Bohema Magazin Wien

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Schönheit an den Grenzen zur Realität

Über Selbstinszenierung auf Instagram, Body Positivity und den wandelnden Schönheitsbegriff - Digitales 3D-Make-up der Künstlerin Ines Alpha.

Ines Alpha (c)

Violette, drahtähnliche Linien ziehen sich in einem geschwungenen Muster um ihr Gesicht, eine weitere Frau trägt Farbexplosionen wie Koteletten an ihrer Kinnpartie – die beiden Models, die aussehen, als würden sie einem Fantasy-Roman entspringen, zeigen in Wahrheit das Ergebnis von Ines Alphas Hauptarbeit. Die 3D-Künstlerin kreiert mithilfe von AR-Technologien (Augmented Reality) phantastische Versionen der Realität und wagt sich in ihrer 3D-Make-up-Serie an das Thema Schönheit heran. Wie einen Snapchat-Filter legt sie ihre Kunstwerke über die Gesichter ihrer Modelle – dafür werden zwei separate Videos zusammengefügt. Mit ihrer Arbeit sorgt die junge Künstlerin für viel Begeisterung – aber auch Fragen werden aufgeworfen.

Digitale Kunst trifft Schönheitsbegriff

Ines Alpha möchte dazu inspirieren, einen lockereren, kreativeren Zugang zum eigenen Aussehen und zum Thema Schönheit zu finden und testet dabei die Grenze zwischen Realität und Abstraktion aus. Da sich der gesellschaftliche Schönheitsbegriff ständig im Wandel befindet, ist sowieso noch gespannt abzuwarten, wie die immer weiter fortschreitende Digitalisierung ihren Einfluss auf das nimmt, was wir als schön empfinden. Könnte digitale Kunst tatsächlich unseren zukünftigen Umgang mit Schönheit beeinflussen und vielleicht auch unseren Zugang zu ihr verändern?

Schon heute lässt sich vor allem in sozialen Medien gut beobachten, dass sich unser Schönheitsbegriff bereits zu wandeln beginnt. Immer mehr Menschen möchten die Schönheitsideale, die die Mode- und Beauty-Industrie hervorbringen, nicht mehr mittragen. Nicht nur Bewegungen wie Body Positivity wachsen stetig – vor allem junge Menschen beginnen heute auch schon früh damit, sich selbst durch ihr Äußeres auszudrücken und von anderen abzugrenzen.

Selbstinszenierung auf Insta? Kann auch als kreativer Selbstausdruck gesehen werden

Dazu tragen viele Faktoren bei, wie etwa die westliche Ermutigung zum Individualismus und die ständige Selbstinszenierung auf Instagram & Co. Da die Tendenz zum kreativen Selbstausdruck über das eigene Erscheinungsbild – vor allem durch Kleidung und Make-up - schon vorhanden ist, könnte die künstlerische Arbeit von Ines Alpha tatsächlich ein Vorgeschmack für die Zukunft sein. Vielleicht liegt zwischen den abstrakt wirkenden, ausdrucksstarken AR-Filtern und unserer Realität gar nicht so viel wie man auf den ersten Blick denken möchte – um die Lücke zu schließen, mag vielleicht schon ein 3D-Drucker reichen.

Breanna O’Mara for Impulstanz, 3D Make up Ines Alpha /// Ulrich Zinell (c)

陳威達 DaDa JV for Impulstanz, 3D Make up Ines Alpha /// Ulrich Zinell (c)

Doch es gibt auch Argumente, die gegen Entwicklungen in diese Richtung sprechen. Der zuvor als kreativ bezeichnete Selbstausdruck - die Selbstinszenierung durch Kleidungsstile, Make-up oder andere ästhetische Mittel - wird von vielen Menschen kritisch betrachtet. Die gesteigerte Beschäftigung mit dem Darlegen der eigenen Person durch Erscheinungsbild(er) habe in Wahrheit nichts mit Individualismus zu tun, da sie von dem, was eine Person tatsächlich ausmache – Interessen, Talente und Zwischenmenschliches – ablenken würde. Eine gesündere Entwicklung für die Gesellschaft wäre also eine weg von mehreren Filtern und Wegen, sich mit dem eigenen Aussehen zu beschäftigen, hin zu Natürlichkeit und Bodenständigkeit. Auch würden Filter aller Art die Selbstwahrnehmung stören und infolgedessen zu Selbstzweifeln führen – somit wären die AR-Filter von Ines Alpha alles andere als zukunftstauglich.

Ob man Schönheit und das eigene Aussehen nun als kreatives Eigenwerk oder etwas Naturgegebenes betrachtet, eines ist sicher: Es bleibt einem selbst überlassen. Somit bleiben wir gespannt und offen für das, was kommt – und bewundern das digitale 3D-Make-up bis dahin für das, was es ist: Digitale Kunstwerke der Augmented – also erweiterten -  Reality.