Bohema Magazin Wien

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Weil Lila Blau in sich trägt …

Übers Erwachsenwerden und verschwommene Gefühle: Janne Marie Dauer im Interview über ihre erste Graphic Novel Auerhaus.

Auerhaus /// Janne Marie Dauer (c)

Dienstagnachmittag, 13 Uhr. Janne und ich treffen uns in der Vollpension, bestellen Kaffee und Kuchen und machen es uns auf den geblümten Sofas gemütlich. Sie erzählt von ihrer ersten Graphic Novel „Auerhaus“, die auf dem gleichnamigen Roman von Bov Bjerg basiert und sich um eine Schüler-WG am Dorf dreht.

Worum geht’s?

Süddeutsches Dorf in den 1980ern. Angefangen hat alles mit dem Suizidversuch des 18-jährigen Frieder, der, um danach nicht alleine zu wohnen, mit seinem Freund Höppner und dessen Freundin Vera in das „Auerhaus“ zieht. Mit Pauline, der Brandstifterin, Harry, dem schwulen Drogendealer und Cäcilia, der gutbürgerlichen Streberin, entwickelt sich die WG schnell zu einem Zuhause, wo Nachhilfe im Klauen, Plätzchen backen und aufeinander achtgeben auf der Tagesordnung stehen. Während ihre Mitschüler*innen den Song „Birth, School, Work, Death“ lächelnd mitsingen, leben sie das „richtige“ Leben.

Janne: Das ist diese spezielle Zeit, wo man denkt, man wird ewig befreundet sein. Wir können das alles ganz anders machen, aber irgendwie funktioniert es nicht, weil alle was anderes wollen und sich entwickeln. Sie sind ja super jung. Ich habe das Gefühl, das kann fast jeder nachvollziehen.

Auerhaus /// Janne Marie Dauer (c)

Recherchereise in die schwäbische Provinz

Um ein Gefühl für die schwäbische Provinz zu bekommen, reiste Janne nach Göppingen, wo das Haus noch immer in the middle of the street steht. Weil sich dort seit den 80ern so manches verändert hat, durchsuchte sie das Stadtarchiv nach alten Fotos und Zeitschriften.

Ich wollte die Ästhetik der 80er einbauen, aber auch, dass es sich nicht zu sehr darauf stützt oder zum Klischee wird. Ich bin ganz happy, dass es so ne rotzige Version ist.

Eigene Ergänzungen

Auch wenn es keine historische Graphic Novel werden sollte, hielt sich die Künstlerin relativ nah an dem Roman. Hier und da verlieh sie der Story aber eine persönliche Note, indem sie ihre Freund*innen in der legendären Partyszene versteckt oder Vera eine eigene Seite widmet:

Auerhaus /// Janne Marie Dauer (c)

J: Das ist eine Seite mit Veras Zimmer, die ich noch dazu gedichtet habe, weil Vera im Buch sehr stark von außen beschrieben wird und ich wollte, dass man einen kleinen Einblick in ihre Persönlichkeit bekommt. Dass sie Billie Joel Fan ist und das 80er-Jahre Punk-Element mit einbringt.

Der Entstehungsprozess

B: Welche Materialien hast du verwendet?

J: Es sind große A3-Blätter. Ich habe angefangen mit den Bleistiftumrissen und dann habe ich auf das Blatt noch ein Blatt gelegt, das auf einen Leuchttisch geklebt und konnte mit Gouache dann praktisch in den Linien ausmalen. Es ist recht grob, deshalb tut es immer wieder darüber schwappen. Es wurde geschrieben, dass diese Skizzenhaftigkeit die Lebensphase der sechs ausdrückt. Das fand ich sehr schön, weil mir das gar nicht so bewusst war beim Entstehungsprozess. (lacht) 

B: Wie lang hat der Prozess gedauert?

J: Insgesamt habe ich 2 Jahre daran gearbeitet. Ich hatte eine echt intensive Phase, wo ich 2 Seiten pro Tag gezeichnet habe oder so 10 Seiten in der Woche. Eine Seite kann 2 ½ bis 4 Stunden dauern.

Die Farben

J: Ich wollte von Anfang an, dass es in Farbe ist. Ich hab’s mir gar nicht in Schwarzweiß vorstellen können.

B: Wegen der Ernsthaftigkeit des Themas? Frieders Suizidversuch?

J: Ich wollte nicht in dieses Klischee verfallen. Klar, ist es dieses Thema, aber es heißt nicht, dass die Welt aller Farben beraubt ist. Es ist viel mehr als das.

Jannes Lieblingsdoppelseite:

Auerhaus /// Janne Marie Dauer (c)

J: Was ich auch von Anfang an wusste, war, das Haus als Puppenhaus darzustellen, weil’s für mich bisschen so ist, dass sie spielen, erwachsen zu sein. Deswegen kommen immer wieder Spielfiguren vor. Auch das Cover spielt darauf an.

Bunte Charaktere

B: Jede der sechs Personen hat ein individuelles Aussehen und eine bestimmte Farbe bekommen. Wie bist du da vorgegangen?

J: Ja, mir hat’s sehr viel Spaß gemacht, das Charakterdesign zu machen. Es gibt Referenzen, die man nicht unbedingt sieht. Ich habe auch Filme geschaut, um den Vibe zu bekommen. Also, die Vera ist an Nena, die deutsche Sängerin, angelehnt. Sie ist grün, weil ihre Haare grün sind. (lacht) Harry hat diese rote Elektrikerlatzhose, da war klar, Harry ist rot. Es passt auch zu seiner extrovertierten Persönlichkeit. Pauline, die Brandstifterin, ist gelb wegen Flamme und Feuer. Cäcilia ist pink. Für sie war Princess Diana Vorbild. Vor allem wie sie sich anzieht und so. Frieder ist blau und vom Aussehen von der Figur Johannes in dem 1992 Sönke Wortmann Film "Kleine Haie“ inspiriert, den Kai Wiesinger spielt. Seine Griechenlandliebe und sein Vorbild Alexis-Sorbas bringen ihn ja sogar dazu, sein Zimmer Blau zu streichen. Höppner ist eine deutsche Version von Anthony Michael Halls Charakter „Brian the Brain“ aus „Breakfast Club“.

Höppner ist lila, weil Lila Blau in sich trägt und da seine Verbundenheit zu Frieder drin ist.

B: :‘(

Inspirationsquellen

J: Ich liebe Filme schauen. Filme, wo Leute rumgehen und reden und bisschen planlos im Leben sind. Ich bin auch viel auf Tumblr unterwegs und folge da Kunst- und Filmblogs. Alte Fotoalben finde ich auch inspirierend.

B: Wegen der Nostalgie?

J: Ja, aber auch so ein Blick auf ein fremdes Leben, von Momenten, wo man das Vorher und Nachher nicht weiß und es sich nur denken kann, was auch in meiner Malerei wichtig ist.

B: In deiner Malerei verwendest du oft eine spezielle Airbrush-Technik. Warum genau diese?

J: Weil mich diese Schärfe und Unschärfe interessiert und mit der Bildfläche zu spielen, was sich dadurch ergibt, wenn man den Hintergrund scharf malt und der Vordergrund blurry wird oder andersrum.

Janne Marie Dauer /// Maja Vasic (c)

Erinnerungen sind für mich auch so was Verschwommenes oder wenn man starke Gefühle empfindet, finde ich verschwimmt es auch so.