Bohema Magazin Wien

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Schach auf dem Klavier

Stefan Zweig, Paolo Conte, Giuseppe Tornatore, Ulrich Tukur und Nils Strunk starring in: Ein etwas zu begeisterter Artikel über die Schachnovelle in der Burg.

Nils Strunk und seine Band /// Tommy Hetzel, Burgtheater ©

Kennt ihr die Legende vom Ozeanpianisten? Niemand spielt so halsbrecherisch virtuos Klavier, wie er. Er schippert auf einem luxuriösen Dampfer zwischen den Weltkriegen und versetzt das noble Publikum in Rage. In Giuseppe Tornatores 90er-Kultfilm (Achtung Spoiler) meint man am Ende, er sei gestorben. Wenn man Nils Strunk im Burgtheater spielen sieht, fängt man aber an, daran zu zweifeln. Er spielt in einem weißen Dinnerjacket Stefan Zweigs Schachnovelle auf dem Klavier, singend und genial alle Rollen selbst spielend nach. Mit was für einer Leichtigkeit er da auf der Tastatur mit seinen Fingern tanzt, das muss doch der Ozeanpianist sein.

Obwohl die pausenlose Zweistundenshow äußerst unterhaltsam ist, ziehen Strunk und sein Co-Regisseur Lukas Schrenk Zweig nie ins Lächerliche, schaffen mit der Musik wirklich berührende Momente. Die Geschichte über die Misshandlung des Protagonisten durch die Gestapo in Wien berührt, erst recht, wenn man daran denkt, dass Zweig sie im Exil schrieb und nie in seine Heimatstadt zurückkehrte, wo wir jetzt über 80 Jahre später seine so üppige Sprache genießen dürfen.

Wie Nils Strunk aus den schwarzweißen Tasten seines präparierten Pianinos ein Schachbrett macht, einzelne Züge musikalisch ausmalt, das ist einfach genial. Warum ist dieser Typ noch kein Weltstar? Somebody give this man a show! Lucky wir, dass wir ihn gerade in Wien ‘haben’, dass er nach seiner allseits geliebten Zauberflöte wieder freie Hand bekommen hat, so einen tasty Abend auf die Beine zu stellen.

Un’orchestra nimfonae, oder so

Na gut, das hat er natürlich nicht allein gemacht. „Niente di più seducente c'è / Di un'orchestra eccitata e ninfomane“, singt Paolo Conte in Il Maestro und wenn man diese Band hört, versteht man, was er meint. Es sind zwar nur drei Herren, aber sie spielen tatsächlich wie ein kleines Orchester und sind very seducing indeed. Und ein wesentlicher Bestandteil des Abends. Wie auch der Co-Creator Lukas Schrenk, der regelmäßig mit Nils Strunk zusammenarbeitet und diesmal aber nicht mitgespielt hat.

Die Songs, mit denen die Story ausgemalt wird, sind jazzy, groovey und sehr eingängig. Es wäre keine schlechte Idee, sie zu veröffentlichen. Strunk erinnert beim Singen an Ulrich Tukur. Er ist ein ähnlich großer Showman, nur ist er eine Nummer jünger und fulminanter. Nach dem Stück kehrte er nochmal auf die Bühne zurück und spielte noch einige Nummern mit seiner Band, während hinter ihm die Bühne abgebaut wurde. Und das begeisterte Publikum klatschte mit.

Die Erkenntnisse des Abends:

In den 1930ern war alles noch schlimmer als jetzt. Nils Strunk spielt in einer Liga für sich. Der Ozeanpianist lebt noch. Und: Jazzige lockerheit ist die einzige Lösung. Egal was kommt, flexibel bleiben, die Melodie von Brazil pfeifen, weitermachen.