The Philosophy of Modern Song

Literaturnobelpreisträger Bob Dylan hat es tatsächlich getan: ein Buch geschrieben.

Bob Dylan auf Käfer /// Roel Wijnants via flickr (c)

Seit nun sechs Jahrzehnten prägt der Singer-Songwriter Bob Dylan die amerikanische Musiklandschaft. Angefangen von Folk-Balladen und Protesthymnen an der Seite von Martin Luther King, über frühen Rock, Country und Blues, schaffte er es sich über all die Jahre hinweg sich immer wieder neu zu erfinden. Eventuell weniger bekannt sind seine Versuche in der Malerei, Bildhauerei, dem Schauspiel, Whiskeybrennen oder eben der Literatur. Mit The Philosophy of Modern Song legt er nun sein erstes Buch seit seiner quasi-Autobiographie Chronicles: Volume 1 (2004) und der Verleihung des Literaturnobelpreises 2016 vor.

Dreams, Themes and Schemes

Dylan macht nicht nur Musik, er hegt auch eine besondere Faszination seinen Vorgänger*innen und Mitstreiter*innen gegenüber. Dass es ihm die alten Schlager und Popsongs angetan haben, sollte denen, die sich mehr mit seiner Musik befassen, bereits aufgefallen sein. Von seinen frühen Woody Guthrie Covern angefangen, veröffentlichte er in den letzten Jahren allein drei Alben mit über 50 Covern von amerikanischen Songs der 20er bis 60er. Zehn Jahre lang probierte er sich sogar als Disk-Jockey in der Theme Time Radio Hour.

 

Und im Grunde ist dieses Buch gewissermaßen eine spirituelle Fortsetzung dessen. In über 60 Texten plaudert er über Inhalt und Stimmung der Lieder und erzählt Anekdoten aus dem Leben der Musiker (von 66 Liedern sind allerdings nur vier Musikerinnen vertreten). Darunter viele bekannte Gesichter wie Elvis Presley, Willie Nelson, Cher oder The Clash. Ab und zu kommt er nicht drum herum, sogar sich selbst zu loben. So attestiert er Elvis Castello eine gewisse Einwirkung des Subterranean Homesick Blues.

„It’s what a song makes you feel about your own life that’s important“

Es ist also in keinster Weise ein akademisches Buch, dass man getrost als seriöse Quelle heranziehen könnte. Meistens teilt sich jedes Kapitel in zwei Abschnitte: im ersten versucht Dylan die Stimmung des Lieds zu vermitteln, meist aus Sicht der zweiten Person erzählt, wandert „you“ durch ein tristes bis phantastisches – aber vor allem zeitloses – Amerika. Im zweiten Abschnitt wird meist über einen Schwenk aus dem Leben des Musikers erzählt, die Beobachtungen variieren hier von poetisch bis banal. Dylan entpuppt sich hier jedenfalls als heimlicher Nerd. Die Faszination über die Musik und damit verbundene Kultur der amerikanischen Singer-Songwriter*innen ist auf jeder Seite deutlich ersichtlich. Wobei auch einzelne Musiker*innen aus anderen Nationen und Sprachen zu Wort kommen. Meistens konzentrieren sich die Texte auf Lieder der 1920er bis 1980er Jahre, vereinzelt wird aber selbst das 21. Jahrhundert angeschnitten. Snoop Dog bekommt zwar kein eigenes Kapitel, wird aber zumindest erwähnt. TikTok detto.

Während das Cover eher nach einem Buch aussieht, das einem ein entfernter Verwandter zum Geburtstag schenkt, der sich annähernd daran erinnern kann, dass man sich irgendwie für das Thema interessiert, präsentiert sich das Innere dagegen sehr schön. Jede Seite bunt verziert lauern zwischen den Kapiteln auch immer wieder Fotografien, Liedtexte und Filmposter. Das erinnert noch einmal stärker an seine Radioshow, referenzierte er darin auch immer wieder Filme entweder direkt oder durch Tonzuspielungen.

Hey, Mr. Tambourine Man, play a song for me

Wie gesagt ist es kein Buch zur wissenschaftlichen Lektüre. Es ist nicht mal ein Buch, das man am Stück liest. Man kann es mit einer gemütlichen Bar vergleichen. Mit einem Glas Whiskey in der Hand schreitet man zur alten Wurlitzer hinüber. Man sucht sich eine Scheibe aus, auf die man gerade Lust hat, wirft eine Münze ein, und taucht für einen kurzen Moment bewusst in die Welt des Songs ein. So schreitet man zuhause zum Bücherregal und schlägt das Buch auf einer zufälligen Seite auf. Man sucht sich das entsprechende Lied aus, lauscht und schmökert dabei. Vielleicht tut man das noch ein- zweimal. Dann stellt man das Buch wieder an seinen Platz, und kehrt am nächsten Tag wieder zurück, zur Wurlitzer.

Sollte gerade keine Jukebox zur Hand sein, sei hier mit dieser Spotify-Playlist Abhilfe geleistet.

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