Hinter geschlossenen Türen…

…bleibt es kreativ. Künstler*innen erzählen, wie sie es erleben, während der Pandemie künstlerisch zu arbeiten. Mit Florine Imo, Hannah Neckel und Anna Breit.

Wer sonst wäre kreativ genug, Wege durch die Pandemie zu finden, wenn nicht Künstler*innen. Wir haben bei Florine Imo, Hannah Neckel und Fotografin Anna Breit ganz lieb und frech nachgefragt.

Bohema: Eine Einstiegsfrage: Wie würdest Du Deine Kunst beschreiben?

Anna Breit: Leicht zugänglich.

Florine Imo: Meine Gemälde drehen sich hauptsächlich um meine Figuren, welche ich einerseits als Teil von mir selbst sehe, sowie auch als Schauspielerinnen, welche verschiedene Lebenssituationen aufführen. Ich arbeite auf Leinwand als auch auf Papier und das hauptsächlich mit Pastellkreide, Acryl- und Ölfarbe. Meine Bilder pendeln zwischen euphorischen Partyszenen, spielerisch-stereotypischen, ironischen Darstellungen von Frauen, sowie zum Beispiel geheimen Meetings, die die Betrachterinnen gerade ohne Einladung unterbrochen haben.

Hannah Neckel: In meiner künstlerischen Praxis beschäftige ich mich mit dem Spannungsmoment zwischen digitaler und physischer Realität und den Momenten, in denen die beiden das Potenzial haben, zu verschmelzen und näher aneinander zu gleiten. Das Internet wird seit seinem Anfang als utopischer Ort verstanden, für Community, Selbstausdruck, Austausch und globale Verbindung. Diese Qualitäten werden vor allem oft von marginalisierten Gruppen genutzt, um Sichtbarkeit und einen Safe Space zu schaffen. In meinen Arbeiten nutze ich daher Ästhetiken, die ihren Ursprung in dezentralisierten Online-Communities haben, und gebe denen durch die Übersetzung ins Physische Sichtbarkeit (…).

Bohema: Wie erlebst Du das Arbeiten während der Pandemie und im Lockdown im Vergleich zu Zeiten vor Corona?

Florine Imo: Obwohl ich gezwungenermaßen wegen der Pandemie oft den Arbeitsplatz wechseln musste, konnte ich mich meistens während der Lockdowns total aufs Malen fokussieren. Ich habe die Zeit genutzt, mich mit wichtigen Fragen auseinanderzusetzen, technische Experimente zu machen und meine Figuren und deren Charaktere weiterzuentwickeln (…).

Anna Breit (c)

Anna Breit: Der erste Lockdown war schon eine Umstellung für mich. Alle Shootings und Ausstellungen wurden abgesagt oder verschoben. Das hat sich aber zum Glück recht bald wieder gelegt. Zumindest Shootings fanden schnell wieder statt. Ausstellungen werden immer noch je nach Lockdown verschoben, aber an das habe ich mich mittlerweile (leider) schon gewöhnt.

Hannah Neckel: Da meine Praxis zwischen digital und physisch ansetzt und die Medien, mit denen ich arbeite, ebenfalls in diesem Spektrum verteilt sind, war es trotz Lockdown für mich oft möglich, zum Beispiel meine digitalen Arbeiten in virtuellen Onlineausstellungen zu zeigen. Das war ein großes Glück für mich und ich bin sehr dankbar, dass ich die Möglichkeit hatte, meine Arbeiten trotzdem nach außen zu tragen. Trotzdem fehlt oft der persönliche Austausch durch das Ausbleiben von Vernissagen usw., was natürlich ein extrem wichtiger Teil der künstlerischen Praxis ist. 

Bohema: Haben sich Deine Art zu arbeiten und Deine Kunst zu präsentieren während der Pandemie verändert/gewandelt?

Florine Imo: Da ich gerade in den Ateliers der Akademie der bildenden Künste arbeite, muss ich aufgrund des Lockdowns um 20 Uhr das Gebäude verlassen. Vor der Pandemie war ich eine Nachteule und musste mich deswegen umstellen. Seit der Pandemie bin ich auch mehr auf sozialen Medien aktiv, teile meine Bilder auf Instagram und komme so mit Leuten ins Gespräch.

Anna Breit: Einmal, ganz am Anfang der Pandemie, habe ich ausnahmsweise digital fotografiert, weil die Fotolabore zu hatten. Ansonsten eigentlich nicht.

Hannah Neckel (c)

Hannah Neckel: Tatsächlich hat sich für mich ansonsten nicht viel geändert. Außer den offensichtlichen Problemen derzeit, die wir alle im Kunstbereich kennen, wie z.B. keine Planbarkeit, alles muss extrem flexibel/schnell passieren oder auch schnell wieder abgesagt, verschoben oder last minute gemacht werden. Ich zeigte vorher wie auch jetzt digitale und physische Arbeiten und musste deshalb meine Praxis zum Glück kaum anpassen. Trotzdem empfinde ich den sich jetzt schon mehrjährig wiederholenden Zyklus sehr anstrengend, bei welchem im Winter alles abgesagt und nur online ist, während im Sommer das Kontrastprogramm mit super vielen spontanen Projekten und dadurch Arbeiten bis zum Near Burn Out Overkill Mode herrscht. Aber anscheinend geht es nicht anders, und ich bin froh, dass überhaupt so viel passiert und sich die Leute nicht unterkriegen lassen. 

Bohema: Hast Du den Eindruck, dass sich die Wiener Kunstszene gut schlägt und gute Wege gefunden hat, durch die Pandemie zu kommen?

Florine Imo: Ich denke für uns Künstler*innen sind die Lockdowns zwar herausfordernd, jedoch vielleicht weniger erschütternd als für die Galerien, Veranstalter, Kuratorinnen etc. Wenn Galerien und Showrooms schließen müssen, können wir zumindest noch weiter an unseren Kunstwerken arbeiten. Ich musste aufgrund des Lockdowns leider auch eine geplante Ausstellung bis auf Weiteres verschieben. Ich denke, wir tun was wir können und wir bleiben alle in Kontakt, bis alles wieder aufmacht.

Anna Breit: Das kann ich nicht beurteilen. Ich weiß auch gar nicht, ob es die Aufgabe der Kunstszene ist, gute Wege zu finden.

Hannah Neckel: Auf mich wirkt es so, als würde es in Wien den Umständen entsprechend sehr gut laufen. Das Wichtigste ist ja, dass die Leute nicht aufgeben, weiter motiviert bleiben und coole Projekte starten. Und es passieren nach wie vor, in jedem Lockdown und dazwischen, so viel neue Ausstellungsformate, neue Kollektive etc. Ich finde es sehr schön mitzuerleben, wie motiviert alle Leute noch sind :^) 

Bohema: Nutzt Du Online-Plattformen und digitale Wege der Präsentation?

Anna Breit: Natürlich einerseits meine Website und Instagram. Ansonsten habe ich habe einmal bei einer Online Ausstellung mitgemacht, die Cassey Lesser für die Vogue Italia kuratiert hat.

Florine Imo (c)

Florine Imo: Ja, Instagram besonders. Ich bin eine große Befürworterin von Social Media, wenn es sich ums Kunstwerke-Posten handelt, so bin ich nämlich über die letzten zwei Jahre mit vielen Leuten aus der Kunstbranche ins Gespräch gekommen und habe Projekte geplant. Eines dieser Projekte, Lost the Plot, eine online Gruppenausstellung von Tchotchke Gallery und the Art Kollective, kann man bis zum 31.12. online anschauen.

Hannah Neckel: Meine gesamte Praxis entspringt meiner lebenslangen Internetnutzung. Es hat mich immer als Inspirationsquelle und Vernetzungstool geprägt. Deshalb ist es für mich ganz natürlich, meine Arbeiten, meinen Workflow, Research, Inspirationen usw. online zu teilen. Das Internet soll ja ein demokratisierendes Tool sein, um Informationen zu teilen. Deshalb ist es mir extrem wichtig, meinen Prozess offen zu zeigen, um anderen Leuten auch die Möglichkeit zu geben, neue Infos oder Skills zu lernen. Ich selbst habe so auch viel gelernt (…). Ohne diese Quellen hätte ich wahrscheinlich nie so gearbeitet, wie ich es heute mache. Deshalb teile ich z.B. alle meine Notizen öffentlich zugänglich auf meiner Website. Instagram ist natürlich trotzdem das wichtigste Tool, um seine Arbeiten einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren. Gerade als Flinta* Person finde ich es extrem wichtig, dass man jeden Weg, Sichtbarkeit zu schaffen, für sich und seine Arbeiten nutzt. Das Internet ist für uns gemacht, um gegen die Systeme der Realität vorzugehen und dieses Potenzial ungenutzt zu lassen ist in meinen Augen konterrevolutionär. 

Bohema: Gibt es schon Pläne und Projekte für Pandemie-freiere Zeiten, von denen Du uns erzählen kannst?

Florine Imo: Mich erwarten nächstes Jahr einige Ausstellungen im Ausland. Unter Anderem eine Solo Show in Beirut sowie Gruppenausstellungen in Australien, Tokio und hoffentlich nach dem Lockdown auch wieder in Österreich.

Anna Breit: Dazu müsste ich erstmal wissen, wann die Pandemie endet (…).

Hannah Neckel: Zurzeit planen wir mit dem artist led curatorial collective Room69 schon unser Programm für den kommenden Sommer. Wir haben uns im vergangenen Frühling gegründet und seither eine physische und zwei digitale Ausstellungen präsentiert, im Dezember stand unsere nächste physische in Wien an, die wir leider verschieben mussten. Aber im Frühling geht es weiter, und wir werden im Museumsquartier im Raum D für Digitale Kulturen eine Gruppenausstellung mit internationalen Künstlerinnen zeigen, die sich unter dem Titel experience near death experience mit Extremerfahrungen Online/Offline beschäftigt. Unter diesem Projekt erschien bereits eine online Ausstellung auf newart.city, die man sich ja anschauen kann, bis physische Ausstellungen wieder möglich sind.

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