Niemals vergessen!
Beim Resonanzen-Festival im Konzerthaus wurde am 27. Jänner der Opfer des Holocaust gedacht – mit einer bunten Mischung aus geistlicher jüdischer Musik, englischem Renaissance-Kunstlied und italienischen Sonaten. Heraus kommt ein dramaturgisch durchwachsener Abend.
Das Foyer des Konzerthauses wird abgedunkelt, über der rechten Garderobe flackert eine letzte Lampe. 300 Menschen stehen hier, unsicher, was jetzt passiert. Von rechts, von links, von hinten und vorne erklingt dann langsame Musik langanhaltender Töne. Musiker*innen mit ungewöhnlichen Instrumenten, einer Gambe mit 1,50 m langem Griffbrett, einer großen Holzflöte, einem Akkordeon, bahnen sich ihren Weg durch die Menge im Foyer. Sie tragen schlichte dunkle Kleidung, Hüte, Mäntel. Sie werden begleitet von zwei Männern mit großen Koffern. Zusammen mit dem Ensemble zieht die Zuschauermenge in den Mozartsaal. Die Mäntel und Hüte der Musiker*innen finden Platz auf einem Garderobenständer auf der Bühne.
Eine waschechte Dame
Wir lassen uns ein auf dieses Schauspiel. Wir wissen: Der 27. Jänner ist der internationale Tag des Holocaust-Gedenkens. Zeitgleich findet im Konzerthaus das alljährliche Festival Alter Musik statt. Und dies soll heute zusammengebracht werden. Das Kollektiv ArtHouse 17, spezialisiert auf interdisziplinäre historische Aufführungspraxis, möchte zusammen mit der Sopranistin Dame Emma Kirkby und der jüdischen Musikerin und Schauspielerin Jalda Rebling einen Abend des Gedenkens gestalten.
„Niemals vergessen!“ ist die Aufforderung, sich mit der Shoah auseinander zu setzen und ihrer Opfer zu gedenken. Und zeitgleich ist es auch die Aufforderung, an einer Welt zu arbeiten, in der eine solche Katastrophe wie der Völkermord der Nazis an Juden und Jüdinnen, Sinti und Roma, Homosexuellen und anderen verfolgten Gruppen nicht mehr möglich ist. Aber eine künstlerische Verarbeitung dessen – eine kaum erfüllbare Herausforderung. Der heutige Abend thematisiert Flucht und Diaspora, bleibt dabei aber unzureichend eindimensional.
Die Auswahl der Werke, minutiös durch Quellen im Programmheft belegt, reicht von „Piyyutim“, poetischen Dichtungen aus der jüdischen Liturgie, englischen Liedern aus der (nach- ) elisabethanischen Zeit bis zu Instrumentalwerken jüdisch-italienischer Zeitgenossen Monteverdis. Das Ensemble ĀRT HOUSE 17 musiziert diese auf höchstem Niveau. Eine Freude, hier zuzuhören! Die Lieder sind ausdrucksstark, narrativ und aufrichtig, die Lautenistin spielt fabelhaft. Nein, eigentlich harmonieren alle Musiker*innen außergewöhnlich gut zusammen und füllen den Saal mit einem ausbalancierten, nuancenreichen Klangbild.
Wäre da doch nur nicht diese aufgezwungene Inszenierung,
die kein Klischee auslässt. Mäntel und Hüte – ja, hier wird ein ewig rastloses Volk auf einer historischen Reise dargestellt. Aber muss hier wirklich auf der Bühne das Brot gebrochen werden? Alte Fotografien auf einer Wäscheleine auf der Bühne gehängt werden? Die exzellente musikalische Darbietung könnte so gut für sich selbst sprechen, ohne visuell von diesem leicht sonderbaren Schauspiel überformt zu werden.
Nach nur einer Stunde packen die Musiker*innen auf der Bühne wieder ihre Siebensachen zusammen, ihre Reise geht weiter. Viel zu früh, ohne die Musik auch nur verklingen zu lassen, fängt das Publikum an zu klatschen. So richtig scheint die Message wohl nicht angekommen zu sein.