Bohema Magazin Wien

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Strauss und die Spur des Geldes

Wohin fließen die 22 Millionen des Strauss-Jahres? Das Klangforum spielt im Konzerthaus Walzer auf Kokain, bearbeitet von einem Komponisten, der offensichtlich überhaupt keine Lust auf Strauss hatte.

© Gruppe am Park Werbeagentur | Michel Guenther, Doris Sommavilla

Eine Version dieses Artikels ist in der ‘Presse’ erschienen.

Es ist Strauss Jahr. Did you know? Vielleicht hat dein Algorithmus dir schon etwas Werbung darüber zugespült. Falls nicht, kannst du deren fancy Hipsterdesign von irgendeiner Grafikagentur aus dem Siebten auch auf deren Website bestaunen. Es gibt noch bis Dezember allerlei Veranstaltungen, vielleicht findest du im üppigen Programm ja etwas, was dir zusagt. Vielleicht wird das auch tatsächlich einen Besuch wert sein, falls das aber auf dem Niveau unnötig sein wird, wie dieser Abend im Konzerthaus, dann gute Nacht. Aber immerhin haben sie solche großartigen Videos für ihre 21 Abonnent*innen produziert:

Rico Gulda, der Programmchef des Konzerthauses, verließ nach zehn Minuten den Saal. Viel hat er nicht verpasst: tritsch tratsch – johann strauss II – great hits / a remix von Wolfgang Mitterer war ein eintöniger, oberflächlicher Abend zum Vergessen. Roland Geyer, der Intendant des Strauss Jahres, wurde mit der Lösung des gordischen Knotens beauftragt, etwas Heutiges aus Strauss zu machen. In diesem Fall wurde das mit einem Auftrag ans Klangforum versucht, einem der weltweit besten Ensembles für Neue Musik.

Strauss-Suppe mit viel Kokain

Komponist Mitterer machte das Beste aus dieser zweifelhaften Idee. Man hätte gern mehr ungewohnte Mitterer-Klänge, mehr Elektronik gehört, das erlaubte das Konzept nicht, Mitterer musste möglichst viel Strauss behalten. So blieb die elektronische Begleitung meist zahm im Hintergrund, der Komponist bezeichnet sie passend als „Untergrund für die Suppe“. Dessen zentrale Zutat eine ordentliche Dosis Kokain war, es war ein forciert schneller, oberflächlicher Ritt durch 19 Strauss-Hits, Mitterer ist offensichtlich kein Fan von Strauss. So war das Ganze weder Strauss noch Mitterer, lost in translation.

„Sie hören in 75 Minuten mehr Strauss als je zuvor“, behauptet Mitterer. Möchte das jemand? Die Komposition habe „am Ende mehr Spaß gemacht als vermutet“, gibt er im Programmheft zu. Na immerhin, umgekehrt heißt das, dass er zunächst von einer eher lästigen Arbeit ausgegangen ist. Eine Überraschung hatte der Abend immerhin parat: Das Klangforum kann Strauss, es klang überraschend philharmonisch. Elena Schwarz hielt sie gut zusammen und war noch in den letzten Nummern motiviert, als das Publikum schon längst ausgestiegen war.

Wolfgang Mitterer und die tapfere Dirigentin Elena Schwarz /// Christina Kastner, Klangforum Wien ©

Einmal noch, flüstert ein Herr seiner Frau vor der letzten Nummer, nach der sie ganz schnell verschwanden, statt zu applaudieren. Andere gingen schon früher, die 13 grandiosen Applausschlüsse, die Mitterer von Strauss behalten hat, waren mit jedem Mal nervtötender. Es ist schwer, dieses Stück mit dieser Besetzung nicht als einen Sellout zu bezeichnen. Mitterer hat hier gefühlt etwas komponiert, was er nicht wollte, das Klangforum darf im Anschluss mit dem Stück durch Asien touren und so das gute Geld vom Strauss-Jahr noch weiter vermehren. Und das Strauss-Jahr kann behaupten, ein derart innovatives und renommiertes Ensemble zu beschäftigen, wie das Klangforum. Is it just me or do you smell the money too?

Fast das Doppelte der Festwochensubvention für Strauss

Nach dem Konzert verlautete Mitterer im Gespräch mit Geyer trocken: „Ich bin froh, dass mein Strauss-Jahr vorbei ist“. Das können wir alle nicht behaupten. Das Jahr ist noch jung, die Hoffnung bleibt, dass Geyer noch ein paar Asse im Ärmel hat, als Intendant des Theater an der Wien war er wirklich Weltklasse. Nach der enttäuschenden Strauss-Operette im Theater an der Wien und diesem an den Haaren herbeigezogenen Abend drängt sich aber der Eindruck auf, die 22 Millionen für das Strauss-Jahr wären überdimensioniert. Wenn daraus nur drittklassige Koproduktionen bezahlt werden, während sonst überall in der Kulturbranche gespart werden muss, stellt sich die Sinnfrage immer drängender. Nur zur Einordnung: Das Konzerthaus hat die gesamte letzte Saison mit nur drei Millionen mehr bewerkstelligt, die Festwochen brachten 2023 mit 13 Millionen Wochenlang die Crème de la Crème der internationalen Produktionen nach Wien. Künstlerisch wäre ein zeitlich konzentriertes Strauss-Festival à la Festwochen für etwas weniger Geld die bessere Variante gewesen, damit hätte man aber nicht ein Jahr lang Touristen anlocken können. Ist die Schlange vor dem Café Central nicht auch so schon lang genug?