Bohema Magazin Wien

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MaXXXine – Es war einmal im Kino

In Ti Wests Trilogieabschluss MaXXXine versucht Mia Goth im Hollywood der 1980er Jahre Fuß zu fassen, während ihr ein sinistrer Serienmörder nach dem Leben trachtet.

(c) A24

Filme, Sex, Stardom und Mordlust – das sind die Bestandteile von Ti Wests Horror-Trilogie, die er 2022 mit gleich 2 Filmen, X und Pearl, begann. Mit MaXXXine will er diese Reihe nun abschließen - mit einem deutlich größeren Budget und weniger Covid-Beschränkungen: Statt einer abgelegenen texanischen Farm spielt der Film diesmal in der Großstadt LA und auf dem Gelände der Universal Studios.

Nach den traumatischen Ereignissen von X, in dem die Crew eines Pornofilms in den 70er Jahren von einem mörderischen alten Ehepaar gemetzelt wurde, versucht Final Girl Maxine (Mia Goth) weiterhin, in LA als Schauspielerin durchzustarten. Die selbstbewusste Pornodarstellerin schafft es im Casting, die Hauptrolle im Horror-Sequel „The Puritan II“ zu gewinnen. Doch damit beginnen ihre Probleme erst: sie wird von einem mysteriösen Mann mit Leder-Fetisch gestalkt, ein Privatdetektiv (Kevin Bacon mit schmierigem Schnauzbart) erpresst sie bezüglich der Ereignisse des ersten Teiles, und ihre Freunde und Kolleginnen werden ermordet, ob vom Night Stalker oder einem Nachahmungstäter, das bleibt ihr und der Polizei (Michelle Monaghan, Bobby Cannavale) verborgen – noch.

Der X-Factor /// (c) A24

Mit den beiden Überraschungshits X und Pearl hat Ti West sich als Kultregisseur etabliert. Der distinktive Stil der Filme, die explizite Gewaltdarstellung die Atmosphäre machten sie zu weit mehr als nur den nächsten 08/15-Slasher Filmen. Und das Schöne an den beiden Filmen ist, dass sie so heterogen zueinander sind, dass man sie zum einen unabhängig voneinander schauen kann, und zum anderen in unterschiedlicher Reihenfolge. Während ich Pearl als das Meisterwerk sehe und X als sehr guten Film erachte, ist MaXXXine zumindest ein guter Film. Man kann ihn zwar ebenso unabhängig von den anderen Filmen schauen, doch Vorkenntnis um die Ereignisse aus X sind von Vorteil, um bestimmte Reaktionen und Flashbacks zu verstehen.

A Star is Porn

Die 80er Jahre waren eine interessante Zeit für Filme. Die im New Hollywood der 70er Jahre etablierten Regisseur*innen wie Spielberg, Scorsese, Lucas und Cassavetes waren bereits gefestigte Größen in der amerikanischen Filmlandschaft. Neue Technologien wurden präsentiert, wie erste Gehversuche und Erfolge mit CGI (u.a.Young Sherlock Holmes, The Abyss,…). Es war eine Zeit des Aufbruchs im Filmgeschäft, als sichere Gefilde verlassen wurden und mutige neue Wegbereiter*innen die Bühne betraten.

Der Heimkinomarkt hatte sich durch die Videokassette etabliert, und so wird Film neben dem Kino erneut zur Massenware. Der Arbeitsplatz von Maxines Freund Leon ist nicht zufällig eine Videothek. Mitte der 190er Jahre war der Formatkrieg beendet und die VHS-Kassette konnte sich trotz besserer Konkurrenten dank der Pornoindustrie durchsetzen.

MaXXXine fühlt sich wie eine Fortsetzung zu Tarantinos Once upon a Time…in Hollywood an, eben weil der Film Kino- und Zeitgeschichte präsentiert und erzählt. Sex-Shops und Kinos stehen direkt nebeneinander. Davor stolzieren auf dem Walk of Fame Doubles von Charlie Chaplin, Buster Keaton und Co. umher. Die Kamera blickt einmal sehr lang auf den Stern am Hollywood-Boulevard, auf den Maxine steht: Es ist der Stern von Stummfilmikone Theda Bara, die seinerseits den Rollentyp des Vamps (in z.B. A Fool There Was) geprägt hatte. Es wirkt wie eine bizarre Filmgeschichtsstunde. Und auch wahre Zeitgeschichte wird behandelt: Mitte der 1980er ging der reale und berüchtigte Serienmörder Night Stalker um und lauerte diversen Leuten im „Sündenpfuhl“ LA auf. Ähnlich wie Tarantinos Hollywood-Epos tangiert MaXXXine diesen realen Kriminalfall und zeigt sogar reales Nachrichten-Footage, aber der Film wendet sich dann doch lieber anderen Dingen zu.

Margot Robie in Tarantinos Once Upon A Time In Hollywood… /// (c) Sony Pictures

Zugleich stand die Unterhaltungsbranche dieser Dekade unter starker Beobachtung: Christliche Fundamentalist*innen sahen in Rock’n Roll Satanismus – es kam sogar zu Senatsanhörungen diesbezüglich – das Pen & Paper-Rollenspiel Dungeons & Dragons sollte Dämonenbeschwörungen fördern und so weiter. Ausschnitte davon sind im Vorspann des Filmes zu sehen. Ironischerweise war zu dieser Zeit mit Ronald Reagan ein ehemaliger Schauspieler US-Präsident. In den 80ern wurde dem Konservatismus der 50er Jahre und deren „gutem alten Weltbild“ gekontert – am besten ersichtlich durch die Filmreihe Zurück in die Zukunft (Aufmerksame Zuschauer*innen können übrigens einen wichtigen Drehort aus der Kulttrilogie in MaXXXine wiedererkennen).


Anachronistisch geht es aber auch in MaXXXine zu: Die fiktionale Regisseurin Elisabeth Bender (Elisabeth Debicky) will nicht bloß ein Horrorsequel machen: Ihr Zugang zu Film und vor allem Horror ist ein moderner: Sie möchte mit ihrem Sequel „Elevated Horror“ machen, eine von außen auf ein Podest gestellte Form von Horror, die es so in den 80ern Jahren nicht gegeben hat. Sie fordert von Maxine, dass sie alles geben soll, um im Hollywood-Showbiz nicht nur überhaupt eine Chance zu haben, sondern auch überleben zu können. Der Jungstar solle ihre eigenen Probleme außerhalb des Sets lassen.


Das Problem des Filmes ist, dass es eben auch so bleibt und diese beiden Welten und Handlungsstränge – das Hollywood-Showbiz und der Horrorfilmdreh auf der einen Seite, die Serienmorde und Maxins Vergangenheitstrauma auf der anderen - höchstens aneinander kratzen, aber sonst unabhängig und getrennt voneinander erzählt werden. Hollywood wird zwar von einer christlichen Sekte zum Sündenpfuhl erklärt, da diese aber nur mit Maxine interagieren und die Filmemacher*innen rund um das Film-Mekka im letzten Akt völlig links liegen gelassen werden, wirkt es etwas oberflächlich. Da kann auch der schussfreudige Showdown unter dem Hollywood-Schriftzug nicht helfen.

Man merkt, dass MaXXXine viel sein will, aber schließlich nicht die Contenance besitzt, alles sein zu können. Er verliert häufig seinen Fokus und damit auch Spannung, eben weil er versucht, alles unterzubringen, traut sich dabei aber auch nicht, die Handlungsstränge zusammenzuführen.

Nichtsdestotrotz ein guter Abschluss einer ambitionierten Horror-Trilogie, in der nicht nur die Hauptfigur, sondern auch Hauptdarstellerin Mia Goth zum Star geworden ist.