Rauschen, Strugglen, Selbstbeklauen

im darknet sind alle katzen miau: Experimentelle Poesie, die lustig und berührend ist. Ein Gespräch mit Schreibmensch Jopa Jotakin über Gedichte, die man nicht lesen kann, Geldverdienen in der Literaturszene und Schreibtipps für angehende Literat*innen.

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katzen liken nie auf facebook
weil ihnen
der daumen fehlt

Bohema: Deine zuletzt erschienene Gedichtsammlung im darknet sind alle katzen miau ist ein Potpourri an unterhaltsamen Sprachspielereien ums Thema Katzen, Digitalität und Politik. Wie entstehen Gedichte wie „Die Interkatzionale“ oder „Pfotestlied“ und was hat dich zu dieser Sammlung inspiriert?

Jopa Jotakin: Unterschiedlich. Ich arbeite immer wieder an irgendwelchen Dingen und Projekten, die ich gut finde und bei denen ich mir denke, das könnte was werden. In dem Fall ist edition zeitzzoo auf mich zugekommen und hat gefragt, ob ich ein Buch bei ihnen machen mag, da habe ich gerade an diesem Internet-Katzen-Ding gearbeitet und gesagt, ja mach ich, hab eh was. Dann sagt der Verlag, wann es fertig sein muss, dann setz ich mich hin. Im darknet sind alle katzen miau gibt es sogar als Text, der ist aber nicht im Buch, weil er leider nicht so gut ist. Viele Sachen haben davor schon existiert. Ich modifiziere dann nur noch, ich beklau mich gern selbst.

B: Wie schaffst du diesen Spagat zwischen lustig und dennoch berührend und ernst?

Jopa: Ich find es gar nicht so einen Spagat. Mir ist schon wichtig, dass es nicht nur witzig ist, das ist ein Bissi zu wenig – aber so todernst, das wird auf Dauer auch mühsam. Mein Material ist die Sprache und ich überleg mir einfach, wie ich sie formen soll. Es ist mir schon wichtig, eine Botschaft zu transportieren – viele der Texte sind ja auch politisch – es soll aber trotzdem so sein, dass man sie gern hört und sich freut. Es ist mir wichtig, dass das alles Platz hat, trotzdem aber möglichst kompakt ist.

B: In welcher Beziehung stehst du zu deiner Leser*innenschaft? Hast du eine bestimmte Zielgruppe im Kopf, die du dir vorstellst, während du schreibst?

Jopa: Es ist schwierig, sich wen vorzustellen. Es würde mich glaub ich beim Schreiben behindern, wenn ich mir ständig wen vorstellen müsste. Aber ich freu mich schon, wenn die Leute auch manchmal verwirrt sind – oder überrascht von einer Wendung, die ein Text nimmt, oder von Gedanken, die sie davor noch nicht hatten. Aber ich überleg mir jetzt auch nicht immer, ob ein Text gut ankommt – also, ich habe auch schon Texte vorgetragen, wo ich gemerkt hab, naja gut, da geht das Publikum jetzt nicht mit, aber sowas stört mich dann auch nicht.

ernüchterung

im fellflausch
verplüscht

mit viertelhundert hertz
in mein herz
geschnurrt

beinumstrichen
rauzungbeleckt

wiege ich dich
brustdrückend

wiege ich mich
im selbstbetrug

dir mehr zu sein
als leicht zu manipulierender
futterlieferant
streuerneuerer

stirn an stirn
stupsen wir da

und ich tu einfach so
als wüsst ich von nichts
vergrabe meine nase
in deinem bauchfell

und du

würgst katzengras
auf meinen kopfpolster

B: Beim Vortragen deiner Texte auf Lesungen weichst du immer mal wieder vom Geschriebenen ab.

Jopa: Es gibt kleinere Sachen wie Wiederholungen in meinen Gedichten, die ich beim Vorlesen dann mal mehr oder weniger oft vornehme. Ich habe aber auch Gedichte, wo nur die Silbenanzahl und Betonung in jeder Zeile gleich ist, die ich beim Vorlesen dann inhaltlich an aktuelle politische Themen anpassen kann. Dann gibt es auch Sachen, die man schwierig vortragen kann, wie die Texte, die nur aus Symbolen bestehen – da bin ich dann relativ frei in der Gestaltung. Mal ist es nur ein Geräusch, das dann unangenehm wird, mal nehme ich ein paar Loops auf und mache Geräusche, die den Texten entsprechen.

B: Wen liest du?

Jopa: Ich bemühe mich, viel zu lesen, aber ich bin auch sehr faul. Ich schau, was mir unter die Finger kommt, ich lese viel Aktuelles von Kolleg*innen, gehe auf deren Lesungen und kaufe dort dann die Bücher. Viel experimentelle Lyrik, damit beschäftige ich mich nun mal, ich bestelle auch im Internet.

Neulich habe ich von einem finnischen Kollektiv experimentelle visuellpoetische Texte bestellt, das war dann zwar eher enttäuschend, aber gut.

Jetzt habe ich den Lyrikband Feiertagsmakeup von Aušra Kaziliūnaitė, einer Autorin aus Vilnius gelesen, das war sehr schön. Aber ich lese nicht nur Lyrik, gern auch Kurzprosa und manchmal auch Romane.

B: Das erste Mal habe ich dich am Blumenmontag im Dezember lesen gehört, als du deinen „ersten Text überhaupt“ vorgetragen hast, aus einem Volkschul-Rechtschreibheft. Kannst du dich erinnern, wann du das erste Mal bewusst geschrieben hast?

Jopa: Das war schon recht experimentell, aber so haben wohl alle angefangen. Ich habe in der Volkschule Gedichte geschrieben, die habe ich jetzt gefunden – ja, holprig gereimt, aber okay. Ich denke, ich habe mich immer schon dafür interessiert und an Sachen gearbeitet im stetigen Austausch mit Schreibenden, das ist dann irgendwie von allein so weitergegangen.

hundejahre, einsamkeit

ich bin ein video
auf youtube
hochgeladen
vor drei jahren
mit null views

nicht einmal die person
die mich hochgeladen hat
hat mich jemals
angeschaut

ich bin ein mailaccount
auf gmx
angelegt
vor vier jahren
mit null nachrichten im posteingang

nicht einmal
der freemail anbieter
hat mir
ein willkommensmail geschickt

ich bin ein sudertext
in dem nicht einmal
eine katze vorkommt

nicht einmal
mein autor hat mich gelesen
sonst hätte er mich
aus der auswahl für dieses buch genommen

zurecht

B: Du bist sehr engagiert in der Szene, hast unter anderem mit der Künstlerin Andrea Knabl einen Verlag, edition tagediebin, der jedes Jahr das Magazin Nestbeschmutzerin herausbringt, bist im Kollektiv des Kulturvereins einbaumöbel und setzt dich leidenschaftlich für experimentelle Lyrik ein. Welche Lyrik siehst du persönlich als besonders gefährdet?

Jopa: Alles, was sich nicht so gut verkauft, hat es natürlich schwer, zu überleben.

Ich habe das Gefühl, dass in letzter Zeit Lyrik wieder mehr wahrgenommen und gemacht wird - grundsätzlich hat die es aber immer schon schwer gehabt. So ganz experimentelle Sachen haben es natürlich nochmal schwerer - gerade eben visuelle Lyrik oder Poesie die du nicht so gut vorlesen kannst. Es gibt Texte, die auch ich selbst nicht richtig vorlesen kann, da bist du darauf angewiesen, dass sie angeschaut werden. Bei der Veranstaltung räume für notizen gibt es Ausstellungen, wo man sich visuelle Poesie ansehen kann. Instagram eignet sich natürlich auch für diese Dinge. Personen, die diese Form von Lyrik machen, sind mehr darauf angewiesen, Bücher zu verkaufen, weil man meistens eher mit Lesungen verdient – und wenn du es nicht vorlesen kannst, wird das schwierig. Brigitta Falkner zum Beispiel macht Filme zu ihren Lesungen und liest selbst nicht. Aber dafür hat nicht jede*r die Voraussetzungen.

B: Du machst viele verschiedene Dinge und bist in unterschiedlichen Autor*innenkreisen unterwegs. Was nervt dich am Meisten an der Szene in Wien und am Autor*insein?

Jopa: Was mir teilweise auffällt ist, dass es viele Autor*innen gibt, die es nicht wirklich interessiert, was andere machen. Für mich gehört zum Autor*insein dazu, dass ich Lesungen anschaue, die Arbeit von anderen Autor*innen wahrnehme und teilnehme am Geschehen. Da bin ich manchmal bei Lesungen, wo 5 Leute im Publikum sitzen, und ich wundere mich. Viele junge Leute haben natürlich ihre Gruppen und Communities und besuchen sich auf den Lesungen, aber gerade bei Autor*innen, die schon lange im Literaturbetrieb, aber nicht so bekannt sind, wie es zum Beispiel Friederike Mayröcker war, habe ich den Eindruck, dass die Lesungen schlecht besucht sind, seit Corona bestimmt nochmal ein bisschen schlechter.

Was natürlich auch nervt, ist die Frage, wie man Geld verdient.

Also entweder du reist die ganze Zeit herum und machst ständig Lesungen, oder du machst sehr gut bezahlte Lesungen – sonst brauchst du einfach zusätzlich einen Job. Ich habe das Glück, dass ich den Job bei der GAV habe, wo ich mich mit Literatur beschäftige, was ich sehr gern mache, aber sonst ist es schwierig. Viele strugglen.

katerstimmung V

ottakringer straße
brennt mir im gesicht

mit dem rad
fahr manchmal lieber nicht

B: Was genau ist der Blumenmontag?

Jopa: Im Café Stadtbahn gab es früher den Literaturmontag, den damals der Andi Luf gemacht hat, der dann aufhören wollte. Als Nachfolge wurde dann von Walter Xenia Ego, Mercedes Kornberger, Puneh Ansari und Lydia Haider 2018 der Blumenmontag gegründet, eine Lesereihe einmal im Monat, außer im Juli und August. Walter Xenia Ego musste aber dann aufhören. Dann hat Lydia Haider halt mich gefragt. Jetzt machen wir das - zusammen mit Apollonia T. Bitzan, die macht Analogfotos von den Veranstaltungen. Puneh ist mittlerweile ausgestiegen. Und wir programmieren das gemeinsam, schauen, dass es nicht nur Literatur gibt, sondern auch Journalismus oder bildende Künstler*innen und auch Musiker*innen.

B: Welchen Rat hast du für junge Schreibende?

Jopa: Für das ernsthafte Schreiben ist es gut, einen Ort zu haben, wo man hingehen und konzenteriert arbeiten kann, der nicht die eigene Wohnung ist. Einen Schreibraum oder ähnliches. Was halt auch meist wieder mit zusätzlichen Kosten verbunden ist. Sich über Fördermöglichkeiten informieren! Ansonsten: einfach viele open Mics und Lesungen besuchen und Literaturzeitschriften beschicken.

Zuletzt erschienen: Als Herausgeber:in (gemeinsam mit Andrea Knabl): nestbeschmutzer*in #3: UNTER DRUCK. Edition Tagediebin, Wien 2023  https://www.tagediebin.at/nestbeschmutzerin-3-unter-druck/

im darknet sind alle katzen miau. Gedichte. edition zzoo, Wien 2021

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