Bohema Magazin Wien

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Unperfekt perfekt: intime, ehrliche Einblicke

Zwei tolle Musikerinnen im Radiokulturhaus - Sophie Lindinger & OSKA sorgten mit ihrem einmaligen Programm SoloTogether für Gänsehaut am ganzen Körper.

(c) Rania Moslam

Stille, Lichter, Menschen in Masken und alle warten sie gespannt. Und dann kam Sophie Lindinger auf die Bühne des Radiokulturhauses und zog sich erstmal die Schuhe aus. All ihre Songs, die sie anschließend präsentierte, spielte sie genauso, wie sie sie geschrieben hatte. In genau demselben Setting, im Schneidersitz am Boden, mit ihrem Songbook vor den Füßen und einer Gitarre im Schoß. Sonst nichts. Minimalismus pur. Einfach ehrlich.

Sophie kannte ich zuvor als vielseitiges Multitalent und Multitaskerin mit ihren unzähligen musikalischen Projekten. Als Songwriterin und Produzentin und mit ihren Projekten Leyya und MyUglyClementine hat sie sich auf jeden Fall in den letzten Jahren an die Spitze der österreichischen Musikszene hochkatapultiert. Nicht nur das, auch international hat sie sich einen Namen gemacht. Letzten Donnerstag spielte sie zum ersten Mal solo. Songs, die in einer einsamen, nachdenklichen Zeit entstanden sind, sollten nun erstmals für andere Ohren bestimmt sein als Sophies Schlafzimmerteppich. Noch nie zuvor hat sich Sophie Lindinger von dieser Seite gezeigt. So verletzlich, so ehrlich.  

Die nackte, unverblümte Wahrheit

Nothing I know so well. Eine Zeile aus einem Song, bei der ich mir nicht sicher bin, ob sie vielleicht auch im Titel steckt. Was jedenfalls in allen unveröffentlichten Stücken steckt und mitschwingt, ist eine so unglaublich melodische Melancholie, dass meine Härchen am gesamten Körper in einer andauernden senkrechten Position standen. Kein Wunder bei den vielen treffenden Worten. Trotzdem oder vielleicht genau deswegen fällt es mir schwer zu beschreiben, was die Songs in mir auslösten. Sophie verarbeitete darin alles, was sie im letzten Frühjahr beschäftigte. Vom Alleinsein bis hin zu bittersüßen Morgenkaffee-Erinnerungen an eine bestimmte Person. Mit der Zerbrechlichkeit und gleichzeitigen Stärke in ihrer Stimme schafft Sophie es, die Zeit anzuhalten.

Ganz ehrlich…

Auch bei Maria Burger mit dem Künstlernamen OSKA (auch in internationalen Gewässern namhaft), die anschließend auftrat, waren fast durchgängige Chills vorprogrammiert. Ihr sanfter, zarter Gesang und ihre leichte und doch verletzliche Art zu performen faszinierten mich vom ersten Moment an. Auch ihre Texte über Liebe, Familie und Halluzinationen berührten mich zutiefst. Besonders mit dem Song Lousy T-Shirt packte sie mich. Wie der Titel schon anklingen lässt, dreht sich der Song um ein Shirt (von einem Ex-Freund), das zur einzig physisch verbliebenen Erinnerung an eine frühere Beziehung im letzten Eck des Kastens steckt. Obwohl der Song sehr nostalgisch und ein bisschen traurig ist, musste ich lachen, denn genau so ein Shirt liegt auch bei mir Zuhause.

Melancholisch blieb es nicht den ganzen Abend. Das letzte gemeinsam gespielte Set der beiden Musikerinnen verstrahlte eine wunderschöne, entspannte Stimmung im kompletten Saal. Neben eigenen Stücken, spielten sie Covers, die zum Mitsingen einluden. Unter Cover-Songs mit Wochentagen und Zahlen im Titel inkludiert, deren Texte sehr eingängig uns einfach im Gedächtnis hängen bleiben, erinnere ich mich trotzdem am intensivsten an die eigenen und unveröffentlichten Werke der beiden, denn sie schufen eine einzigartige, unverwechselbare Atmosphäre.

Ameisen wühlen in meinem Hintern, wenn ich daran denke, dass die Songs veröffentlicht werden

Ohne noch mit zu viel Kitsch um mich werfen zu wollen, muss ich schlussendlich zugeben, dass ich noch nie so ein Konzert zuvor erlebt hatte, das so eine Art von Intimität ausstrahlte. Ameisen wühlen in meinem Hintern, wenn ich daran denke, dass die Songs hoffentlich bald veröffentlicht werden. Ach, wenn es doch nur noch eine Zugabe gegeben hätte und die Uhr stehen geblieben wäre …