Bohema Magazin Wien

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Everything was romantic, right?

Von Fontaines D.C.’s epischem Romance über Charli XCX’ & Lorde’s Versöhnungs-Banger bis hin zu Soap&Skins Neuvertonung großartiger Songs. Popmusik half uns dabei, das heftige Jahr 2024 zumindest ein wenig zu romantisieren. Das sind die Lieblinge der Bohema-Redaktion.

© Alexandra Timofeeva

Fontaines D.C.: Romance

Inmitten einer Zeit, in der sich eine Krise mit der nächsten überlagert, bildet das neue Album von Fontaines D.C. eine unerreichte Einzigartigkeit dieses betäubten Gefühls ab. Es geht darum, trotz dieser ständigen Tiefschläge weiterzumachen. Genau diese Illusion ist Romance. Ein Album, das eine irische Post-Punk-Band Grammy-nominiert macht, schafft es, zu zeigen, wie schön dieses Aufblühen von Gefühlen jeglicher Art ist, selbst wenn alles konstant schlechter wird. Mit Zeilen, wie „If it matters, you complete me“ wird eine postmoderne Welt gezeichnet, in der man trotzdem immer das Gefühl dieser zuvor passierten Apokalypse hat. Jede schöne Emotion ist in Kontext gesetzt zu den Krisen, die uns umgeben.

Romance ist ein absoluter Drahtseilakt zwischen dem Ergeben gegenüber allem Schlechten und den intensivsten Gefühlen in der modernen Welt. In einem durchdringenden Sound kann man noch immer die Post-Punk-Einflüsse hören, doch mittlerweile schwingen auch immer mehr Art-Pop-Ansätze und Indie-Gitarren mit. Es scheint, als hätte Fontaines D.C. eine neue Welt entdeckt, in der sie Musik machen können, ohne dabei ihre Identität zu verlieren.

Nico Rottenbücher

Camila Cabello: C,XOXO

2024 war das Jahr der Pop Girlies. Neben dem kometenhaften Aufstieg von Chappel Roan, dem großen Durchbruch einer mal mehr mal weniger ironisch dauergeilen Sabrina Carpenter und der ubiquitären Dominanz von Partymaus Charli XCX, können auch Billie, Beyoncé, Ariana und Taylor auf ein gelungenes Jahr zurückblicken. Bei all der weiblichen Pop-Dominanz schien es aber für eine nicht so wirklich Platz zu geben: Camila Cabello, die mit gebleachten Haaren ihre “Rückkehr nach Miami” antrat und damit auch einen stilistischen Gangwechsel durchführte.

Dass dies auf Lead-Single und Opener I LUV IT eine Annäherung an Charli’s Hyperpop bedeutete, sorgte gleich einmal für Missmut und Pseudo-Beef. Dabei bedient sich der Rest des Albums wiederum ganz anderer Inspirationsquellen wie etwa Frank Ocean oder Rosalía. Wo viele dafür gefeiert werden, ihre Einflüsse erkennbar zu machen, wurde Camila quasi eine Identitätskrise und damit fehlende Authentizität vorgeworfen. Dabei macht sie die Musik, auf die sie gerade Bock hat, und fängt mit C,XOXO die ambivalente Idee eines brat summers perfekt ein: messy und melancholisch, genauso wie das unvorstellbar herzzerreißende Pitbull-Sample mittendrin.

Stefan Filipov

Soap&Skin: TORSO

Ganz im Sinne des Titels TORSO klangen Coverversionen noch nie so reduziert und so essenziell. In ihrem im November veröffentlichten Album vermittelt uns die steirische Sängerin Soap&Skin aka Anja Plaschg in düsterem Tiefgang das Wesentliche der gecoverten Songs. Eben den „TORSO“ dieser, ja gar ohne Arme, Beine, Hände und Füße.

Sie nimmt uns mit durch 12 prägnante Songs der Musikgeschichte der letzten 60 Jahre und meistert mit diesen die Kunstfertigkeit der Interpretation, die eigentlich dem Klassikbetrieb vorbehalten ist. Keinesfalls kopiert sie in kunstfälscherischer Manier, sondern beweist uns, dass es unheimlich viel Gefühl und Können bedarf die Botschaften, Emotionen und eben „die Essenz“ der Musik zu transportieren, ohne dabei den eigenen Stil zu verlieren.

Für das Album tauchte Soap&Skin in 12 verschiedene Geschichten ein und trug die Gesichter von 12 etablierten Sänger:innen der letzten Jahrzehnte (von The Velvet Underground bis Lana Del Rey) und ließ dafür eine Seite ihrer selbst zurück. Sie beweist die Transparenz ihres Seins – zeigt ihr „blurred self“, wie sie über Instagram mitteilt – aber verliert sich niemals selbst dabei. Denn im Zentrum steht immer ihre fragile, aber eindringliche Stimme, die die Geschichten anderer auf ihre ganz eigene Art und Weise ausdrückt.

Delia Weindorf

Charli XCX & Lorde: Girl, so confusing featuring lorde

Mit über 97 Millionen Streams auf Spotify ist Girl, so confusing featuring lorde weit mehr als nur ein Pop-Hit – es ist ein Statement zur weiblichen Selbstwahrnehmung, gesellschaftliche Erwartungen und Spannungen, die entstehen, wenn Frauen in Konkurrenz zueinander gedrängt werden. Ursprünglich erschien das Lied am 7. Juni auf Charlis Album BRAT – jedoch ohne ein Feature.

Als Lorde den Song hörte und erkannte, dass sie möglicherweise die Muse hinter Charlis Text war, hätten Spannungen entstehen können. Stattdessen entschieden sich die beiden Künstlerinnen für etwas viel Größeres: Sie griffen den subtextuellen Konflikt auf und verwandelten ihn in eine Kollaboration, um einen offenen Diskurs über ihre Gefühle zu schaffen. Oder wie Lorde es selbst ausdrückte: They worked it out on the remix! Charli und Lorde singen über den Druck, perfekt zu sein, verglichen zu werden und in einem System zu bestehen, das Frauen oft gegeneinander ausspielt. Das Lied zeigt auch, dass selbst in Momenten der subtilen Rivalität eine tiefere Verbundenheit möglich ist – die Erkenntnis, dass Frauen in einer patriarchalen Gesellschaft oft mehr vereint als trennt.

Cosima Rauch 

Gracie Abrams: The Secret of Us

Gracie Abrams erlangte wohl dieses Jahr den bisherigen Höhepunkt ihrer Karriere: opening act bzw. Gast von Taylor Swift und einer Kollaboration mit ebendieser katapultieren sie in neue Dimensionen. Man mag sie in dieselbe Kategorie stecken: jung, weiblich, über Liebe singend – ganz nach dem Motto „you look like Taylor Swift“.

Im Vergleich zu ihren alten Liedern gibt es in dem neuen Set eine aufbauende Spannung, mit einer Steigerung, die fast im Nichts endet. Es fühlt sich nicht ganz fertig an, ist jedoch unglaublich packend, gemischt mit dem vertrauten melancholischen Unterton. Vielleicht beschreibt das diesen Sommer ganz gut, wenn man mit Anfang zwanzig im Leben steht und mit tausend Möglichkeiten und Eindrücke konfrontiert wird, welche intensiv, flüchtig, erschlagend sind - nur um im nächsten Moment schon wieder verschwunden, vergessen, verworfen zu werden. Man verliert erste Schulfreunde, gewinnt neue Bekanntschaften, die Umgebung im Wandel, in einem eine Unruhe und ständige Aufbruchstimmung und schlussendlich die kurzen Erschöpfungsphasen zwischendrin. Man überdenkt wohin mit dem Leben und schlussendlich liegt man auf dem Boden und hört einfach der Musik zu. 

Eszter Horvath

UCHE YARA: SASHA (wake up!)

Mit ihrer Debüt-EP GOLDEN DAYS zeigt die Wiener Musikerin UCHE YARA, was sie vor hat. Besonders SASHA (wake up!) ist ein Highlight aus 2024, denn der Song verbindet, was so großartig an ihrer Musik ist: eine treibende Melodie, heftige E-Gitarrensounds und ihre Stimme als das wichtigste Instrument, inmitten eines Soundensembles, das kreativ und inspirierend ist. Der Song strotzt vor Selbstbewusstsein, an dem man sich über dreieinhalb Minuten erfreut. Wer danach herunterkommen muss, lässt die EP einfach weiterlaufen und kommt mit Lazy Sunday wieder zur Ruhe.

Michelle Entesperger