Von Hexen, Robotern und der Macht des Eskapismus

WandaVision - Eintauchen in die amerikanische Fernsehgeschichte mit einer ambitionierten Superheld:innen-Sitcom.

Foto: WandaVision/Disney, Marvel Studios

Foto: WandaVision/Disney, Marvel Studios

Disney legt nach dem Ende von Avengers: Endgame ordentlich nach und setzt das MCU verstärkt auf die Serienfront für seinen Streaming-Dienst. Die erste Serie post-Endgame ist das Sitcom-Drama WandaVision, mit Elizabeth Olsen und Paul Bettany in den Hauptrollen. Sie verkörpern das Superheld:innen-Pärchen Wanda Maximoff und Vision. Die beiden haben sich in das kleine Städtchen Westview zurückgezogen, und versuchen dort, ein normales, bürgerliches Leben zu führen, und ihre Superkräfte vor den Bewohner:innen geheim zu halten. 

Es ist das perfekte Sitcom-Leben. Die kleineren und größeren Problemchen sind am Ende jeder Folge gelöst, und das nächste Abenteuer kann angegangen werden. Doch als Wanda unerwartet schwanger wird, und das Verhalten der Bewohner:innen (allen voran der neugierigen Nachbarin Agnes (Kathryn Hahn)) immer seltsamer wird, bröckelt auch langsam die Fassade des perfekten Lebens ab. 

Das „Epische Fernsehen“

Um richtig über die Serie zu sprechen, ist es unablässig, dass Spoiler angesprochen werden. Darum gibt es jetzt eine große SPOILER-Warnung. Das erste Mysterium dieser Mystery-Box-Show beginnt schon vor der ersten Folge, denn Vision starb ja eigentlich durch die Hand von Thanos (Josh Brolin) in Infinity War

Und auch sonst geht es sehr mysteriös her. Diese Sitcom ist nicht nur postmodern, sondern auch ordentlich meta. Die Opening- und Closing Credits geben die Schauspieler:innen als „Wanda Maximoff“ und „Vision“ an. Erst ganz am Ende kommt das richtige Outro. Am Ende der ersten Folge sieht sich eine mysteriöse Person die Handlung auf einem Fernsehgerät an. Figuren halten die Handlung plötzlich an, und starten die Szene neu. Die Titel der einzelnen Folgen geben immer eine bestimmte Phrase aus dem TV-Jargon („Filmed in front of a Live Audience“, „Filmed in Technicolour“) Es wird ständig gezeigt, dass alles nur Show ist, ähnlich wie beim „Epischen Theater“ von Brecht.

Dieses „Epische Fernsehen“ geht aber noch weiter. Es gibt einen Überblick über die Sitcom-Geschichte. Jede Folge kupfert nicht nur von einer anderen Sitcom ab, sondern spiegelt auch eine andere Dekade wider. Selbst das Bildformat passt sich der Zeit an, in der es spielt. Angefangen in den 50ern, in denen einerseits die Sitcoms ihren Anfang hatten, und andererseits I Love Lucy und The Dick Van Dyke-Show das schlichte gutbürgerliche Leben innerhalb der eigenen vier Wände vorgaukelten. Die zweite Folge ist wie die erste in schwarz/weiß gedreht, verlässt jedoch in seinem an Bezaubernde Jeannie und Verliebt in eine Hexe angelehntem Setting die Innenräumlichkeiten und zeigt erstmals das Örtchen von außen. Der Wechsel zum Farbbild lässt die WandaVision zu The Mary Tyler Moore-Show werden, und selbst eine Hommage an Full House kann sich die Serie nicht verkneifen. Und in den 2000ern orientiert sich die Serie an Mockumentories wie Modern Family, wodurch der Kreis zur Postmoderne wieder geschlossen wird.  

Ende gut – alles gut

Sitcoms gaukeln und gaukelten eine heile Welt vor, die so nie existierte, von der sich jeder wünschte, sie wäre es. Sitcoms sind das Paradebeispiel von Eskapismus, welcher Film und Fernsehen oft nachgesagt wird. Und gerade das macht das Genre zum perfekten Thema für WandaVision. Es geht in erster Linie um Trauer und dessen Bewältigung. Das Sitcom-Setting bietet eine Flucht vor der Realität, genauso wie es das Fernsehen in der Wirklichkeit tut. Ein Problem wird in 20 – 30 Minuten aufgeworfen, und auch gelöst. Erst in späteren Dekaden werden auch ernstere Probleme angesprochen, und nicht immer gibt es ein Happy End, sobald die End-Credits rollen (Siehe Der Prinz von Bel Air, Alle unter einem Dach, etc). WandaVision macht das in seiner 80er-Jahre-Episode, in der am Ende auch ein überraschender Cameo samt Recasting-Phänomen auftritt, als Wandas eigentlich toter Bruder Pietro in Form von X-Men Even Peters an die Tür klopft.

Die Trauerbewältigung im MCU kann aber nur so weit gehen, und schlussendlich sackt die Serie gegen Ende hin leider ab. Das ambitionierte Ambiente wird fallen gelassen, und stattdessen wird den Zuschauer:innen ein typischer MCU-Showdown samt CGI-Schlacht und Kontrahent:innen, welche dieselben Fähigkeiten wie die Held:innen haben, serviert. Da kann auch eine Auflösung mittels eines philosophischen Diskurses über das Schiff des Theseus (Ist ein Objekt, dessen Einzelteile nach und nach ausgetauscht werden, noch dasselbe Objekt?) nicht helfen. Schade. Auch besagter Cameo ist nichts weiter als ein Marketing Gag. Schade. 

WandaVision beginnt als Marvels bisher ambitioniertestes Projekt. Neben vielen Sitcom-Gags und einem sich aufklärenden Mysterium kann man gut mit den Figuren mitleiden. Leider kann das Niveau nicht ganz gehalten werden, und die Serie schwächelt in den letzten drei (von 9) Episoden. Aber dennoch lohnt es sich, sie anzuschauen.

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