Mundartboyband mit Comedyeffekt
Die Gesangskapelle Herrmann besingt in ihrem neuen Album ironisch das faschierte Österreich und zeigt, dass das Rezept der Comedian Harmonists immer noch funktioniert.
This is Austria as I like it: Jung, selbstironisch, politisch links. Nach sechs Wochen im Ausland war für mich das Album-Release-Konzert der Gesangskapelle Herrmann ein schonender Wiedereinstieg in die österreichische Realität, bevor die Wahl am Wochenende uns alle wieder auf den Boden der faschierten Tatsachen zwingt. A propos, ihren Hit Faschiert präsentieren die Jungs in einem neuen Arrangement. Da geht’s offiziell um Faschiertes, spätestens, wenn sie im Lied zu „braun und fesch“ kommen, schmeckt man den Faschismus-Nebengeschmack aber eindeutig in den Laberln…
Die Gesangskapelle singt nun schon seit über 10 Jahren, das Rezept ist aber gleichgeblieben: Eine sehr original österreichische Gesangs-Boyband, die in Mundart Lustiges singt. Die paar Jährchen auf dem Buckel merkt man ihnen vor allem im positiven Sinn an, sie sind perfekt aufeinander abgestimmt, singen ganz ohne Playback oder Autotune sauber und locker. Was vor 100 Jahren bei den Comedian Harmonists für einen Massenhype sorgte, funktioniert musikalisch immer noch.
Zwischen jugendlicher Energie und Dad-Vibes
Trotz aller jugendlicher Energie schleicht sich langsam auch etwas Dad-Vibe in die langen und sehr lustigen Zwischenmoderationen, vor allem beim Bandleader (zumindest laut Wikopedia) Bernhard Höchtel. Schon bei den Comedian Harmonists war der Bass das Alfatier (die Doku über die Gruppe ist wirklich sehenswert), ein bisschen scheint auch Höchtel das zu sein, seine Arrangements sind jedenfalls top notch. Und trotz der Dadjokes greift der Boyband-Effekt, fünf Typen sind zusammen auf der Bühne noch sexier als einzeln. Sage mir noch einer, dass das nur bei Cheerleaderinnen passiert…
In einer der Moderationen wurde erwähnt, sie hätten drei Gruppentherapiestunden genommen, um ihre Issues aufzuarbeiten. War das nur ein Joke? Zwischendurch starteten zwei Mitglieder mit ASODA ein Duoprojekt, während von der Gesangskapelle seit vier Jahren keine neuen Songs kamen. Jetzt sind sie jedenfalls zurück, und zwar mit einem knaller Album. Da ist zum Beispiel die anderthalbste Hip-Hop-Nummer der Band, Filigrane Gschicht. Anderthalbst, weil Alles Tango vom letzten Album auch schon rappig werden sollte aber am Ende weder Hip-Hop noch Tango wurde, wie sie selbst zugeben.. Das Genre ist eh Wurscht, jedenfalls rocken beide Lieder hart, und zwar live noch viel mehr als auf den Aufnahmen, die leider ein bisschen an Lebendigkeit verlieren. Also am besten gönnt man sich ein Konzert.
Obwohl das kabarettgewohnte Publikum des Stadtsaals eher betagt war, heizte die Gesangskapelle so richtig ein. Zum Beispiel mit Dicka, einem auch musikalisch sehr dicken Song, inklusive Keyboard, Gitarre, Tambourin und einem richtig fett vielstimmigen Gesangssatz. Oder mit Wos i dir wünsch, in dem der irrwitziger Textertenor Simon Scharinger (der in einer dunkelgrünen Mönchkutte aus Seide auftrat, please, let us normalize wearing dresses as man) seinem schlimmsten Feind einen „lästigem Freibadständer“, einen „staubtrockener Strudel“ und „Heller als Nachbar in Marokko“ wünscht. Einfach nur herrlich.