„Keine Sorge, wir werden nie aufhören zu spielen“
Eine kratzige Stimme, die direkt ins Herz dringt - mein erstes Konzert nach langer Zeit mit Faber auf der Open-Air-Stage der Arena Wien.
12. August 2021. Es ist das erste Konzert für viele. Für einige das erste nach der Pandemie, für einige jemals. Das habe ich relativ schnell von der Gruppe links neben mir mitbekommen, die wirklich sehr aufgeregt war... Es ist ein hochsommerlicher Donnerstag in Wien und die Open Air Stage der Arena ist mit einem goldglänzenden Stoff im Hintergrund behängt. Irgendwie voll einladend, so ohne großartiges Logo oder ähnliches, sondern so nach dem Motto: „Hier soll die Musik im Vordergrund stehen“. Und das tut sie auch definitiv, aber dazu später mehr.
Es war schon ein etwas komisches Gefühl, nach so langer Zeit ohne diese Enge, diese vielen Menschen nebeneinander, jetzt hier in der dritten Reihe zu stehen. Umringt von Menschen. Komisch, aber definitiv gut. (Disclaimer: Das Hygienekonzept wurde sehr streng befolgt und die Tests der einzelnen Zuschauer*innen streng kontrolliert.)
Großartiger Cantautore als Vorband
19.40 Uhr: Um 19h hätte es schon losgehen sollen, das Publikum ist mittlerweile der Meinung, dass die Vorband wohl einfach ausfallen und sofort Faber mit seinem Goran Koc y Vokalist Orkestar auf die Bühne kommen wird. Und der Sänger kommt dann auch. In lässigem Hemd und kurzer Jogginghose. Aber nicht, um so sein 3000-Menschen-Konzert zu starten, sondern um seine Vorband bzw. seinen Vorsänger Maldestro aus Neapel vorzustellen und zu begrüßen. Der spielt auf dieser riesigen Bühne nur mit seiner Gitarre und seinem Bassisten und hat das Publikum mit seiner rauchig-tiefen Stimme und den einnehmenden Melodien sofort abgeholt. Also an alle, die Fernweh haben und sich auditiv nach Italien träumen wollen: Hört ihn euch an.
Ein theatraler und umso passenderer Beginn
Nach den sehr feinen italienischen Songs des Neapolitaners durften wir wieder warten. Irgendwann begann die Technik mit den letzten Einrichtungen für Faber und das Orkestar und die Menge wurde immer unruhiger. Es waren ja immerhin eineinhalb Jahre Verzicht in uns drin. Aber auf diesen Konzertbeginn lohnte es sich zu warten, denn die Ouverture aus Fabers 2019er Album I fucking love my life klang an diesem Sommerabend eher wie ein Opernbeginn als ein Popkonzert.
Mit Songs wie Highlight, Jung und Dumm und Das Leben sei nur eine Zahl eröffnete der 28-jährige Schweizer - der die Jogginghose gegen eine schicke Hemd-Hosen-Kombi getauscht hat - das Konzert in seiner Lieblingsstadt, wie er es selbst sagt. Und er wird von Wien auch herzlich empfangen. So herzlich, dass die fünf Männer, die da auf der Bühne stehen, teilweise richtig verlegen wirken und sich immer wieder für das Publikum und das Kommen an diesem Abend bedanken.
Die Live-Performance der Songs übertrifft die Platten, die ich sehr gerne höre, bei weitem. Diese Musiker leben und atmen Publikum und Auftritte. Denn mit welcher Energie und Freude dieses Konzert gespielt wird, war für mich vor Ort, aber auch am Tag danach einfach eine Inspiration, so kitschig das jetzt auch klingen mag.
Safe Space am Konzert?
Dass nach den ersten paar Songs von Faber eine klare Positionierung gegen Belästigungen von und Übergriffen an Besucherinnen kam, hat der Begeisterung im Publikum auch keinen Abbruch getan. Im Gegenteil: Ich hatte das Gefühl, als Frau mit den Ängsten, die halt doch immer da sind in solchen Momenten, gesehen zu werden. Klar, das Problem wird dadurch nicht kleiner oder gar verschwinden, aber es wurde immerhin ganz klar von den Künstlern abgelehnt.
Aber zurück zur Musik: Neben Songs aus I fucking love my life und Sei ein Faber im Wind waren meine Highlights definitiv Caruso als Hommage an seinen Kumpel aus Neapel (und sowieso eines der schönsten Lieder auf dieser Welt) und Spiegelbild - im Original von Sophie Hunger, mit der Faber zusammen mit Dino Brandão das Mundart-Album Ich liebe dich aufgenommen hat.
Fabers kratzige, fast brechende Stimme verleiht v. a. den langsameren Songs oder denen, die aus einem schmerzenden Herzen heraus geschrieben scheinen, einen Hymnencharakter, der danach schreit, sie mitzusingen. Gleichzeitig wollte ich nie zu laut mitsingen, weil ich seine Stimme und die großartige Band nicht mit meinem Krakeelen übertönen wollte. Das Posaunensolo, das gegen Ende gespielt wurde, werde ich sicher auch nicht so schnell vergessen.
Es war ein Konzert, bei dem wirklich alles dabei war: ein Geburtstagsständchen, zwei tanzende Fans auf der Bühne, Herzschmerz, Zynismus und Spaß in den Liedern. Mit jedem Knicks, den der Sänger nach einem gespielten Song gemacht hat, hat das Publikum ihn noch mehr ins Herz geschlossen und umso lauter und länger waren die Zugabe-Rufe. Seine Reaktion darauf: