Wenn dir das Leben Holz schenkt, baue ein Regal
Was so alles passiert, wenn man das Internet um Hilfe fragt! Eine Inszenierung über merkwürdige Wirklichkeiten und ein simples Regal, das zur Problemstellung wird: Heimliche Idioten im Kosmos Theater.
Wenn mitten im Raum auf einmal ein fünf Meter hohes Regal stehen würde, dann gäbe es wohl kaum eine Person, die nicht verwundert wäre. Wie kam es hinein? Wer hat es geliefert? Warum ist es so viel größer als auf dem Foto, als ich es bestellt habe? Dabei sollte ein Regal doch eigentlich hilfreich sein. Keine Fragen aufwerfen, sondern Fragen beantworten. Wohin räume ich meine Bücher, über die ich nachts auf dem Weg in die Küche immer drüber stolpere? – In das besagte Regal…
Erinnerungen sind keine Videoaufnahmen
Mit genau diesem Problem müssen sich die drei Figuren (Johanna Sophia Baader, Gesa Geue und Samuel Simon) in Milena Michaleks und Sahba Sahebis Inszenierung „Heimliche Idioten“ herumschlagen und finden sich hierbei in einer endlos wirkenden Schleife aus Produktrezensionen und Online-Kommentaren wieder. Denn wie es nun einmal so ist, kaum fragt man das Internet nach Rat, meint jeder seinen Senf dazu geben zu müssen. Auch wenn man vielleicht gar nicht zur Lösung des Problems beitragen kann. Und so kann es auch passieren, dass das eigentliche Problem, das fünf Meter hohe Bücherregal, auf einmal nicht mehr im Mittelpunkt steht, sondern stattdessen die Frage, wie viele Bücher man noch sammeln würde, wenn man 1 Mio. Euro und 60 Jahre zu leben hätte. Dadurch werden im Laufe des Theaterabends Fragen aufgeworfen, die nicht nur das Regal im Raum betreffen, sondern irgendwann zur philosophischen Feststellung gelangen, dass Erinnerungen keine Videoaufnahmen seien.
Unabsichtlich poetisch
Als Zuseher*in ist es teils schwer dem Geschehen auf der Bühne zu folgen. Dies liegt weniger an einer überaus komplexen Handlung, sondern eher an den Dialogen zwischen den Figuren. Man versteht sie zwar einwandfrei, allerdings tragen sie nicht unbedingt zur Entwicklung der Handlung bei. Dieser Umstand lässt sich gut ignorieren, da sich das Stück offenbar selbst nicht vornimmt eine solche zu schaffen. Auf eine klare Narration, der das Publikum folgen kann, ist „Heimliche Idioten“ auch nicht sonderlich angewiesen, da in den 60 Minuten Laufzeit trotzdem genug passiert, sodass man sich auch ohne Handlung wunderbar unterhalten fühlt.
Inspirieren ließen sich Milena Michalek und Sahba Sahebi von Internetforen, Spammails und Kundenrezensionen. Eben jene unabsichtlich poetischen Texte, die sonst unbeachtet durch die Weiten des Internets schweben. Ihnen schenken sie Aufmerksamkeit und heben sie auf die Bühne des Kosmos Theaters. Dabei geht es weniger um den Inhalt dieser Texte, sondern mehr um die Aussagen, die über das Dasein als Kund*innen in unserer kapitalistischen Gesellschaft mehr verraten, als man anfänglich ahnt. Denn was tut man oft, wenn man überfordert ist mit einer Situation und nicht weiterweiß? Man wendet sich ans Internet.