Bohema Magazin Wien

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Veränderung ist gut

Im Gespräch mit Moritz Seeburger über seine Ausstellung Fliegen Lernen (7.-9. Februar ‘23) und die Aufgabe, sich als Künstler*in im Zeitalter der sozialen Netzwerke durchzusetzen.

Moritz Seeburger im Interview mit Stephanie Grechenig von Bohema.

Stephanie (Bohema): Hallo, Moritz! Wie geht’s dir so heute?

Moritz Seeburger: Aufgeregt. Voller Vorfreude auf die Ausstellung. Ansonsten geht es mir super. Ich schau’ jetzt, dass ich mich ab jetzt so gut wie möglich „selbst treate“. Ich habe mich jetzt ein Jahr darauf vorbereitet. Alles, was jetzt schief laufen könnte, ist außerhalb meines Schaffens. Ansonsten nur Vorfreude.

Bohema: Vorfreude, wahrscheinlich weil am Dienstag ja deine erste Einzelausstellung "Fliegen lernen" beginnt. Was geht dir im Moment durch den Kopf?

Moritz: Es ist eine riesige Chance, meine Karriere weiterzubringen und eine Botschaft mitzuteilen, die mir sehr wichtig ist. Vor allem bin ich durch die Caritas zu dieser Chance gekommen im Rahmen ihres „Influencer“-Programms. Die Caritas sponsored junge Leute und gibt ihnen die Möglichkeit, kulturell etwas zu bewegen. In diesem Rahmen habe ich gemeinsam mit einem Team aus jungen Leuten eine Ausbildung zum Projektmanager erhalten, wo wir die verschiedensten Projekte umsetzen konnten. Oft sind Kunst und Business untrennbar, in einer gewissen Weise. Wenn man Geld verdienen möchte, dann gehört Business halt einfach dazu. Aber das Coole an dem Caritas-Programm war das Gemeinschaftsgefühl, es hat immer Spaß gemacht und somit hat es sich nie wie Business angefühlt.

(c) Moritz Seeburger, ”Jünger”, Selbstportrait, 60x80, Collage.

B: Im Mittelpunkt deiner Ausstellung stehen Veränderung/Transformation und Entwicklung. Wie bist du zu diesen Themen gekommen? Was hat dich hier konkret inspiriert? 

M: Noch vor ein paar Jahren habe ich eine große Angst vor Veränderungen gehabt. Nachdem mein Vater an Krebs verstarb als ich 16 war, erlitt ich den ersten radikalen Einschnitt in meinem Leben. Davor habe ich nicht wirklich mitbekommen, dass sich etwas in meinem Leben verändert hätte. Natürlich bin ich älter geworden, habe immer noch Videospiele gespielt, meine Freunde getroffen und so weiter. Ab diesem Punkt habe ich aber gemerkt: Warte mal. Es kann so schnell gehen, dass sich etwas verändern kann. Nachdem ich diese seelische Wunde erhielt, habe ich mich zusammen mit meinem besten Freund in mein „Nest“ zurückgezogen und auch Gras für mich entdeckt.

Stephanie und Moritz schmunzeln gleichzeitig.

Daraufhin habe ich die nächsten sieben Jahre in meiner Komfortzone gelebt, um einerseits zu heilen und mich andererseits zu verstecken. Mit meinem besten Freund gemeinsam haben wir auch sehr oft über andere Welten geredet. Dabei haben wir uns Welten, beziehungsweise Geschichten mit fiktiven Charakteren ausgedacht. In solchen imaginären Welten zu stehen ist etwas tolles, womit du deine eigenen Emotionen verarbeiten kannst. Irgendwann habe ich aber gemerkt, dass es nicht mehr so weiter gehen kann. Nachdem meine Schule zu Ende ging, war mir bewusst geworden, dass ich eigentlich meinen Traum erreichen möchte. Aber das bedeutet natürlich Veränderung! Dafür musste ich mich für die Kunstschule bewerben und andere Leute kennenlernen. Ohne diesen ersten Schritt zu wagen, würde ich nicht hier sitzen oder hätte nicht die Möglichkeit eine Soloausstellung zu machen. In einer gewisser Weise war es vielleicht wichtig, dass mir so ein Trauma widerfahren ist.

Mein bester Freund, mit dem ich eben so viel Zeit verbracht habe, ist auch Maler. Er hat schon immer Formen und Kreise gezeichnet. Vor Ewigkeiten hat er ein Transformationszeichen kreiert, welches eher so alchimistisch angehaucht ist. Als wir darüber geredet haben und er es mir gezeigt hat, war ich plötzlich sehr fasziniert. Dieses Zeichen wirkte wegen der Zahl Drei sehr ästhetisch auf mich. Ich glaube das kommt auch von meinem Kunstgeschichte-Studium, bei welchem ich gemerkt habe wie wichtig die Zahl Drei ist.

B: Haha, ja, die gute alte Trinität in der Ikonographie und so weiter.

M: Mein Freund hat mich eben sehr mit dem Zeichen inspiriert, dass ich das darauffolgende Jahr vorwiegend damit verbracht habe, Bedeutungen um dieses Zeichen herum zu entwickeln.

B: Wenn du deine Ausstellung in vier Worten beschreiben müsstest, wie würden diese lauten - und warum?

M: Träumerisch. Ich male sehr oft auch „distorted Landscapes“, also unbekannte Landschaften, die für mich so ein bisschen die Zukunft darstellen sollen. Die unbekannte und fast träumerische Zukunft. Denn ich male mir alles gerne schön, fast schon wie eine Abenteuerlandschaft, die erkundet werden kann. Ansonsten…
Das ist wahrscheinlich die einfachste Frage. Aber ich bin gerade etwas überfordert damit.

(c) Moritz Seeburger, “Weltenwinder”, 80x100, Collage/ Mixed Media.

B: Nein, ich glaube die Frage ist gar nicht so einfach. Cool, danke für den kleinen Einblick in die Ausstellung, ich würde jetzt auch nicht zu viel verraten, denn jeder soll sich selbst ein Bild machen. Aber wenn es dir passt, habe ich mir ein Thema ausgesucht, über das ich mich gerne mit dir unterhalten möchte: Das Studium an einer Kunsthochschule und welche Schwierigkeiten sich heute ergeben, sich selbst als Künstler zu bezeichnen. Also…
…du studierst an der Akademie der bildenden Künste Wien, was genau studierst du dort?

M: Ich studiere künstlerisches Lehramt. Als ich 16 war und mich ein bisschen von meinen Eltern entfernte, habe ich mir woanders Bezugspersonen gesucht. Zum Beispiel bei meiner Zeichenlehrerin. In meinem letzten Schuljahr habe ich bemerkt, wie cool eine Lehrperson sein kann. Plötzlich erkannte ich, dass Lehrer*innen auch nur Menschen sind und auch großartig beziehungsweise inspirierend sein können. Mit Hilfe meiner Zeichenlehrerin habe ich einen Support und eine Förderung in meiner Begabung erhalten. Sie war meine Inspiration, Zeichenlehrer zu werden. Trotzdem ist es mein großer Traum, mit meiner Kunst erfolgreich zu werden, aber da geht es mir nicht so wirklich ums Geld. Mein Ziel ist es eher, kulturell etwas zu bewirken. Zeichenlehrer zu werden ist in erster Linie für meine Seele, da ich sehr gerne Menschen etwas geben möchte, genauso wie meine Zeichenlehrerin es bei mir geschafft hat.
An der Akademie zu studieren war das Beste, was mir je passieren konnte. Es ist wie eine kleine Familie, auch wenn es manchmal chaotisch sein kann. Dieser leichte Stereotyp von Kunststudierenden, dass sie leicht verkopft sind und nicht so gut mit Terminen umgehen können, beweist sich doch oft als wahrhaftig.

Einstimmiges schmunzeln.

Zum Thema Kunst und soziale Netzwerke: Es hat Vor-und Nachteile. Also, ohne Social Media hätte ich jetzt nicht die Chance mit dir zu reden. Andererseits ist es sehr schnelllebig. Beispielsweise kann ich ein Foto posten von einem Bild, an welchem ich etwa zwei Monate gearbeitet habe, und das wird dann nur für ein paar Sekunden angeschaut - und dann auch wieder schnell vergessen. Somit verliert die Kunst oft durch die Schnelllebigkeit und der Vielzahl der Beiträge an Bedeutung.

B: War es für dich immer klar, auf die Kunstuniversität zu gehen? Denn die Meinungen spalten sich ja oft, ob man “Künstler*in sein” auch wirklich lernen kann? Wie siehst du das? 

M: Ich finde es großartig, dass du das fragst. Dieses Gespräch habe ich schon sehr oft gehabt. Meiner Meinung nach ist Kunst ein Handwerk und es gibt so viele Richtungen und Möglichkeiten an Kunst, dass wirklich jede*r Kunst machen kann. Das Wichtigste ist das Interesse an der Sache. Das Talent kommt meistens nachrangig.

B: Was ich an dem Konzept der Akademie sehr fragwürdig finde, ist, dass sie nur eine sehr geringe Anzahl an Studierende aufgenommen wird und dass es auch relativ schwer ist, aufgenommen zu werden. Somit glaube ich, dass viele auch davon abgeschreckt werden, tatsächlich ihren Traum zu verfolgen und an einer Kunstuni zu studieren.

(c) Moritz Seeburger / Krähenkind

M: Voll, ich merke es auch selbst bei Freund*innen, die malen, sich jetzt schon das vierte Mal bewerben und nicht genommen werden. Obwohl ihre Kunst sehr gut ist, meiner Meinung nach. Es ist halt sehr schwer sich davon abzutrennen, man darf seinen eigenen Wert nicht von vier Professor*innen bestimmen lassen. So viel gute Künstlerinnen und Künstler sind Autodidakten und haben nie an einer Kunstschule studiert. Das Problem ist auch oft, dass Studierende auf die Kunstuniversität wollen, um mit Namen um sich werfen zu können. Zum Beispiel wollen viele von Daniel Richter unterrichtet werden, allein, weil er einen sehr großen Namen in der österreichischen Kunstszene hat. Man merkt es auch, wenn man Businesstalk mit Galerien oder Kurator*innen hat. Da kommt oft die Frage, bei welchem Professor man studiert hat.  

B: Was mir häufig auffällt, ist die Problematik der Selbstbehauptung als Künstlerin in den sozialen Medien. Viele sind der Meinung, dass die Kreativität heutzutage oft vernachlässigt wird, weil man unter dem ständigen Druck steht, Inhalte für seine Fans zu produzieren. Wie siehst du das?

M: Ja, auf jeden Fall. Bevor ich angefangen habe auf Leinwand zu malen, arbeitete ich vorwiegend mit Papierformat. Dadurch konnte ich natürlich an circa vier Arbeiten in einer Woche arbeiten, wodurch ich mir selbst natürlich einen Druck aufgebaut habe, ständig mehr zu malen, um sie anschließend auf social Media zu posten. Die Arbeiten haben zwar noch immer gut ausgesehen, aber für mich verloren sie mit der Zeit an Bedeutung. Das ging so lange, bis ein Freund meinte, dass ich mehr mit Leinwand arbeiten soll. Dem Rat folgte ich dann und nahm mir wieder mehr Zeit für meine Arbeiten. Somit rückte Social Media mehr in den Hintergrund und ich fand wieder mehr Gefallen am Malen.

(c) Moritz Seeburger, “Mahlstromling”, 100x200, Collage/ Mixed Media.

Bohema: Voll, außerdem glaube ich es ist schwer heutzutage zu differenzieren, ob man jetzt Künstler ist und die sozialen Medien als Mittel zum Zweck nutzt, um seine Arbeiten zu bewerben, oder ob man mehr als Content Creator tätig ist. Glaubst du, dass sich in den letzten Jahren mit dem Aufkommen der sozialen Medien das Verständnis davon, wie eine Künstlerin zu definieren ist, verändert hat?

Moritz: Sicherlich. Früher war der Zugang zur Kunst einfach schwerer. Mittlerweile kann jede*r seine Arbeiten irgendwo hochladen, beziehungsweise verkaufen. Mit Social Media haben sich neue Sparten entwickelt, was den Zugang deutlich erleichtert, wodurch jede*r die Möglichkeit hat Künstlerin zu werden.

B: Das passt jetzt auch perfekt zu meiner letzten Frage. Vielen angehenden Künstlern fällt es schwer, ihre Arbeit als "gut genug" zu betrachten, und trauen sich nicht, den Schritt zu wagen, sich als Künstlerin zu bezeichnen oder gar eine Kunstschule zu besuchen. Hast du ein paar Tipps für diesen Fall, oder wie es dir zu Beginn deiner Karriere ergangen ist? 

M: „Embrace it“. Die Veränderung annehmen. Es ist etwas Gutes und ich kann es voll verstehen, dass man anfangs Angst hat, seine Sachen herzuzeigen. Am besten zeigt man es seinen Bekannten, da man sich bei denen eher traut. Jedenfalls war es für mich einfacher, zuerst meine Freunde und Freundinnen um deren Rat zu fragen und dann auch aufzufordern, meine Sachen zu kaufen. Dann siehst du auch gleich deren Reaktion. Das Wichtigste ist aber, einfach dranzubleiben. Der Rest ergibt sich dann von selbst.

B: Und wie haben deine Freunde dann reagiert, als du sie aufgefordert hast, deine Sachen zu kaufen?

M: Eigentlich empfanden sie es als eine gute Idee. Mir war es am Anfang unangenehm Leute zu fragen, ob sie meine Kunst kaufen wollen. Aber dadurch, dass ich eher scherzend gefragt habe und es nicht wirklich ernsthaft war, war es für mich jedenfalls leichter zu fragen. Die Reaktionen waren dann auch sehr positiv. Das stärkt dann auch dein Selbstbewusstsein. Meine Freund*innen sind sehr motivierend und sind wirklich meine größten Supporter seit Stunde Null, wofür ich sehr dankbar bin. 

B: Willst du noch etwas sagen?

Moritz:  Danke für das Interview. Ich hoffe es war gut, dafür, dass es mein erstes Interview war. Ich freue mich, Dich und alle Zuhörer*innen zu meiner Ausstellung einzuladen.

Bohema: Es war super, ich komme auf jeden Fall sehr gerne!
Danke für die netten Einblicke in deine Welt und deine Inspirationsquellen. Ein Besuch deiner Ausstellung “Fliegen lernen” lohnt sich nun sicher umso mehr.