Ruhende Tänzer*innen im Belvedere 21- Eine Retrospektive
Vom 12.12.21 bis zum 1.5.2022 war im Belverde 21 die Installation Akt in der Landschaft von Ugo Rondinone zu sehen. Der Künstler erschuf hier mit seiner skulpturalen Arbeit einen Ruhepunkt zwischen Wachsfiguren und Erdwänden.
Es ist noch nicht Abend, dennoch wirkt es düster im Glaspavillon des Belvedere 21. Nur wenig Licht scheint durch die graue Folie, die Ugo Rondinone ringsherum angebracht hat. Es entsteht ein hermetischer Kosmos, der sich von der eigentlichen Außenwelt abschirmt und sich ihr zugleich für die mehrschichtige Installation des Künstlers öffnet.
Rondinone verwehrt den Besucher*innen zunächst die Einsicht auf den Mittelpunkt des Geschehens. Eine fünf Meter hohe und mit Erde verkleidetet Mauer versperrt den Ankommenden den Blick. Mit einer ungeahnten Wucht nimmt sie vorweg, was später Thema werden soll. Sie fungiert wie eine Membran, die sich schützend um die ruhenden Tänzer*innen aus Wachs spannt.
Der Blick durch das Loch im oberen Teil der Erdwand fühlt sich fast schon voyeuristisch an. Hinter ihr offenbaren sich nun die Figuren aus Klarwachs und Erde sowie eine weitere, ebenso große Wand. Nackt sitzen die 14 Tänzer*innen am Boden, sind in sich gekehrt und abgeschlossen in ihrem Sein.
Die Wachsfiguren wirken lose, wie Schaufensterpuppen, die man mit Prothesen wieder neu zusammengesetzt hat. Was ihnen jedoch nichts von ihrer Hyperrealität abspricht, vielmehr vollendet es sie in einem Zustand der Metamorphose. Sie sind Grenzgänger*innen an der Schwelle zur Realität, als könnten sie jeden Moment aufblicken und aus ihrer Starre erwachen. Die nackten Körper der Figuren auf dem kalten Steinboden verbinden sich antithetisch mit der Geborgenheit der Erdwände, vor und hinter ihnen.
Farblich fügt sich die angedeutete Landschaft mit denen der Körper. Die Wachskörper sind mit Farbpigmenten aus unterschiedlichen Kontinenten versehen und verlaufen zwischen den verschiedenen Brauntönen im Raum. Der Künstler schafft so Gemeinsamkeit zwischen verschiedenen Kulturkreisen sowie Gemeinsamkeit zwischen der Natur und dem Selbst.
Obwohl keine der Figuren innerhalb der Körperlandschaft miteinander zu interagieren scheint, entsteht eine latente Verbundenheit durch die in sich gekehrte, passive Körperhaltung der Einzelnen. Sie wirken fast schon zerbrechlich, offenbaren sich und wirken vulnerabel in ihrem Denken.
Je länger man sich nun durch den Pavillon bewegt, desto deutlicher wird, dass die Installation mit einer Pluralität von Lesarten spielt. Man wird Teil der Realität des Künstlers und erfährt die individuellen Ausdrücke der Melancholie seiner teils figurativen Arbeit. Diese Einzigartigkeit der Emotion fordert die Ewigkeit des Kunstwerkes heraus. Sie überträgt sich auf die Betrachter*innen, passt sich individuell an und lebt weiter in einer Dynamik, die von außen bestimmt wird. Rondinone evoziert einen Kosmos in dem vermeidlich nichts mehr weh tut. Während man also zwischen den Figuren wandelt, wird man mehr und mehr Teil dieser kollektiven Melancholie, man fühlt sich in ihr bestärkt, was diese unweigerlich tröstet und ihre traurige Komponente schwächt.
Der intime Moment, zwischen den zwei Erdwänden, ist in einem Glaspavillon theoretisch den Blicken aller ausgesetzt, dennoch schafft der Künstler eine eigene Sphäre für die ruhenden Figuren. Die zwei Uhren an den Glasscheiben haben keine Zeiger, verstärken so unweigerlich die Poetik und verorten diejenigen, die sich darauf einlassen wollen, auf undefinierbare Zeit zwischen Wachs, Erde und kaltem Stein.
Die Installation wird ein Ort der Ruhe und befreiter, drückender Emotion. Ich verlasse diese Welt aus Landschaft, Skulptur, Isolation und Nähe mit der befreienden Erlaubnis Melancholie zu spüren und in ihr zu leben.