“Wer hat Angst vorm steifen Schwanz?”
Gib mir ein F vom FTZN-Kollektiv im Kosmos Theater: Über die Stimmen im Kopf, die ständig dazwischenstehen.
Der Einlass beginnt und das Publikum betritt nicht nur den Saal, sondern gleichzeitig auch ein schwarzes Loch. Das schwarze Loch des Feminismus, könnten böse Zungen jetzt sagen. Auf der Bühne sind nur die drei Schauspielerinnen Benita Martins, Hannah Rang und Runa Schymanski auf Sesseln zu sehen, der restliche Raum ist schwarz und dunkel.
Das Stück des FTZN-Kollektivs beginnt mit einem Chor, den ich technisch selten so gut erlebt habe. Dynamisch, gemeinsam und trotzdem jede für sich. In ihren Sätzen wird die internalisierte Misogynie in den drei Frauenfiguren so treffend und damit komisch und verletzend zugleich gezeigt. Denn das, was ich an mir selbst nicht gut finde, dafür werde ich auch andere verurteilen. Die ist fett, die ist hässlich und ich mach sie dafür fertig. Den ganzen Abend über steht die Frage im Raum, was es braucht, um eine gute Feministin zu sein und ob man die überhaupt sein kann, mit der ganzen „Kackscheiße“ die auch diese drei Frauen in ihren Köpfen haben. Denn wer zeigt eigentlich mit dem Finger auf wen? Jede auf jede.
„Und wenn er aber kommt?"
Der collagenhafte Abend besteht aus unterschiedlichen Geschichten und Figuren, die die Darstellerinnen entweder selbst erlebt haben oder Stories, die sie von anderen Frauen erzählt bekamen. Dabei bilden Martins, Rang und Schymanski eine eigenartige weibliche Trinität, die sich teilweise gegenseitig deckt und dann wieder komplett neue Themen anspricht oder eine jeweils andere kritisiert. Denn Feministin sein und BDSM gut finden? Geht gar nicht. Wie drei Versionen eines Ichs, das keineswegs einen Anspruch auf Allgemeingültigkeit hat, aber das die Tabus und die ganzen kleinen Geschichten, die jede (junge) Frau kennt, ins Licht stellt oder wie hier in ein Mikrofon spricht.
Denn die sehr persönlichen Geschichten, die die drei Schauspielerinnen vor dem Mikrofon mit Loopstation erzählen, sind jeden Abend improvisiert. Anders würde die Vorstellung nicht funktionieren, weil es dann nicht mehr stimmen würde, heißt es im Gespräch danach. Denn es sollen vor diesem Mikrofon Geschichten erzählt werden, die im Gegensatz zum Rest des Stückes weniger gespielt werden. Der Abend sollte fluide bleiben und nicht komplett unter der Kontrolle der Schauspielerinnen sein, indem diese Texte nicht feststehen.
„Dann kommen wir wahrscheinlich nicht!“
Es geht auf der Bühne um Body Issues, den Kampf mit sich selbst und das Ringen um Akzeptanz des eigenes Körpers. Aber auch um Einflüsse von außen. Von Männern, anderen Frauen und der Mutter. „Meine Mutter sagt immer: Kind!…“ So beginnt eine der Schauspielerinnen jedes Mal, wenn sie einen goldenen Ballon mit einem der fünf Buchstaben des Wortes FOTZE hereinträgt. Die Gegenüberstellung der mütterlichen Ratschläge, die immer noch in vielen Köpfen (nicht nur auf der Bühne, sondern sicher auch im Publikum) feststecken mit dem Wort Fotze, das am Ende des Abends in großen goldenen Lettern auf der Bühne prangt, ist schon krass, weil das sollten wir Frauen ja nicht sagen/tun/denken/anziehen. Oder?
Fritzi Wartenberg, die Regisseurin des Abends und Mitgründerin des FTZN-Kollektivs beschreibt im Publikumsgespräch danach, dass sie eine Umkodierung des Wortes vornehmen wollten. Die Angst, die Frustration, das Tabu darum muss weg. Vor zwei Jahren, so Wartenberg, hätte sie sich auch nicht getraut auf einer Bühne zu sitzen und das Wort so zu zeigen und zu sagen. Denn im Endeffekt geht es ihnen nicht um Lösungen oder den Angriff auf andere. Es sollen die unterschiedlichen Perspektiven und Dynamiken zwischen Frauen (und Männern) gezeigt werden, um sie endlich mal zu zeigen und damit klarzumachen, dass ich und du nicht alleine damit sind.
Eine lohnende Seelendusche
Ja, am Ende sagen sie, dass sie es, obwohl sie vier kluge junge Frauen seien, ja auch nicht besser wissen. Aber die Geschichten sind erzählenswert und es darf auch herzlich darüber gelacht werden, denn nur so kann sich einem Thema angenähert werden. Das Projekt war für sie, so sagen sie, eine Seelendusche und für mich im Publikum auch. Denn neben diesen so called „Frauenthemen“ wurde ein energievoller, virtuoser und spannender Theaterabend gezeigt - auch wenn ich persönlich keine große Anhängerin von Collagen-Inszenierungen bin.
Aber trotz oder gerade wegen der Fragmentierung der Erzählung entstand ein runder Abend, der gezeigt hat, dass diese vier jungen Theatermacherinnen viel von sich und ihrer Kunst darin investiert haben. Ich selbst habe mich in manchen Momenten wiederentdeckt, in anderen habe ich durch eine andere weibliche Perspektive etwas gelernt - ich wurde vom FTZN-Kollektiv abgeholt. Kindheitsbilder und Fragen an die Zukunft wurden für mich und das Publikum in den Raum gestellt, ohne jemanden schuldig sprechen zu wollen oder die Antworten in uns zu suchen.