Max Hammel, wie geht Videokunst im Theater?

Das neue Volkstheater ist mit einer eigenen Videoabteilung Vorreiter was Videokunst im Theater angeht. Bohema fragt bei Max Hammel, Leiter der Videoabteilung nach, wie das Video zum Theater finden kann.

Max Hammel im Gespräch mit Bohema /// (c) Roman Benkovic

B: Erstmal kurz zu dir. Wie kamst du als Videokünstler zum Theater? 

M: Es war ein Quereinstieg. Ich habe davor ganz klassisch Film gemacht. Nach der Schule habe ich angefangen Werbe - und Imagefilme zu machen, bin in Werbeagenturen gewesen, habe mich an Filmschulen beworben. Theater war für mich ganz lange Shakespeare hier, Hamlet da, es hat mich nicht wirklich interessiert. Ich war in der Schule zum letzten Mal im Theater. Dann habe ich eine Jobausschreibung für ein Theaterstück gekriegt, weil die einen Kameramann gesucht haben. Ich habe mir die Ausschreibung angeschaut, sie aber wieder weggelegt. Meine Freundin hat dann aber nachgefragt und nachdem ich meinte, dass für eine Theaterproduktion ein Kameramann gesucht wird, meinte sie, ich soll das unbedingt machen, dann kriegen wir Theatertickets. lacht 

Ich bin dann zum Bewerbungsgespräch gegangen. Dort wurde mir erzählt was sie vorhaben und das war überhaupt nicht das, was ich erwartet habe: Sie würden gern einen Film auf der Theaterbühne drehen, während das Publikum gleichzeitig sehen kann wie der Film gedreht und projiziert wird. Mir war überhaupt nicht klar, dass man sowas im Theater machen kann. Ich war dann sehr intrigued. Im weiteren Verlauf habe ich mich mit dem Team sehr gut verstanden und den Job gekriegt. Einer der Typen bei denen ich das Vorstellungsgespräch hatte, war unter anderem Calle Fuhr, jetziger Leiter Volkstheater Bezirke. Er hat mich dann weiter ein paar Mitwirkenden vorgestellt und wir haben dann zusammen das Theaterstück gemacht.

(c) Roman Benkovic

Ich bin da so reingerutscht, so von 0 auf 100. Ich habe keine Ahnung gehabt von Theater! Dafür viel Ahnung vom Film. Ich war dann fast ein bisschen gefangen, weil ich gemerkt habe: mir gibt die Arbeit im Theater mehr als die Arbeit am Filmset. Ich habe mich immer mehr verliebt in diese Arbeitsweise. Man nimmt sich Zeit den Stoff zu entwickeln, diese Einmaligkeit der Aufführungen. Wenn du weißt: nur heute Abend, nur für die Leute die an diesem Abend drin sitzen. Das war ganz neu und ganz cool.

B: Wie sieht dein Alltag aus?

M: Es ist verschieden. Weil das Komische ist, dass es diese Berufssparte am Volkstheater, die gibt's noch nicht so wirklich -  oder erst seit kurzem. Es gibt nur wenige Häuser, die einen fixen Videokünstler haben, beziehungsweise generell sehr wenig Häuser, die einen starken Fokus auf Videokunst legen. Deswegen wabert es so hin und her. Ich muss auf der einen Seite generell einen Überblick haben, über alles was bewegt-bildmäßig im Haus passiert. Bei anderen Projekten wird nach meiner Einschätzung gefragt. Dann kann es auch sein, dass ich, so wie momentan, direkt an einem Stück mitarbeite und im gesamten Probenprozess involviert bin. Daneben, je nachdem welche Videoarbeit es auf der Bühne gibt, sitze ich auch hinten (beim Ton und Licht) und mache die Visuals. Es dreht sich in alle Richtungen und ich glaube, dass wir am Volkstheater selber erst am rausfinden sind, wie man diesen Beruf genau definiert.

B: Du hast also zum einen eine beratende aber auch eine künstlerische Funktion? 

M: Ja genau.

Das Gespräch fand zwischen den roten Sesseln im Volkstheater statt /// (c) Roman Benkovic

B: Wie groß ist dein Team und was machen deine Mitarbeiter*innen? 

M: Wir waren bis vor kurzem zu dritt. Die 3Ms sagten wir, der Marvin, der Moritz und ich. Mit Jänner haben wir die Lisa mit ins Team geholt. Moritz ist das technische Genie, er ist wirklich unglaublich talentiert in technischen Sachen. Zum Beispiel bei Die Politiker: wir haben neun Bildschirme oben hängen, zwei LED-Walls, eine Front - und zwei Rückprojektionen, zwei Bildschirme links und rechts, sechs Kameras auf der Bühne und vier Kameras außerhalb der Bühne. Dann ist Moritz derjenige, der sagt, wir haben eigentlich zu wenig Videoleitungen dafür im Haus. Oder er sagt, er könne das so programmieren, das eine Videoleitung auf zwei gleichzeitig aufgeteilt wird - er ist wirklich ein Genie, was das betrifft. Wieder: bei Die Politiker hat Moritz den Roboter, der im Zuschauerbereich in der Mitte steht so programmiert, dass er (der Roboter) auf das Live-Videoschnittprogramm reagieren kann. Das programmiert er easy. Das könnte ich nie, für mich ist das Magie was er macht.

Marvin macht auch Videokunst auf der Bühne, er macht 3D Animationen und Animationen für die Bühne an sich. Und ich mache eher Kamera und Live-Mitschnitte, betreue Produktionen. Es überschneidet sich alles, je nachdem was gebraucht wird.

B: Mir fällt jetzt die Produktion Drei Schwestern ein, was 3D Animationen anbelangt…

M: Genau, aber die Videoanimationen waren schon vorher gemacht, das Stück hatte ja Premiere in München. Da war eher unsere Aufgabe uns anzuschauen und zu überlegen, wie wir diese Produktion und ihre Anforderungen am besten in unserem Haus empfangen. Das ist dann meistens die Aufgabe von Moritz, weil er genau weiß was an Technik gebraucht wird. Bei Gastproduktionen nehmen die Teams ihre Künstler*innen mit und wenn diese dann Fragen haben, kommen sie zu mir.

(c) Roman Benkovic

B: Kannst du schon die ganzen Maße der Bühne auswendig?

M: lacht Es geht so...ich versuche mich ehrlich gesagt wo gut es geht von der Bühne fernzuhalten. Am Volkstheater ist es wirklich sehr gewerkschaftlich. Ich sollte keine Stromkabel aus der Lichtabteilung angreifen. Es hat den Sinn, dass es nicht passiert, dass ich zum Kabelwagen hingehe und dann fehlen plötzlich drei Kabel, die von der Beleuchtung gebraucht werden. Ich musste mich daran gewöhnen, weil ich das anders von kleinen, familiären Filmsets kenne, da hilft jede*r überall mit. Aber an einem großen Haus ist helfen oft kontraproduktiv, da müssen sich Abläufe einspielen.

B: Wie gehst du an eine neue Inszenierung ran? Bringst du dein eigenes Video-Konzept mit oder führst du nur was aus, was die Regie schon mitbringt?

M: Im besten Fall ist es ein gutes Wechselspiel. Für Die Politiker war es so, dass Kay Voges schon eine Vision im Kopf gehabt hat, aber diese Vision für ihn noch sehr philosophisch war. Er wusste schon, dass er diesen Roboter ins Publikum reinstellen wollte, in Anlehnung an das Projekt Die Vermessung der Welt. Weil in Die Politiker die Sprache neu vermessen wird, wollte er ein Videokonzept entwickeln, in dem alles auf der Suche ist. Marvins Idee war dann die Gesichter berühmter Persönlichkeiten zu berechnen und zu vermessen, den Roboter haben wir in den Zuschauerraum gestellt, damit dieser versucht den Saal und das Publikum zu verstehen und zu vermessen. Also im besten Fall kommt die Regie mit einer zentralen Vision und dann können wir drumherum bauen. Bei ZERTRETUNG - 1. KREUZ BRECHEN oder ALSO ALLE ARSCHLÖCHER ABSCHLACHTEN kam dann mehr von unserer Seite. Da haben wir in der Factory ein Computerspiel programmiert, der Regie gezeigt, der es daraufhin gefallen hat und ins Stück eingebaut.

(c) Roman Benkovic

B: Wie technisch ist deine Arbeit und wie künstlerisch?

M: Durch Moritz Gott sei Dank wenig technisch. lacht

In den Anfangssitzungen besprechen wir was wir vorhaben und dann kann ich sagen, was ich gerne hätte. Moritz baut meistens ein technisches System und es funktioniert einfach. Das ist Luxus.

B: Inwiefern trägt Videokunst dem Theatererlebnis bei, inwiefern nimmt es etwas weg? 

M: Ich glaube das kommt drauf an, wie man es inszeniert. Videokunst und Theater haben verschiedene Regeln und wenn man Videokunst im Theater einsetzt, muss man diese Regeln respektieren, sonst funktionieren die Videos einfach nicht gut auf der Bühne. Wenn die Regie das nicht ernst nimmt, wird die Arbeit nicht so leiwand. Ich habe mal mit Kay Voges an einer Produktion im Burgtheater zusammengearbeitet und hatte den Eindruck, er kennt die Regeln, weiß wie er damit umgehen kann, wann er es einsetzt und wann nicht. Bei ihm sind die Videobilder immer wie ein Zahnrad in der Inszenierung, weniger bloßes Dekorationsobjekt. Zu merken, dass Videokunst ernst genommen wird und toll funktionieren kann, war cool und hat mir Lust darauf gemacht, die Videoabteilung in dem Haus aufzubauen. Wir machen jetzt Video auf der Bühne und sind nicht bloß Tools von Bühnenbilder*innen. Was an sich nichts schlimmes ist, aber als kreativ-arbeitende Videoabteilung haben wir nichts davon. Wenn die Regie sich mit Video auseinandersetzt, kann das eine Bereicherung sein. Wenn man einfach was abfilmt und als zusätzliches Bewegtbild dazu gibt, kann es auch störend sein und ablenken. Vielleicht sogar schneller als ein schlechtes Kostüm - oder Bühnenbild, weil man bei Videos ja sofort hinschaut. 

(c) Roman Benkovic

B: Wie kann das Theater zugänglicher gemacht werden oder was würdest du Leuten sagen, die sich noch davor sträuben ins Theater zu gehen?

M: Diese Frage beschäftigt mich tatsächlich auch sehr und ich frage mich, warum mich Theater früher nicht interessiert hat und jetzt zu einem zentralen Teil in meinem Leben geworden ist. Ich habe keine mega schlüssigen Antworten, aber ich habe früher immer das Gefühl gehabt, dass sich das Theater sich nicht so super elitär präsentieren darf. Ich finde es total schlimm, dass viele große Häuser darauf stehen, diese große Shakespeare-Mentalität zu repräsentieren. Das ist in München oder Berlin vielleicht anders, aber in Wien habe ich das Gefühl, kennt man Theater nur unter einem ganz verstaubten Gesicht. Bei uns im Volkstheater haben wir sehr viele junge Leute im Team, weil die Leitung sich traut, junge Leute einzustellen. Viele Mitarbeiter*innen, die schon länger im Volkstheater sind, sagen selbst, dass dass wir jetzt ein jüngeres Publikum haben. Man merkt, dass es anzieht. Sich neu zu positionieren, jünger und offener zu werden ist ein langer Prozess. Aber ich glaube, dass die Richtung stimmt. Ich hatte noch nie so viele Gleichaltrige in einem Team, die gleichzeitig so viele Freiheiten und Vertrauen kriegen. An anderen Häusern hatte ich das Gefühl, als junger Mensch gar nichts sagen zu dürfen. Da muss man erst 60 werden, bevor man den Mund aufmachen darf. Im Volkstheater ist es auf Augenhöhe, es gibt keine steile Hierarchie, was attraktiv für junge Leute für hinter, auf und vor der Bühne sein kann.

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