Bohema Magazin Wien

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Passages - Von den Momenten dazwischen

Passages erzählt von einer Dreiecksbeziehung in Paris. Eine Aufeinanderreihung dramatischer Ereignisse, die in einem stillen Crescendo enden.

Martin und Tomas, Tomas und Agathe /// (c) Mubi, Stadtkino

Franz Rogowski (Die große Freiheit) glänzt in Passages als egoistischer Regisseur, der seinen Ehemann Martin (Ben Wishaw) mit der jungen Volksschullehrerin Agathe (Adèle Exarchopoulos) betrügt. Regisseur Ira Sachs, der sich mit dem Film erstmals auf europäischen Boden traut, lässt ihn in Paris spielen. Einer Stadt, die zu der melancholischen und dramatischen Stimmung der Handlung nicht besser passen könnte.

Momente davor und danach

Der Film lebt von stillen Zwischenmomenten, die oft von Sex unterbrochen werden. Emotionen liegen versteckt in zerwühlten Bettdecken, in Blicken und in Worten, die nicht ausgesprochen werden. Diese Worte hängen in der Luft von Wohnungen, Cafés, dem Wochenendhaus von Tomas und Martin und in den Köpfen der drei Protagonist*innen. Viele verschiedene Orte gibt es in Passages nicht zu sehen und wie viel Zeit zwischen den Szenensprüngen vergehen, kann man sich nur zusammenreimen. Sachs enthält uns das große Bild oft vor, dafür klebt die Kamera nahe an den Geschichten und Gesichtern des Trios. In diesen spiegelt sich viel Frustration, Wut, Unverständnis und Schmerz.

Unaufgezwungene Intimität

Die Darstellung von Homo- bzw. Bisexualität ist angenehm unaufgeregt. Da werden keine Floskeln über Identitätsfindung oder das Coming-Out geschwungen. Die sexuelle Ausrichtung ist nicht das Kernthema des Films, sondern die Beziehungen zwischen Tomas, Martin und Agathe, zwischen Individuen. Man merkt früh, dass Agathe nie an die Verbindung, die zwischen Tomas und Martin besteht, herankommt. Das lässt auch Tomas sie spüren: „Martin knows me so well.“ Agathe entgegenet: „Maybe that’s why you left him.”

Nicht zuletzt ein Schauspieler-Film: Franz Rogowski und Ben Whishaw /// (c) Mubi, Stadtkino

In der Art, wie sie miteinander umgehen, miteinander reden, merkt man, dass Martin und Tomas einander lange und vor allem gut kennen. Die Intimität zwischen ihnen wirkt nicht zuletzt aufgrund des Schauspiels echt und verletzlich – auch wenn man sich bei den Sexszenen konzentrieren muss, nicht daran zu denken, dass Ben Wishaw auch die Stimme von Paddington Bär ist.

Lernen loszulassen

Martin und Agathe sind sensible Charaktere und einander viel ähnlicher als Tomas. Doch während Martin mittlerweile weiß, wie er mit dessen Egoismus umgehen soll, wie er ihm Grenzen aufzeigen kann, muss Agathe dies noch lernen. Ihre unverfälschte Verletzlichkeit macht sie zu Tomas angreifbarstem Ziel, zur Opferfigur wird sie dennoch nicht. Von Anfang an ist sie auf der Hut, ob Tomas es mit ihr ernst meint. Als Tomas ein „I love you“ im Bett ausspricht, antwortet sie: „You probably say that a lot.“ Trotzdem gibt sie sich ihm hin.

Ein Film, der wehtut

Passages ist ein Film, der aufwühlt und wehtut. Er spielt zwischen den Momenten des Verlassens und des noch-nicht-Ankommens. In den Momenten dazwischen, den Passages. Würde Tomas nicht von Rogowski gespielt werden - in dessen Blick man sich allzu leicht verliert und der dem harten Charakter von Tomas eine gewisse Softness verleiht - wäre der Film um einiges anstrengender. So vergibt man Tomas seine Ausrutscher, zumindest am Anfang. Wann er dann die Grenze endgültig überschreitet, muss jeder für sich selbst entscheiden. Allein dafür lohnt sich der Gang ins Kino.