode an den Mord hat Fans dazu bewegt, ihm Zeichnungen von im Song aufgelisteten Mordmethoden zu schicken. Diese Zeichnungen lässt er einmal quer durchs Publikum gehen.

Habt ihr den Protagnisten der Person erkannt, die hier auf verschiedenste Weise immer wieder ermordet wird?

Großes Kino und Substanz dahinter

Nachdem in der Version vom Volkstheater im Song Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt Martin Sellner als Faschisten, Strache als Nationalsozialist bezeichnet und beim Wort „Militanz“ eine Explosion losgelöst wird, bekommt Danger Dan tosenden Applaus und Standing Ovations. Mit einer letzten theaterähnlichen Nummer lässt er Plüschtierfiguren ausrasten und Antilopen-Gang Mitglied Panik Panzer über die Bühne des Volkstheaters fliegen. So endet für mich ein rasanter und zugleich intimer Abend, der meine Meinung zu Danger Dan nachhaltig verändert hat.

Dieser Rapper verdient es, gehört zu werden. Für seinen Drang nach Gerechtigkeit überschreitet er (musikalische) Grenzen, versucht aktiv etwas zu bewegen und ist dabei wahnsinnig redegewandt und ehrlich. Seine Texte und Musik verbinden eine enorme künstlerische Leistung, die seine Werte – durchaus auch mal radikal – präsentieren.