Ines Maria Winklhofer, wie wird man Schauspielerin?

Wie geht Schauspielen? Was lernt man überhaupt an einer Schauspielschule? Bohema fragt Ines Maria Winklhofer nach ihrem Alltag am Max Reinhardt Seminar in Wien.

Ines Maria Winklhofer ist 23 Jahre jung und studiert Schauspiel am renommierten Max Reinhardt Seminar in Wien. In ein paar Tagen öffnen die Theater wieder ihre Tore, heute ist noch Lockdown. Im Zoom-Interview gibt die gebürtige Bayerin eine Woche nach ihrer internen Premiere von der thermale widerstand von Ferdinand Schmalz am MRS. Einblicke in ihr Schauspielstudium und äußert sich zur Frage, ob politisches Theater heute noch schockieren kann.

Ines Maria Winklhofer und Simon Löcker in der aktuellen Inszenierung am Max Reinhardt Seminar /// (c) Lucas Süssenbach

B: War es immer schon dein Traumberuf, Schauspielerin zu werden?

IMW: Jein, also ich hatte wie ich kleiner war ganz viele unterschiedliche, schräge Berufswünsche. Ich wollte mal Zahnärztin, mal Archäologin, mal Journalistin werden. Ich wollte mal ein eigenes Reisebüro haben. Ich bin aber dann mit 7 oder 8 ins Schultheater gekommen und so mit 15, 16 war mir schon klar: Okay, eigentlich will ich das machen. Nach dem Abitur wollte ich es ausprobieren, weil ich nie so ein „was wäre wenn“ haben wollte.

B: Also eine Persönlichkeit, die dazu tendiert, immer alles auszuprobieren?

IMW: Eher in der Richtung, was mich interessiert. Wenn ich mir dachte, ich hab da Bock drauf, dann hab ich schon immer versucht, es auszuprobieren, weil ich nicht wusste, was da auf mich zukommt.

B: Künstlerische Herausforderungen also.

IMW: Bisschen, ja.

B: Wie eignet man sich das schauspielerische Handwerk an?

IMW: Das frag’ ich mich auch jeden Tag. Schauspiel ist ja schon zu einem großen Teil wirklich ein Handwerk, das man erlernen kann, wenn man versucht für sich selbst eine Rolle zu schaffen. Es gibt aber auch immer Momente im Theater, die aufblühen und die so gegenwärtig und so großartig sind. Da frag ich mich auch, wie das möglich ist. Für mich ist Schauspiel immer eine wahnsinnige Aufmerksamkeit im Moment und ich glaube da muss das Verlangen danach da sein.

(c) Sebastian Kranner, Ines Maria Winklhofer

B: Wie wird Schauspiel konkret am Max Reinhardt Seminar gelehrt?

IMW: Was am Seminar, glaube ich, anders ist, als an anderen Schulen, ist, dass wir das ganze erste Jahr die Grundlagen, sprich das Handwerk, erlernen. In anderen Schulen ist es nur ein Semester. Wie baue ich eine Szene? Was ist eine Entdeckung? Was ist eine Entscheidung? Wie spiele ich das? Was gibt es für Fremdanteile in einer Figur? Es wird also sehr viel in einen Werkzeugkasten reingepackt. Danach hat man Rollenunterricht und da ist es dann das Anwenden der Werkzeuge. Immer noch im geschützten Rahmen des Unterrichts, aber dann mit Tricks von Dozent*innen, Schauspieler*innen, die bei uns lehren.

B: Wie lernst du Texte?

IMW: Ich lerne viel übers Hören. Wenn ich einen Monolog habe, dann nehm’ ich mir meinen Text auf und versuche einfach ihn zu hören und mitzusprechen. Wenn es ein Dialog ist, dann nehm’ ich mir die andere Seite auf, damit ich dazwischen sprechen kann. Es ist sehr unterschiedlich wie schnell sowas geht.

B: Hast du schauspielerische Vorbilder?

IMW: Ich hatte nie ein konkretes Vorbild. Mich faszinieren eher Leute, mit denen ich direkt arbeite, weil ich denen dann einfach in die Augen schauen kann und mir denke: Wie machen die das? Was passiert da zwischen den Ohren, dass es so rauskommt! Wenn ich die Leute kenne, faszinieren sie mich besonders.

(c) Sebastian Kranner, Ines Maria Winklhofer

B: Reden wir vom politischen Aspekt am Theater. In der Theorie hat Theater immer die Macht, etwas gesellschaftspolitisch zu verändern. Die Skandaltendenz ist aber gesunken. Die Aufführung von Heldenplatz vor über 30 Jahren hat unser ganzes Land dazu bewogen, sich mit der größten Lüge der österreichischen Geschichte auseinanderzusetzen. Heutzutage wirkt es so, als wäre jedes Stück politisch und es ist allen wurscht. Gibt es keine Themen mehr, durch die man die Gesellschaft aufrütteln kann?

IMW: Ich finde diese Frage wahnsinnig spannend, weil wir auch am Probenbeginn vom thermalen widerstand (Regie: Ira Süssenbach) viel darüber gesprochen haben, weil es da auch um Machtstrukturen, Korruption und Revolution geht. Einerseits sicherlich, weil einfach schon so viel gemacht wurde. Das Theater ist ein offener Begriff, alles ist möglich und scheinbar schockiert nichts mehr. Ich glaube, um Menschen wirklich erreichen zu können, muss man sie emotional berühren. Man muss die Figur ernst nehmen und nicht nur eine Metapher spielen. Deswegen haben klassische Stücke heutzutage auch immer noch eine Relevanz, weil größere, zeitlose Themen drinnen sind. Das schlimmste ist, wenn dir ein Stück egal ist.

B: Magst du es mehr, wenn dir die Regie etwas genau vorgibt oder möchtest du unter gewissen Anstößen selber eine Rolle kreieren?

IMW: Es muss ein Gleichgewicht sein. Ich bin immer nur in meiner Position und weiß nicht, wie es von außen wirkt, es muss mir daher eine Außenperspektive gespiegelt werden. Es muss ein gegenseitiges Vertrauen da sein und ein Zuspruch, dass man gemeinsam ans Ziel kommt. Von mir als Schauspielerin kommt ja auch was, sonst wäre ich ja austauschbar.

B: Was spielst du am liebsten? Tragödien oder Komödien?

IMW: Stücke, wo beides vorkommt, sind die große Kunst. Zuerst lädt man Leute zum Lachen ein und plötzlich kommt ein Schlag ins Gesicht. Es ist aber ein schönes Gefühl, Leute zum Lachen zu bringen.

(c) Sebastian Kranner, Ines Maria Winklhofer

B: Inwieweit, glaubst du, ist Kunst immer autobiografisch?

IMW: Es ist zu einem Teil immer etwas von uns selbst dabei. Es liegen ja in der Werkwahl schon Interessen drinnen. Alleine, dass meine Stimme, mein Körper, mein Äußeres schon so da sind, hat ja auch was damit zu tun.

B: Findest du, das Publikum ist überaltert?

IMW: Ich denke es gäbe schon Möglichkeiten noch jüngeres Publikum zu motivieren hinzugehen.

B: Die wären?

IMW: Ich habe gehört, dass in Hannover als zusätzliche Verkaufsmöglichkeit der Kartenverkauf auch in einem türkischen Supermarkt stattgefunden hat und dass dadurch neues Publikum gewonnen wurde.

B: Was kann Theater für dich, was andere Künste nicht können?

IMW: Es ist die zeitgleiche Anwesenheit in einem Raum von allen Beteiligten.

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