Bohema Magazin Wien

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Nordkorea, ein feministisches Land?

Frauenfußball wird in Nordkorea gefeiert, wie Hana, dul, sed 2009 zeigte. Nun startet eine Fortsetzung der Dokumentation, die sich dem Leben nach der aktiven Karriere und authentischer Repräsentation widmet.

Nordkoreanische Fußballerinnen - natürlich in rot /// (c) Ri-Filme/Judith-Benedikt

ned, tassot, yossot … (… vier, fünf, sechs …) bringt erneut die vier Starspielerinnen des nordkoreanischen Fußballteams der frühen 2000er vor die Kamera: Ra Mi Ae, Jin Pyol Hi, Ri Jang Hi und Ri Hyang Ok. Sie wirken weit entspannter in den Interviews als noch fünf Jahre zuvor, sprechen offen über ihre anfänglichen Bedenken der Dreharbeiten des Vorgängerfilms Hana, dul, sed (Eins, zwei, drei). Generell wird, besonders zu Beginn des Films, sehr häufig auf den Erstling Bezug genommen, Ausschnitte daraus werden hinzugezogen. Dies macht es neuen Zuschauenden leicht, dem Film ohne Vorwissen zu folgen. Es bietet aber ebenso den vier Frauen die Möglichkeit zu reflektieren, dass sie „ihr Korea“ gezeigt haben und ob ihre Zukunftswünsche in Erfüllung gegangen sind. Die Schlüsselszene hierfür ist eine Kinovorführung von Hana, dul, sed vor Publikum. 

Diese bildet ebenso die Verknüpfung zu einem weiteren Filmprojekt, welches hier gleichermaßen retrospektiv betrachtet wird: die nordkoreanische Serie Unser Frauenfußballteam. Die Serie entstand zur selben Zeit wie Weichs Film, aufgrund des großen Erfolgs der Spielerinnen. Diese waren als Stuntdoubles der Darstellerinnen am Set. Gedreht wurde sie von der einzigen Regisseurin des Landes, Cha Suk, welche ebenso öfter zu Wort kommt.

(c) Stadtkino Filmverleih

Thematisch passende Ausschnitte der Serie werden den dokumentarischen Aufnahmen zwischengeschnitten. Somit bietet … ned, tassot, yossot … neben der Fußballthematik auch einen kleinen Einblick in die Filmindustrie Nordkoreas. Die Spielerinnen arbeiteten zwar an der Serie mit, geben aber auch zu bedenken, dass sie nicht die Realität abbildet. Für romantische Subplots wie in Unser Frauenfußballteam sei in der ‘Wirklichkeit’ keine Zeit gewesen, sie hätten hart trainiert, um Goldmedaillen zu gewinnen. Die Bevölkerung habe dadurch auch falsche Vorstellungen der Spielerinnen bekommen, als wäre das Training reines Vergnügen. So zeigt sich, dass Realität und Fiktion, selbst bei Anlehnung an reale Personen und Ereignisse, nicht immer nahe beieinander liegen. Es sei immer ein „künstlerischer Hauch“ dabei. Nicht so im Dokumentarfilm, in diesem wären sie immer sie selbst gewesen und authentisch.

Authentisch fühlt sich die Dokumentation in jeder Sekunde an. Wir sehen die Straßen Nordkoreas aus dem Auto gefilmt, unkommentiert und in Stille. Zwischen den Interviews finden sich Aufnahmen, die nicht nur die freundschaftlichen Verhältnisse der ehemaligen Spielerinnen untereinander, sondern auch mit dem Filmteam zeigen. Die Frauen erzählen aus ihrem Leben, gehen gemeinsam mit Brigitte Weich zum Frisör, um dann über Schönheit und eigene Unsicherheiten zu sprechen. Oft kommt dabei der General, also Führer Kim Jong Il (nach dessen Tod, Kim Jong Un) vor. Nicht, weil sie über ihn persönlich sprechen, sondern weil er als Regent Motivation für Erfolge darstellt. In Nordkorea scheinen alle bemüht zu sein, ihm zu gefallen und Ehre zu erbringen. Das mag hier in Europa befremdlich klingen, doch der Film wertet nicht - die Kamera fängt die Bilder ein, jegliche Interpretation bleibt den Zusehenden überlassen.

Diese Bilder erzeugen, aufgrund ihrer Nähe zu den Personen, ein sehr ambivalentes Bild Nordkoreas. Wir erfahren in westlichen Medien nicht viel darüber, das Land ist abgeschottet und von einem Diktator regiert. Ebenso haben die Menschen dort keinen freien Internetzugang und dürfen nicht mit Personen aus dem Ausland sprechen.
In beiden Dokumentarfilmen sehen wir Frauen, die stolz, stark und fröhlich sind, die ihre Traumberufe verwirklichen konnten.

(c) Ri-Filme/John-Kolesnikow/Courtesy of Central TV DPRK/Ra Jin Ho

In persönlichen Gesprächen offenbaren zwei der ehemaligen Spielerinnen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen haben. Ohne Scham und negative Konsequenzen, dafür mit Unterstützung ihrer Männer, denn sie stellten die Karriere, zum Ruhme des Staates, über die Familie. Ein für westlich-sozialisierte Menschen schon absurd klingender Satz, gerade im Anbetracht der aktuellen Debatten über Verbote des freien Zugangs zu Schwangerschaftsabbrüchen in liberalen Demokratien. Ebenso wird der nordkoreanische Feiertag der Gleichstellung von Frau und Mann erwähnt - es gäbe keinen Beruf in Nordkorea, den eine Frau nicht ebenso ausüben könne. Man rühmt sich als fortschrittlich. Da es nur eine Regisseurin im gesamten Land gibt, wirkt dieser Feiertag doch etwas voreilig ins Leben gerufen. Man muss dennoch anerkennen, dass uns Nordkorea in der Anerkennung des Frauenfußballteams und der Ehrung der Spielerinnen voraus ist.

Fazit: Ein Film der auf einfache Weise ungewohnte Einblicke bietet. Gerade für Fußballfans, aber auch politisch an Nordkorea Interessierte, ist eine Sichtung beider Filme empfehlenswert. Dennoch muss gesagt sein, dass die gezeigten Frauen aufgrund ihres Berufs eine privilegierte Stellung im Land haben und diese Filme somit auch kein allgemeines Bild der nordkoreanischen Bevölkerung zeigen können.