Bohema Magazin Wien

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Synthsounds mit Twist

Gänsehautmomente zwischen crescendierenden retro-Synthmelodien und rauen Sax-Solis - Musik zum Dahinschwelgen von der Band Zack Zack Zack.

Elektronische Musik und Poesie. Hinter der auf den ersten Blick ungewöhnlichen Kombination erkennt man auf den zweiten die Band Zack Zack Zack. Ins Leben gerufen wurde sie 2018 von Yigit Bakkalbasi und Cemgil Demirtas. Die Jungs stammen aus Izmir, mussten allerdings erst nach Wien kommen, um sich kennenzulernen. Sie beschreiben ihre Musik als Cross-Genre Electronica oder Experimental Pop, wobei sie sich nicht von Genre Bezeichnungen abhängig machen wollen. Sie stellen eher die Stimmung einzelner Songs in den Mittelpunkt. Als größte Meilensteine der Band nennen Yigit und Cemgil den erfolgreichen Release ihres Songs Bütün auf YouTube sowie Radioauftritte in der türkischen Radioshow MOD Sessions, dem österreichischen Sender Radio FM4 und beim amerikanischen KEXP Radio.

Klangteppich zum Drauflegen und Entspannen

Heute möchte ich die Nummer Galactica mit euch teilen. Sie beginnt mit einer sanft gelegten Synthmelodie, die sich zwischen die Akkorde schiebt und einen sphärischen Klangteppich bildet. Innerhalb weniger Sekunden wird nach einer kurzen Einleitung gesteigert. Mehrere Synthspuren werden überlagert und schaffen eine geheimnisvolle, undurchsichtige Atmosphäre. Kurz nachdem die erste Steigerung verdaut werden kann, bricht die zweite Crescendowelle über uns herein. Aus dem Gewebe der verflochtenen Melodien, tritt eine blechern klingende Snare Drum zum Vorschein.

An dieser Stelle sind bereits über 60 Sekunden verstrichen – ein ungewöhnlich langes Intro, ohne Gesangsmelodie. Durch den späten Texteinsatz haben Zuhörer*innen Zeit, eigene Bilder mit der Musik zu verbinden. Dieser Umgang mit Text und Musik entspringt der Arbeitsweise von Cemgil und Yigit. Sie erarbeiten zuerst ein Konzept und eine Stimmung für jeden Song. Anschließend wird die Musik komponiert und erst im letzten Schritt der Text verfasst. Jetzt nehmt euch einen Moment und hört in den Song hinein:

Was für eine Stimme habt ihr erwartet? Ich muss ehrlich sagen: ich habe auf eine englischsprachige, weibliche Sopran-Popstimme à la Little Mix gesetzt. Aber, man wird überrascht! Zu hören bekommt man eine raue, männliche Stimme, die in fast-Sprechgesang die Textzeilen “Wien ein Bach, schwarze Nacht.
Dreißig Stunden ohne Wach” vorträgt. Die Gesangsspur klingt roh, unbearbeitet und steht mit allen Ecken und Kanten, die der menschlichen Stimme eigen sind, da. Eine erfrischende Abwechslung im Wald der zahlreichen gebügelten und geglätteten Stimmen in der Welt der Popmusik.

Musik, die dich zum Schweben bringt

Nach dem der Text präsentiert wurde, ändert sich die Stimmung. Der Gesang verebbt, Synthmelodien treten wieder in den Vordergrund und schrauben sich immer weiter nach oben. Dazwischen werden Texteinwürfe gestellt, die kurze Unterbrechungen im Klangfluss schaffen. Die Musik scheint fremd und von weit her zu kommen. Durch die kontinuierlich an Höhe gewinnende Melodie, hat man das Gefühl, gemeinsam mit der Musik abzuheben. Und dann, ganz plötzlich, wird man wieder auf den Boden zurückgeholt. Die Musik bricht ein, eine neue Klangwelt wird betreten. Melodie und Instrumentierung der langen Einleitung werden wieder aufgegriffen.

Nach allem was zwischen Einleitung und diesem Abschluss passiert ist, hört man die bereits bekannte Musik allerdings mit anderen Ohren. Wie, wenn man nach einer langen Reise zuhause ankommt und die Umgebung gleichzeitig neu und altbekannt erscheint. Und ganz im Sinne von Yigit und Cemgil werde ich euch erst jetzt die Geschichte hinter Galactica verraten. Galactica ist der Namen eines Rennpferdes aus Izmir. Der Song handelt davon, dass Menschen von der Gesellschaft dazu getrieben werden, viel und hart zu arbeiten und in einem ständigen Wettkampf stehen. Wie das Rennpferd Galactica. Yigits Kommentar zum Song:

„Galactica ist ein Versuch von einem Türken, Poesie auf Deutsch zu schreiben.“

Für die Nummer This Feeling haben sich die Jungs von Zack Zack Zack den Saxofonisten Ollie Joestar und die Jazzsängerin Melodi Begüm Ünlüsü mit an Bord geholt. Obwohl die Basis des Songs wieder Synthmelodien und ein durchgängiger Drumbeat ist, zeigt This Feeling ein komplett anderes Gesicht der Band. Hier stehen abwechselnd Saxofon und Stimme im Focus. Ollie Joestar überzeugt durch spannende Phrasierungen und direkten, artikulierten Sound. Auf große Ausschweifungen der Gesangmelodie oder artistische Gesangsriffs wird verzichtet. Die Gestaltung ist fast minimalistisch gehalten. Besonders gut gefällt mir der Kontrast zwischen Melodis cleanem, etwas gedecktem Sound und dem fast brachial wirkenden, direkten Saxofon. Der Gänsehautmoment des Songs: bei 2:45, wenn sich die beiden Stimmen finden und das erste Mal gleichzeitig erklingen.

Am 27. März 2021 gibt es ein online Post-Punk-EBM Festival auf YouTube, bei dem Zack Zack Zack mit einer Uraufführung und einer Improvisation vertreten sein wird.