Im Schwarzgoldrausch

Ratgeber für den gelungenen Vinylkauf in drei Lieblingsplattenläden - Stories, Tipps und Ideen.

Foto: Alexandra Timofeeva

Foto: Alexandra Timofeeva

Manche Läden bieten mehr als nur Waren, sie bieten ein Erlebnis. So ein Geschäft ist Record Shack in der Reinprechtsdorferstr. 60, im Fünften. Du betrittst den urigen Raum - ein einziges Gewölbe - und fühlst dich wie in einer Filmszene. Gründer Jörg steht meist selbst hinter der Theke und ist eine echte Koryphäe. Seit über 20 Jahren führt er den Laden, der davor ein Rentner-Knopfgeschäft und noch früher eine Kutscheneinfahrt war. Für seine Leidenschaft hat Jörg damals sein Architekturstudium aufgegeben, die nackten Akt-Damen im Zeichenunterricht waren eh nicht nach seinem Geschmack…

Jörg in seiner Schatzgrube, Foto: Alexandra Timofeeva

Jörg in seiner Schatzgrube, Foto: Alexandra Timofeeva

Nimm am besten genug Zeit mit, Jörg hat eine Menge gute Geschichten und teilt sie gern. Mein Highlight: wie er mal sein Auto verkaufte, um eine 5000-Pfund-Platte zu erwerben. Das Geld hätte er dann mit der Disc als DJ in Spanien und Italien locker zurückbekommen... Zuerst wird er dir Platten empfehlen, wahrscheinlich ein paar groovige Singles von seinem eigenen Record-Shack-Label. Unter dem Logo eines mit Koffer rennenden Mannes (entlehnt aus dem Film mit dem Schwarzen James Bond, The Lost Man 1969) presst Jörg vergessene Soul-Highlights, dessen Rechte er sich mühsam in den Staaten zusammensucht. Das Logo ist Programm, man muss diese Platten nehmen und mit ihnen schnell abhauen. Sie sind limitiert und superfunky.

Rock und ähnlich missratene Musikrichtungen für verirrte Seelen

Jörg drängt sich niemandem auf, also feel free, falls du nur etwas rumstöbern möchtest. Mittlerweile führt er neben Soul, Blues und Jazz auch Rock und ähnlich missratene Musikrichtungen. Seine Empfehlungen sind aber unbezahlbar, er schaffte es immerhin, dem damals noch amtierenden Heinz Fischer zu erklären, was es mit der Mother-Fucker Hip-Hop-Platte auf sich hat, die er im Regal fand.

Viel Ordnung und noch mehr Tradition bei Teuchtler, Foto: Alexandra Timofeeva

Viel Ordnung und noch mehr Tradition bei Teuchtler, Foto: Alexandra Timofeeva

Teuchtler ist Tradition. Seit 1948 ist der Laden ein Familienbetrieb, momentan gehört er zwei Enkeln des Gründers. Die nächste Generation wird schon eingearbeitet. Du läufst nur zwei Minuten von der Mariahilfer, schon erblickst du das ‚Alt & Neu‘-Schild mit der rot-blauen Platte in der Windmühlgasse 10. Drinnen erwartet dich ein kleines Vinyl-Paradies; komm am besten früh, dann hast du den ganzen Laden für dich. An pandemielosen Abenden kann ordentlich was los sein.

Auch im Teuchtler kann man viel Zeit verbringen, man muss das eigentlich sogar. Die Auswahl ist riesig und die Preise fair, sogar verhandelbar. Von Rock, Funk, Latin und Pop über Jazz bis hin zu alten Schellacks findest du hier alles. Ganz formidabel ist die Auswahl an klassischen Platten. Wenn du eine Tschaikowsky-Sinfonie unbedingt mit Mrawinsky und den Leningradern suchst (bis heute kaum übertroffen) oder statt ständig nur Karajan auch mal Abbado oder Bruno Walter möchtest; bei Teuchtler hast du gute Chancen, nicht nur das gewünschte Stück, sondern auch den bevorzugten Interpreten zu finden.

Verewigt im besten Liebesfilm der Filmgeschichte (fight me…)

Falls du dir nicht ganz sicher bist, die richtige Platte gefunden zu haben, kannst du sie gerne probehören. Leider nicht in der gemütlichen Kabine, in der sich die großartige Julie Delpy und Ethan Hawke in Before Sunrise so süß anschauen (hatte einen ordentlchen Crush auf sie damals…). Die wurde nämlich nur für den Film aufgebaut. Es gibt aber Planungen, sie mal wieder aufzubauen. Falls du Richard Linklaters genialen Kultfilm aus 1995 noch nicht gesehen hast, musst du das dringendst nachholen: wird dir wieder mal klarmachen, was für Glückspilze wir sind, in dieser geilen Stadt leben zu dürfen.

Gute Laune und volle Regale in Nikis Schallplattenoase. Foto: Alexandra Timofeeva

Gute Laune und volle Regale in Nikis Schallplattenoase. Foto: Alexandra Timofeeva

Nikis Plattenladen Wienyl ist eine der ganz wenigen Gründe, einmal in den 14. zu fahren. Niki gab vor zehn Jahren seine Karriere als Consulter auf, um mehr Zeit für seine Kinder zu haben und verkauft seitdem Platten, seit ein paar Jahren in einem ehemaligen Kindergarten in der Rottstraße 7. Das Gebäude erinnert von außen zwar an verwahrloste Gegenden meiner alten ungarischen Heimat, drinnen ist der Laden aber sehr gemütlich. Und vor allem: vollgepackt mit Platten, an die 80 000 Stück sollen es sein. Während die meisten Shops in der Innenstadt mit den großen Hits kaum hinterherkommen, sind die Regale bei Niki immer voll. Seien es die Stones, die Beatles oder Queen, hier findest du all die ganz großen Platten, die alle haben wollen.

Für staubresistente Plattenwachküsser*innen: Klassik-Sammlung im Dornröschenschlaf

Niki scheut sich vor keinem Genre, man findet bei ihm auch ausgefallene Sachen. Letztens fand ich bei ihm nach jahrelanger Suche ein Album meines heißgeliebten Lucio Battisti. Die Preise sind im vergleich zur hippen Innenstadtkonkurrenz moderat, zudem verhandelbar. Etwas Mengenrabatt bekommst du auch. Kurios: In einem verbarrikadierten Raum liegen tausende Klassik-Platten in einem Dornröschenschlaf und warten drauf, von dir wachgeküsst zu werden. Sag Niki ein-zwei Tage zuvor Bescheid (+43 650 560 4854), dann lässt er dich gerne rein. Ein kurzer Anruf lohnt sich sowieso, die Öffnungszeiten sind nämlich nicht regulär. Sie werden aber auf seiner Homepage monatlich verkündet.

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