Potpourri statt Prometheus

Pergolesi im Beisl - Ein großer aber gelungener musikalischer Bogen im Konzert des RSO und der Wiener Singakademie vom Barock bis Alt-Wien.

Das RSO (c) Thomas Ramstorfer

Das RSO (c) Thomas Ramstorfer

Ursprünglich hätte das ORF-Radiosinfonieorchester zusammen mit der Wiener Singakademie am Samstag im Konzerthaus ein groß dimensioniertes Orchesterprogramm zum Besten geben sollen: Das imposant besetzte Tongedicht Prometheus von Alexander Skrjabin und die Psalmensinfonie von Igor Strawinsky hätten als zentrale Programmpunkte fungiert. Nach der Wiedereröffnung des Kulturlebens sahen sich die Klangkörper allerdings gezwungen, das Programm umzustellen, ohne dass dieses an Charakter einbüßt. Ein Unterfangen, das optimal aufging.

Durchsichtige Mischung aus Spätbarock und Neoklassizismus

Das reduziert besetzte Orchester eröffnet den Abend mit der Pulcinella-Suite von Strawinsky, die auf Themen, Fragmenten und Stücken von Giovanni Battista Pergolesi basiert. Darin verbindet der Russe seinen eigenen neoklassizistischen Schreibstil mit typischen Elementen des italienischen Spätbarocks. Deutlichstes Merkmal dafür ist die Besetzung: Das Kammerorchester besteht aus verhältnismäßig wenigen Bläsern – die Klarinetten fehlen, Trompete und Posaune spielt je nur eine – und der Aufteilung der Streicher in Solo und Tutti („Ripieno“).

Erzwungen durch diese Besetzung, können sich diverse Mitglieder des ORF-Radiosinfonieorchesters solistisch hervortun. Eine Herausforderung, die alle elegant meistern: von den schnellen, präzise ausgeführten Läufen in der Solo-Trompete, bis hin zu den humoristischen und auch mal mit einem kecken Kratzen dargebotenen Einwürfen im Solo-Cello und Solo-Kontrabass.

Am Pult hält Dima Slobodeniuk die Fäden gekonnt zusammen. Einzig bei abrupten Tempowechseln zeigen die Musizierenden kleine Unsicherheiten, die augenblicklich ausgeglichen werden. Schließlich endet das unterhaltsame musikalische Potpourri mit einem rasanten Finale, bei dem das Orchester erneut sein ganzes Können zeigt.

Hinterhuber präsentiert selten gehörten Korngold aus Alt-Wien

Bereits in den ersten Takten des nachfolgenden Werks hört man, warum dieses wohl nicht oft in den Konzertsälen zu hören ist. In den ersten fünf Minuten von Erich Wolfgang Korngolds Klavierkonzert für die linke Hand allein ist es schwierig, prägnante Melodien oder thematisches Material herauszuhören. Erst mit der Zeit eröffnen sich wiederholte Motive und die üppige Klangpalette von Korngolds Musik, die für das Werk sprechen.

Man sieht, dass sich Christopher Hinterhuber  das Spiel mit beiden Händen gewohnt ist. Während die linke Hand konstant im Einsatz steht, stützt er sich mit der rechten immer wieder an den Kanten des Flügels ab und zeichnet hie und da den musikalischen Verlauf mit. Er folgt damit auch den ungewohnten Anweisungen Korngolds Partitur, die etwa „Ausholen!“, „nebelhaft“ oder „Vorwärts!“ lauten.

Das rhythmisch anspruchsvolle Werk gelingt dem Orchester und dem Solisten vorbildlich. Beider Klangfarben erinnern an großsinfonische Filmmusiken der 30er-Jahre und erzeugen eine breite Palette damit verbundener Effekte. Etwas zu oft werden die filigranen und chromatischen Passagen des Klaviers vom Orchesterapparat übertönt, doch Hinterhubers Spiel ist derart einnehmend, dass man sich vor allem auf die Homogenität des Klangs konzentriert, die wunderbar austariert den Konzertsaal füllt.

Mit seiner Zugabe schließt Hinterhuber klanglich an Korngolds Konzert an. Er spielt das nostalgisch verträumte Stück Alt-Wien von Leopold Godowsky und unterstreicht den zuvor gewonnen, ausgezeichneten Eindruck.

Geschickter Schachzug: Ein kurzer Haydn zum Abschluss

Es folgt der Auftritt der Wiener Singakademie, deren Probebetrieb sehr lange Zeit verunmöglicht wurde, und die es verdient haben, nicht aus dem Konzertprogramm gestrichen zu werden. Zwar ist es ungewöhnlich, ein kurzes Chorwerk von Haydn – das Te Deum für die Kaiserin Marie Therese – am Schluss eines Konzerts zu hören, doch unter gegebenen Umständen nimmt man diesen pompösen Abschluss noch so gerne entgegen. Das für Haydns Verhältnisse groß besetzte Werk wird von der Orgel dezent unterstützt, während der Chor mit ausgesprochen deutlicher Deklamation und dynamischer Diversität auftrumpft und den abwechslungsreichen Konzertabend im Konzerthaus zu einem prächtigen Abschluss bringt. 

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