Bohema Magazin Wien

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Fragil und verletzbar - Wer bin ich wenn nicht ein Macho?

Reise hinter die bröckelnde Fassade des modernen Machos mit dem Aktionstheater Ensemble Wien.

Foto: Stefan Hauer

Herzlich über die Unfähigkeit mancher Männer lachen ist in Die wunderbare Zerstörung des Mannes definitiv erlaubt, sogar gewollt. In dem Stück begegnen uns 6 verschiedene Macho-Typen, die dann mit viel Freude dekonstruiert werden. Begriffe wie „Neo-Patriachat“ bilden den Grundpfeiler für Martin Grubers Theaterstück. Der Mann, der nicht mehr das Privileg hat „Allein-Herrscher“ zu sein, sieht sich nun tagtäglich mit neuen Herausforderungen konfrontiert, die ihn sichtlich aus der Fassung bringen: „Ich kann das nicht lenken. Ich bin sozusagen meinem Schwanz total ausgeliefert!“ – sagt einer der Darsteller. Umhergerissen zwischen Selbst- und Fremdbild, versuchen die Protagonisten ihre Positionen als Mann neu zu entdecken. Dieser innere und äußere Kampf nach dem neuen Ich wird im Stück auf die Spitze getrieben: Sowohl durch das Spiel, den Dialog, als auch durch wiederkehrende choreografische Elemente.

Mit Inbrunst und ganz eigenem Charakter verarbeitet jeder der 6 Darsteller seine Probleme. Nicht nur die Frage nach dem „Wer bin ich eigentlich?“ findet in der Inszenierung Anklang. Auch Bindungsängste, misslungene Mutter-Sohn-Beziehungen, Konkurrenzkämpfe untereinander, neue Vaterrollen und verändernde Geschlechterbilder werden hier behandelt. Die Schauspieler Andreas und Sascha Jähnert, Thomas Kolle, Peter Pertusini, Fabian Schiffkorn und Benjamin Vanyek zeigen die verletzliche Seite des Mannes. Durch Kreise, die mit Kreide um die anderen auf den Boden gemalt werden, wird der Kampf um die Stellung in der Gesellschaft visualisiert. So scheint es, als ob die Darsteller kurzzeitig ihre Position finden – um sie dann doch wieder zu verlieren und aus dem Kreis herauszutreten.

Mit der Welt, dem Gegenüber und sich selbst nicht im Reinen

Dass sich alle Beteiligten sichtlich unwohl miteinander fühlen, wird nicht nur durch das eigene Spiel, sondern vor allem im Miteinander deutlich. Anfangs bestärken sie sich gegenseitig in ihrem Handeln. Es zeigt sich jedoch nach und nach klarer, dass sie den Anderen doch auch verachten. Und vielleicht auch hoffen, der Andere sei noch schlimmer und hätte mehr Probleme, als man selbst. So wiederholt einer der Schauspieler am Ende des Stücks die Aussage „riesig wird das!“ – immer lauter werdend – um eine Reaktion zu erzeugen. Doch keiner hat mehr Muse zu antworten oder ihn durch das eigene Drama zu unterbrechen.

Klug inszeniert ist das Stück nicht nur auf inhaltlicher Ebene. Martin Gruber setzt Formationen geschickt ein. Die Darsteller stehen oft nebeneinander – sehen einander aber nicht gerne an. Der Zuschauer merkt, wie unwohl sie sich neben dem Anderen fühlen. In den choreografischen Elementen finden sie zwar kurzzeitig den Bezug zueinander, am Ende sind sie aber doch ganz allein. Die Bewegungen sind banal, wirken mechanisch, und defensiv. Sie wollen sich von dem anderen distanzieren, obwohl doch alle dasselbe machen. Die Bewegungen strengen an, obwohl sie nicht schwer zu sein scheinen. Ihr Körper treibt sie an und es sieht so aus, als ob sie sich nicht dagegen wehren können.

Die Spannung lädt sich zunehmend auf. Die Darsteller schreien, spucken, schwitzen, ihre Choreografie wird dynamischer und platzeinnehmender. Sie provozieren, sie beschimpfen sich und mobben einen in ihrer Runde. Das wiederkehrende „Hundebellen“ auf einer der Leinwände wirkt bedrohlich und verfremdend. Kurios sind auch die wenigen Gegenstände, die zum Einsatz kommen. Für die meisten Zuschauer wohl ein ungewohntes Bild, wenn die in weiß gekleideten Männer mit Cheerleader-Pompons in der Hand den Hintern des anderen versohlen…

Zunehmend kommt es weniger darauf an, was die Darsteller erzählen. Die Aufmerksamkeit des Zuschauers wird immer mehr auf das reine Geschehen gelenkt. Das Verhalten der Darsteller wird absurder und schwerer begreifbar. Es scheint fast so, als ob die Männer ekstatisch aus dem Geschehen herausbrechen und erst ganz am Ende in einer gemeinsamen Choreografie erneut zu Sinnen kommen.