Bohema Magazin Wien

View Original

Offenbach’sches Operettenfieber

Eine bissige Politsatire inklusive Kurz und Co. im Musiktheater an der Wien und eine Slapstickspielerei à la Monty Python in der Volksoper: Zwei Offenbach Operetten – zwei Arten Komödie zu spielen.

Würstchenbude in La Périchole /// Werner Kmetitsch, MTAW (c)

Wenn man vergangenes Wochenende besonders Lust auf Operetten von Jaques Offenbach hatte, konnte man innerhalb von 48 Stunden 6 Stunden damit zubringen:

Die ersten drei am Samstag in der Volksopern-Premiere von Orpheus in der Unterwelt, die übrigen drei am Sonntagnachmittag mit La Périchole im Museumsquartier (derzeitiger Musiktheater an der Wien Spielort).

Das Großartige daran ist nicht einfach diese Spielplanfügung, sondern die beeindruckende Qualität beider Produktionen. Die Opernhäuser zeigen, wie das Genre „Operette“ in Wien ernst genommen wird, wie man seriös Komödie spielt und das Publikum zum Lachen bringt – und zwar mit zwei ganz verschiedenen Ansätzen.

Offenbachs Auferstehung

Am Samstag stand doch tatsächlich Offenbach selbst mit auf der Bühne seiner Operette Orpheus in der Unterwelt und glaubte dabei in der Wiener Staatsoper zu sein. Spymonkey, ein Ensemble, das seinen Stil in der Physical-Comedy verortet, überzeugte das Publikum mit einer Antikenkomödie, die an Parodien der Gruppe Monty Python erinnert. Ein sehr gelungener Zug von Lotte de Beer, das britische Regieteam auf das junge Volksopernensemble und die Möglichkeiten eines großen Opernhauses treffen zu lassen - noch dazu mit dieser Operette, die inhaltlich wie dafür gemacht scheint.

Offenbach Offenbarung

Das Musiktheater an der Wien wagte sich hingegen an eine spätere, unbekanntere Operette von Offenbach heran und siehe da, sie wurde zur Offenbarung. La Périchole kommt ganz ohne Götter und Mythologie aus. Die politische Handlung mit Liebesgeschichte ist vielmehr so nahe am Alltag dran, dass die Inszenierung zur österreichischen Politsatire wurde.

Der Regisseur und Puppenspieler Nikolaus Habjan, der sich in Wien längst bewährt hat, zeigte mit seiner Inszenierung eine sehr detailreiche, politisch scharfe Komödie, die in dieser Form nur mit so tollen Sänger*innen, Darsteller*innen und dem so großartig spielenden Arnold Schönberg Chor aufgehen konnte. Eine Puppe durfte natürlich nicht fehlen… Das Liebespärchen begegnete ihr im „Gefängnis für Männer, die dagegen sind“ und man möchte meinen, sie hätte erstaunliche Ähnlichkeit mit einem – wie sollte es anders sein – österreichischen Politiker.

Kurz-Auftritt einer Puppe mit großen Ohren… /// Werner Kmetitsch, MTAW (c)

Diese knappen Beschreibungen zweier Operetten-Erfolge, die trotz ihres selben Komponisten nun nicht verschiedener sein könnten, haben natürlich nicht den Anspruch, vollständige Rezensionen zu sein. Außerdem ist auch ein direkter Vergleich oder gar ein Ranking nicht möglich, denn beide Produktionen sind Gewinner-Produktionen: In beiden Fällen wurde das Publikum sehr gut unterhalten.

Und die Musik?

Offenbachs Operetten entlassen das Publikum mit derartigen Ohrwürmern, dass ein Vorstellungsbesuch noch eine Weile im Kopf nachhallt - sei es der Cancan aus Orpheus in der Unterwelt oder das Spanier-Lied aus La Périchole. Trotzdem muss man gestehen, dass die größere Herausforderung in der szenischen und nicht in der musikalischen Realisation liegt. Das soll Offenbachs Werk nicht schmälern, denn insgesamt stehen zwei prächtige Komödien auf der Bühne, die ihre Komik aus der Musik entfalten können. Auch musikalisch waren die Regieteams kreativ und brachten Couplet Szenen, rosafarbene Polizisten, die wie Orgelpfeifen spielen, choreographierte Lieder und vieles mehr auf die Bühnen. Was hier zu welchem Stück gehört, sollte man selbst herausfinden…

Cancan in der Volksoper /// Barbara Pálffy, Volksoper Wien (c)

Ein Wiener Kultur-Luxus zwei so unterhaltsame Produktionen parallel laufen zu sehen!

Tickets gibt es hier: Volksoper / Musiktheater an der Wien