Bohema Magazin Wien

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Schall und Rauch

Premiere von Kušejs Maria Stuart im Burgtheater - Monochrome Farbpalette, dramatisches Chiaroscuro der Scheinwerfer und Menschenmasse als Bühnenbild. 

Ein nackter Männerchor als Bühnenbild /// Burgtheater/Matthias Horn (c)

Noch bevor das erste bedeutungsschwangere Black den Theaterraum umfasst, überhöre ich eine Konversation oder eher ein oft gebrauchtes Bonmot: „Ich hab‘ den Trailer schon gesehen, könnte interessant werden.“ — „Also das Thema ist ja hochaktuell“. Zeitgemäß, brisant, aktuell, das sind die Worte, nach denen vielmals gedankenlos gegriffen wird, um eine Inszenierung zu beschreiben. Was ist es nun aber, das uns in Maria Stuart heute ansprechen soll? Die Geschichte zweier Frauen (Birgit Minichmayr - Maria Stuart, Bibiana Beglau - Elisabeth), scheinbar am Höhepunkt der Macht, doch von Politik geknechtet und Männerräten unterworfen?

Plattitüden und Symbolik

Szenisch ist es ein nackter Männerchor in verschiedenen Variationen (mal als Block angeordnet, dann über die Bühne verteilt oder im Kreis laufend), der das Bühnengeschehen als eine Art Versuchsanordnung erscheinen lässt. Wofür er symbolisch stehen soll oder kann, ist der Interpretation überlassen. Nacktheit als Schutzlosigkeit oder sexuelle Bedrängung? Zeitweise musste ich dennoch unfreiwillig schmunzeln, wenn eine Reihe blasser Hinterteile wie zur Akt-Malstunde aufgereiht die Szene dominierten. Möglicherweise sind sie es auch, die der Inszenierung etwas von der Gerichtetheit, dem Fokus und der Schlagfertigkeit nehmen.

Ärsche, Ärsche, Ärsche /// Burgtheater/Matthias Horn (c)

Um aber zweifellos brisant zu sein und auch wirklich Bezug auf das derzeitige Weltgeschehen zu nehmen, steht der Chor zu Beginn des Abends mit Sauerstoffflaschen und Masken ausgestattet tief einatmend alleine auf der Bühne. Wo der Bezug zur Geschichte bleibt, ist fraglich. Ebenso befremdlich die Ansage vor der Vorstellung, sich bitte impfen zu lassen. Dann klatscht das Bildungsbürgertum in den heiligen Hallen der Kunst, wie um die Korrektheit seiner eigenen Entscheidungen zu loben.  

Ein Überdruss an Bühnenzauber

Es wäre hier vielleicht angebracht, auf die Subjektivität einer Kritik zu verweisen. Selbstverständlich hängt die Rezeption und Bewertung einer Inszenierung von individuellen Gegebenheiten ab, darunter dem Sitzplatz. Für den perfekten Genuss der Choreografie von Kušejs Bildern wäre eine mittige Lage im Parkett/Parterre ideal. Für mich war es dennoch die Distanz, welche eine große Rolle bei dieser Inszenierung spielt. Einerseits ist es die Sprache Schillers — welche uns heute doch etwas fremd erscheint und Konzentration fordert (was bei 2:45 Aufführungszeit durchaus anstrengend werden kann) — die eine*n das Geschehen auf der Bühne analytischer betrachten lässt.

Bibiana Beglau /// Burgtheater/Matthias Horn (c)

Andererseits sind es die anti-illusionistischen Stilmittel, welche verwendet werden: ein nackter, stummer Männerchor als Dekoration, die Starre der Schauspielenden und natürlich die ach-so-bekannten Blacks nach beinahe jeder Szene (nicht immer meisterhaft getaktet), die das Publikum auf Distanz halten. So schön die Tableaus auch sind (z.B. Birgit Minichmayr als Maria Stuart gefesselt an einer roten Leine), es fehlt der Sog ins Bühnengeschehen und mir ist selber nicht ganz klar, warum. Vielleicht liegt es an der Klischeehaftigkeit oder dem leeren Pathos der Inszenierung. Man wartet nur so auf den Bühnennebel und tatsächlich! Bei Marias abschließendem Monolog darf dieser auf keinen Fall fehlen.

Solide

Im Großen und Ganzen kann man sich nicht beklagen: Man bekommt für sein Ticket ein sagenhaftes Schauspielerinnen-Duo, ästhetische Tableaux Vivants und mysteriöse Minimal Music in den Blacks. Doch die visuelle Ästhetisierung reibt sich an der alten Schiller-Dichtung und so meint man stets die Regieanweisung mitlesen zu können. Die wenigen Momente der Bewegtheit erscheinen aufgesetzt und werden so akzentuiert (Kunstblut! Lichteffekte!), dass man sie schon als Eventtheater betiteln könnte.

Dem Abend fehlt die Lebendigkeit einer im Moment entstehenden Situation. Der Text bleibt gefangen auf dem Blatt und in seiner Zeitlichkeit. Elisabeth scheint zu schwanken zwischen erotischer Verführung zu ihrem Vorteil und weinerlich-verzweifelten Hinwendung zu ihren Stützen: den Männern. Steht sie zum Schluss doch selbstbewusst in einer enganliegenden roten Robe (Assoziation: B-Movie Filmstar Maila Nurmi alias Vampira) inmitten des Bühnennebels, wirkt sie wie eine Statue, ein gefesseltes Symbol. Schall und Rauch dominieren diese Inszenierung von Maria Stuart, Gänsehaut ist aber nicht zu haben.