Yes, God, Yes — Konservatives Protestchen

Ein dezent-unterhaltsamer Debütfilm von Karen Maine und warum ein Vorläufer aus 1999 die bessere Wahl für den nächsten Teeny-Comedy-Abend sein könnte.

Foto: Yes, God, Yes, Amazon/IMDb

Foto: Yes, God, Yes, Amazon/IMDb

Der auf Amazon Prime laufende Coming-of-Age-Film Yes, God, Yes entspricht perfekt den Kriterien für einen entspannten Filmabend. Ein Teenie-Comedy mit lediglich 78 Minuten Laufzeit und Natalia Dyer als Hauptdarstellerin, die schon Vielen als Nancy Wheeler aus der nostalgischen Hit-Serie Stranger Things bekannt sein dürfte.

Yes, God, Yes handelt von der zurückhaltenden katholischen Schülerin Alice, die irgendwann um die Jahrtausendwende in einem spießigen amerikanischen Vorort inmitten von konservativen Eltern und väterlich agierenden Pfarrern aufwächst. Als sie jedoch in einem zunächst unschuldig wirkenden Online-Chat mit der nicht ganz so verklemmten Außenwelt und deren Blick auf Sexualität in Kontakt kommt, beginnt für sie ein langsames Erwachen. Beim Besuch eines von der Schule veranstalteten Bibelcamps sieht sie sich zunehmend mit einem Konflikt zwischen Sexualität und Glauben konfrontiert. 

Den Film kann man sowohl inhaltlich als auch inszenatorisch mit dem Wort "nett" beschreiben. Stilistisch ist er ebenso zurückhaltend wie seine schüchterne Protagonistin. Wir sehen einige dezent humoristische Dialoge und werden von warmer Musik umarmt. Es werden alle Ästhetik-Normen der Teenie-Comedy übernommen, lediglich eine kurze Übernahme der Horrorfilmästhetik beim Verstecken vor dem Pfarrer ist bemerkenswert. 

Protest statt Widerstand 

Interessant wird Yes, God, Yes erst in Hinblick auf seinen Umgang mit der repressiven christlichen Kultur, in welcher die Protagonistin gefangen ist. Alice (und die anderen Teenager) leben nur im geheimen ihre Sexualität aus und es kommt weder zu einer Solidarisierung, noch zu einem Akt des Widerstands. Erwischen sich die Teenager bei einer blasphemischen Tat, rennen sie direkt zur nächstbesten Person und beginnen Gerüchte zu streuen. Am Ende des Filmes scheint die ultimative Lösung zu sein, sich im Stillen den Regeln der Religion (Masturbationsverbot) zu entziehen, einzelnen Widerspruch gegen eine Autoritätsperson (Pfarrer) zu leisten oder aus dem konservativen Vorort an die progressivere Küste zu ziehen. Man muss also mit dem System zurechtkommen oder fliehen. Hiermit wird klar, dass die Komödie doch nur die zurückhaltende, auf das Massenpublikum angepasste Version des 1999 erschienen queeren Teenie-Klassikers But I'm a Cheerleader (R: Jamie Babbit) ist. 

Dieser Film handelt von einer lesbischen Highschool-Schülerin, die von ihrem Umfeld in ein Konversions-Camp geschickt wird und dabei lernt, die eigene Sexualität zu akzeptieren. Hier sind drei Gründe, warum But I'm a Cheerleader (ebenfalls auf Prime) die mutigere und interessantere Version von Yes, God, Yes ist: 

Der Stil

Während Yes, God, Yes auf die Unsichtbarkeit der Kamera und das Aufgreifen genretypischer Ästhetik setzt, spielt der “Vorgängerfilm” mit der absoluten Ausreizung der visuellen Mittel, seien es extreme Auf- und Untersichten oder maßlos übersättigte Farben und kreiert damit eine an das Spätwerk von John Waters erinnernde Camp-Ästhetik voller Charme. 

Das Thema 

Yes, God, Yes behandelt die Unterdrückung der Sexualität im Allgemeinen. Selbst eine naheliegende feministische Perspektive auf den Unterschied der Fremdwahrnehmung von männlicher und weiblicher Sexualität wird nur in einer Szene am Rand angesprochen. But I'm a Cheerleader ist jedoch aus einer explizit queeren Perspektive geschrieben und setzt sich kritisch-humorvoll mit Geschlechterrollen auseinander. Er opfert einen Teil seiner Massentauglichkeit für die Subversion. 

Protest und Widerstand

Yes God, Yes bietet als Ausweg aus einem repressiven System nur die individuelle Rebellion (oder eben Flucht) an. Widerspruch und einzelnes Widersetzen ist zwar möglich, aber das System bleibt starr. Nur Protest ist möglich - eine äußerst pessimistische Sicht. In Jamie Babbits Film jedoch solidarisieren sich die Teenager miteinander, schleichen gemeinsam aus dem Camp heraus und (Spoiler!) starten sogar eine Guerilla-Befreiungsaktion zweier Camp-Gefangenen - ein Aufruf zum Widerstand. 

Yes, God, Yes mag solide Comedy-Unterhaltung sein, am Ende ist er jedoch eher ein Zeichen für den Konservatismus seines Genres. Wer sich nach einem rebellischen Sehvergnügen sehnt, sollte lieber zu But I'm a Cheerleader greifen. 

 

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