Bohema Magazin Wien

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Liebe, Kunst und Guacamole

Ohrwürmer, Tico Tico auf der Harfe und zweimal La Bikina: Eine Serenata Latina mit Rolando Villazón und Xavier de Maistre im Musikverein Graz.

Rolando Villazón und Xavier de Maistre /// DG, Julien Benhamou (c)

Für alle, die bei diesen Namen noch nicht ganz wissen, worum es geht, sei gesagt: Rolando Villazón ist einer der führenden Tenöre der Gegenwart, aus Mexico City, ist mitunter auch als Regisseur, Schriftsteller, Radio- und TV-Persönlichkeit sowie als Intendant tätig. Gemeinsam mit dem erfolgreichen, französischen Harfenisten Xavier de Maistre, nahm er im Jahr 2020 die CD Serenata Latina auf (Deutsche Grammophon). Nun haben sich die beiden Ausnahmekünstler mit diesem Programm in den Musikverein Graz begeben – das war eine Reise aus Wien wert.

Zu viel Applaus

Für viele Zuschauerinnen im Saal waren die Lieder der Serenata Latina nichts Neues, denn die dazugehörige CD wird seit 2020 von Liebhaber*innen rauf und runter gehört. Umso mehr knisterte es im unruhigen Publikum, als die beiden Interpreten tatsächlich live die Bühne betraten. Das Programm, das die lateinamerikanische Gesangskultur von Gitana über Fuentes bis de Abreu abdeckt, enthält nicht nur Lieder, sondern auch Solo-Bearbeitungen für die Harfe. Alle Ersuchen, erst nach einer Liedfolge zu applaudieren, schlugen fehl und besonders begeisterte Zuschauer klatschten selbst in die zartesten Schlüsse der Harfe hinein (vielleicht war hier Xavier de Maistres wunderschönes Piano etwas zu Piano für so manche Ohren).

Mozart und Guacamole

Rolando Villazón zeigte sich zwischendurch abermals von seiner sympathisch lockeren Seite, als er eine Anekdote zum Dazwischenklatschen aus einem Mozart Brief erzählte. Außerdem nahm er vor dem Lied La Llorona (die Weinende) auch Bezug auf die heutige Zeit, in der man sich zwischen tragischen Ereignissen seiner privilegierten Position bewusst sein sollte. Die drei schönsten Sachen, die von Menschen, einer gefährlichen Spezies für diesen Planeten, kommen können, seien Liebe, Kunst und Guacamole – nein, natürlich Humor! Zweiteres wolle er hier mit ganz viel Drittem betreiben.

Musikalisch standen die Lieder der ersten Hälfte im Schatten der Harfe-Solo Parts, in denen Xavier de Maistre die Grenzen seines Instruments ausreizte und den Saal mit dem Farbreichtum der Harfe für sich einnahm. Nach der Pause ließ die Perfektion allerdings nach und man erlebte ein Tico Tico und Harfenstellen, die gar nicht mehr nach der CD-Aufnahme klangen. Das Publikum zeigte sich trotzdem mehr als zufrieden, letztendlich zeugten diese Kratzer in der musikalischen Fassade für Menschlichkeit und Liveness. Rolando Villazón erwachte hingegen im zweiten Teil zu wunderbarem Ausdruck, sodass man das Gefühl hatte plötzlich Spanisch sprechen zu können.

Das Publikum goutierte diese Serenata Latina mit tosendem Applaus sowie Standing Ovations, die drei Zugaben zur Folge hatten. Vor der dritten Zugabe meinte Villazon „Eine noch, dann *Trinkbewegung*“ und stimmte zum zweiten Mal an diesem Abend La Bikina (Das Mädchen im Bikini) von Rubén Fuentes Gasson an. Eine großartige Darbietung, die nach dem Nachhauseweg Graz-Wien noch immer die Gedanken dominiert.