Übers Klobuch spricht man doch: Grosze Klappe 6
Ein Klobuch, ein Krake, ein Boulevardblatt mit dir als Celebrity: What the fuck is Instagram? Ein Blick auf die abgefahrene Parallelwelt, in der wir leben und der neue Song von Kopfkino als Ausweg.
Kennt ihr das Klobuch? Es ist ein Büchlein, in das manche Vorstadtfamilien auf dem Klo Lustiges und Peinliches vermerken, kommentieren. Die einzige Regel: Über das Klobuch spricht man nicht. Warum ich jetzt mit diesem Scheißbuch komme? Weil wir über das Monsterklobuch, das wir zwei Milliarden Loser alle gemeinsames führen, eben doch sprechen müssen. Schon mal gemerkt, wie seltsam unangenehm es ist, wenn du mal im persönlichen Gespräch erwähnst: ‘Ah, das habe ich eh auf Insta gesehen‘. Es ist halt peinlich, dass wir wissen, wo der Freund einer Freundin Urlaub macht. Und sowieso: Über das Klobuch spricht man nicht.
90% von Instagram wird gefühlt eh im Scheißhaus konsumiert
Wir chatten und liken und scrollen auf dem Örtchen und ignorieren dabei, dass währenddessen auf unseren Ärschen der Dreck derart austrocknet, dass wir eigentlich ein Sitzbad zum Einweichen brauchen. Achhh, wenn Instagram aber nur das wäre, ein Ersatz fürs Klobuch oder für die vergilbte SZ aus dem Vormonat, in der man vor Smartphones notgedrungen beim Abseilen herumgeblättert hat. Aber es ist so viel mehr, erschreckend viel mehr.
Instagram ist eine Fotogalerie; das sollte es ja ursprünglich auch sein, ein Fotoarchiv.
Instagram ist Willhaben; mach ne Story mit deiner vergilbten Pflanze und jemand wird sie garantiert abholen.
Instagram ist WGgesucht; deine einzige Chance, in Berlin jemals ein Zimmer zu finden…
Instagram ist Amazon; ich wette, du hast auch mal irgendwas unnötiges gekauft.
Instagram ist News; ob ORF, Standard oder Krone-Propaganda, alle pushen hier ihre Inhalte, alle betteln hier um deine Likes.
Instagram ist Facebook (literally…); hier können dich entfernte Verwandte und Schulfreund*innen stalken (und natürlich vice versa).
Instagram ist (Soft)Porno; Wo finde ich die Studie darüber, wie viel Prozent des Contents fastnackte Frauen und notgeile Kommentierende sind? 40%? Mehr?
Instagram ist TV; Das erste, was man zuhause nach einem langen Arbeitstag auf der Suche nach Unterhaltung anmacht.
Instagram ist Spotify-Wrapped; Wie wäre das Ding sonst ein weltweites Phänomen…
Instagram ist Tinder; man muss noch nicht mal swipen, es kann sofort mit dem awkwarden Anschreiben losgehen.
Instagram ist LinkedIn; man vernetzt sich und gibt mit dem beruflichen Erfolg an, in der Hoffnung auf Karriere.
Instagram ist WhatsApp; eine App mit allen deinen Kontakten, Chats und Millionen unnötigen Gruppen.
Instagram ist TikTok; Dir wird nie wieder im Leben langweilig. Die Eier kochen? Es gibt Reels. Der Bus kommt nicht? Reels.
Instagram ist ein Krake, der dich mit seinen unzähligen Armen erwürgt, dich nie wieder loslässt. Deine Daten klaut, Pardon, du gibst sie eigentlich freiwillig her. Hast du schon mal eine Wannabeinfluencerin bei Minusgraden mit einem Starbuckslatte und einem sommerlichen Monsterausschnitt posen gesehen? Ist entweder lächerlich oder unheimlich, je nach Laune. Zeigt jedenfalls, was für eine arge Parallelwelt Instagram ist, eine, die uns im echten Leben zu Zombies macht. Hast du dich auch schon mal dabei ertappt, etwas getan zu haben, nur um es teilen zu können? Ich gebe es ungern zu, ich habe mich aber schon dabei erwischt. Ist das nicht abgefahren?
Wenn du aktiv auf Insta bist, wissen und bewerten alle ständig, was du machst. Privat und beruflich. Und dann kommt der Druck, zunächst schleichend, dich immer besser zu vermarkten, regelmäßig etwas Präsentables zu unternehmen. Für Nicolas Cage oder Paris Hilton war das mal der Preis dafür, in den besten Hotelsuiten mit den schönsten Menschen Hollywoods zu schlafen und abartige Geldsummen zu verdienen.
Wir sind so dumm, die Paparazziarbeit selbst zu machen und alles was wir dafür bekommen sind zu wenig Likes für unsere Lieblingsbilder
Aber zurück zum Klo. Wie absurd ist es bitte sehr, wenn du wieder mal da scrollst und das steht: Israel bombt Kinder in Palästina. Was machst du? I heart. 2023 war das heißeste Jahr seit den Aufzeichnungen. I heart. I heart!?? Aber hey, diese Welt ist so abgefuckt, so krank und absurd, da passt Instagram eigentlich ganz gut dazu. Werden wir mal aussteigen? Es gibt ja Tinder, es gibt den ORF, angeben kannst du auch auf LinkedIn. Muss das alles wirklich in diesem Kartell-Monster passieren? Vielleicht schaffen wir’s mal. Es braucht nur genug Mut & Wut.
Wir haben letztes Jahr ein Interview mit Kopfkino gemacht, check it out wenn dir der Song gefällt.