Bohema Magazin Wien

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Vienna Shorts: die Porträtierten

Ein Blick auf die Filmemacher*innen Jyoti Mistry und Yann Gonzalez, denen das Vienna Shorts Festival in diesem Jahr Spezialprogramme widmet.

Jyoti Mistry

In ihrer lose zusammenhängenden Essayfilm-Trilogie, die bei der 21. Vienna-Shorts-Ausgabe unter dem Titel „Wir kommen in Frieden, sagten sie“ zu gezeigt wird, setzt sich die südafrikanische Filmemacherin und Professorin Jyoti Mistry auf jeweils verschiedene Weise mit Archivmaterial aus der Sammlung des EYE Filmmuseums in Amsterdam auseinander, das zu großen Teilen aus kolonialen ethnographischen Aufnahmen aus den ehemaligen niederländischen Kolonien in Südafrika, Indien und Indonesien stammt. An der Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft situiert, sind die drei Arbeiten als ‚Artistic Research‘ daran interessiert, das Archiv und seine Bilder auf die ihnen zugrundeliegenden Machtverhältnisse zu befragen, die den kolonialen Kamerablicken und der Bildproduktion eingeschrieben sind. Das geschieht auf eine spezifisch essayistische Weise: das Archiv wird als „place to play“ verstanden, wie Mistry in einer Reflektion über ihre Arbeit im EYE Filmmuseum schreibt, die kolonialen Bilder werden de- und rekontextualisiert, verlangsamt, beschleunigt, vor- und zurückgespult, Parallelen werden in der Montage herausgearbeitet und Möglichkeiten erforscht, die filmische Geschichtsschreibung gegen den Strich zu bürsten und ihr mit dekolonialen filmischen Strategien zu begegnen.

© Cause of Death (Jyoti Mistry)

Dabei arbeitet Mistry in den drei Filmen jeweils mit Kgafela oa Magogodi und/oder Napo Masheane zusammen, zwei Spoken-Word-Künstler*innen, deren Texte und Performances den Filmen eine Tonalität und einen Rhythmus verleihen, der die verwendeten Archivaufnahmen strukturiert und ihnen eine diskursive Ebene hinzufügt, die in den drei Arbeiten jeweils leicht verschobene Schwerpunkte erkennen lässt, die sich als Trilogie sehr gut ergänzen. In When I Grow Up I Want to Be a Black Man (2017), als Zwei-Kanal-Installation noch stärker einer musealen Praxis verpflichtet, kontrastiert Mistry die in den historischen Kolonialbildern repräsentierte schwarze Männlichkeit mit einem Ausschnitt aus einem DEFA-Film, in dem ein kleiner Junge den Wunsch äußert, ein schwarzer Mann zu sein. In Cause of Death (2020) verschiebt sich der Fokus auf die Diskriminierung der Frauen in den Archivfilmen, bevor Loving in Between (2023) nach queerer Sexualität und Liebe im Angesicht von repressiven gesellschaftlichen Vorstellungen sucht, ausgehend von einem Gedicht von Langston Hughes: „Folks, I’m telling you, birthing is hard and dying is mean – so get yourself a little loving in between.“

Porträt Jyoti Mistry
Wir kommen in Frieden, sagten sie - Eine außergewöhnliche Archiv-Trilogie

30.05.2024, 18:00, Österreichisches Filmmuseum


Yann Gonzalez

Man könnte die Filme von Yann Gonzalez leicht mit Adjektiven überhäufen, die etwas naserümpfend klingen: trendig, kitschig, jugendlich, undsoweiter undsofort.

Falsch wäre das nicht, zumindest könnten sich - wie, gerade beim Sprechen oder Schreiben über Filme für das meiste - gute, oder zumindest ganz gut klingende Argumente dafür finden, wie sich etwa über die meisten Popsongs sagen ließe, der Rhythmus sei langweilig, der Refrain wiederhole sich zu oft und sowieso sei das doch alles nur oberflächlicher Kompost.

© Land of my Dreams (Yann Gonzalez)

Gonzalez’ Bezüge kommen meist aus den eher unteren Schubladen der Filmgeschichte, von B-Movies und trashigen Horrorstreifen, von Softpornos. Oft ist es Nacht in seinen Filmen, dann verschwindet die Ratio, die biedere Logik - „Träume, Triebe und tiefgründige Monster“ hat das Vienna Shorts sein Porträt-Programm über Gonzalez getauft, was natürlich auf voller Linie nach Psychoanalyse klingt, oder nach diesem Gefühl, dass da etwas dunkles im Innersten schlummert - ich muss ein wenig an Titel von Filmen über Freud denken, an „Geheimnisse einer Seele“ (Pabst) oder „A Dangerous Method“ (Pabst), die ebenfalls dieses dunkle Schimmern provozieren.

Sicher kann man viel in die Filme von Gonzalez hineinlesen, sie interpretieren, aus- und entwickeln. Für mich aber sind die Filme - gerade die kürzesten! - dann am stärksten, wenn alles Narrative, Verweisende und - wieder so ein Naserümpf-Wort - all die Edginess wegfallen, wenn die Bilder in den für Gonzalez’ Filme so ausschlaggebenden Synthesizer-Wellen baden und sich ganz unironisch und vermeintlich simpel dem Gefühl hingeben. Das ist dann jugendlich im besten Sinne, weil die Bilder übersprudeln von Sehnsucht, Lust und anderem, was man nie so ganz versteht, weil die Emotion dabei neu wirkt und funkelnd und lebendig.

Porträt Yann Gonzalez
Träume, Triebe und tiefgründige Monster - Eine obskure cineastische Reise

01.06.2024, 20:00, METRO Kinokulturhaus

…und auch das Porträt zu Amos Gitai, das am Abend des 31. Mai im Filmmuseum läuft, wollen wir nicht unterschlagen!