Bach bei minus 20

Pianist Aaron Pilsan spielt (auch) an Heiligabend beim renommierten Mariinsky International Piano Festival in Russland. Im Interview erzählt er, was er von der „Russischen Schule” hält und ob er beim Wodkatrinken mithalten kann.

Aaron Pilsan /// Marie Staggat (c)

Bohema: Du trittst an Heiligabend in Wladikawkas und am 28. in St. Petersburg beim Mariinsky International Piano Festival. Mit welchen Gefühlen steigst du in den Flieger?

Aaron Pilsan: Ich bin sehr gespannt, neugierig und ein wenig ehrfürchtig, denn das Wohltemperierte Klavier, das ich dort spielen werde, ist schon sehr anspruchsvoll. 

B: Hast du bei der Einladung kurz gezögert, ob dir Weihnachten zu Hause doch wichtiger ist?

P: Mit der Einladung habe ich überhaupt nicht gezögert, so eine großartige Chance musste ich einfach annehmen. Natürlich ist es schade, dass ich zu Weihnachten nicht zu Hause bin, aber ich werde danach mit meiner Familie Zeit verbringen.

Mitten in der russischen Crème de la Crème

B: Beim Festival tritt ein Teil der aktuellen Crème de la Crème der russischen Klavierschule auf, Matsuev, Lugansky und Co. Du hast in Österreich und Deutschland bei Karl Heinz Kämmerling und Lars Vogt studiert. Gab es in deiner Ausbildung trotzdem Berührungspunkte mit der „Russischen Schule“?

P: Ich habe schon während meiner Ausbildung in Hannover immer neue Eindrücke gesucht und beispielsweise regelmäßig mit Sir András Schiff, Maria João Pires oder auch Daniel Barenboim zusammengearbeitet. Seit einiger Zeit ist Mira Yevtich, eine enge Vertraute Gergievs, meine Mentorin. Sie selbst hat am Moskauer Konservatorium studiert und von ihr bekomme ich viele wertvolle Anregungen aus der „Russischen Schule“.

B: Wie würdest du ihre Besonderheit beschreiben?

P: Die Pianist*innen, die der "russischen Schule" entstammen, haben einen besonders singenden und warmen Ton, dabei ist der Einsatz des ganzen Körpers beim Klavierspiel wichtig. Die Gestaltung ist sehr intuitiv. Trotzdem finde ich es nicht wirklich passend, die einzelnen "Schulen" voneinander abzugrenzen. Prof. Kämmerlings und Prof. Lars Vogts "Lehrerstammbaum" reicht bis zu Carl Czerny zurück, der selbst Beethovens Schüler war. Die russische Schule wurde von Theodor Leschetizky begründet, der ebenfalls Czerny Schüler in Wien war.

Letztendlich geht es um das Studium der Musik, darum, die Kompositionen zu verstehen und lebendig zu machen und dabei den Körper so einzusetzen, um das gewünschte Resultat zu erzielen. Das ist die Kunst, unabhängig von der Schule.

 

B: Warst du früher schon in Russland, privat oder beruflich? Was interessiert dich an Russland besonders?

P: Es ist meine erste Reise nach Russland, ich war jedoch schon öfters im Kontakt mit der russischen Kultur. In meinem Studium waren einige Kommilitoninnen russisch-stämmig, ich habe mehrfach mit russischen Musiker*innen zusammengespielt.

Und ich liebe die russischen Autoren, Tolstoi, Dostojewski

Überhaupt weiß ich, dass Kunst und Kultur, wie auch die klassische Musik in Russland sehr geschätzt werden, deswegen freue ich mich sehr auf die Konzerte.

 

B: Du wirst das Wohltemperierte Klavier von Bach aufführen. Wie ist dein Verhältnis zu Bach und zum Werk speziell?

P: Bach hat mich immer schon fasziniert. Mit acht Jahren habe ich ein Notenheft mit kleinen Präludien und Fughetten für mich entdeckt. Diese Musik hat mich so in eine andere Welt versetzt, dass ich sofort wusste: „ich will Musiker sein“. Vor etwa zehn Jahren habe ich mit dem Studium des Wohltemperierten Klaviers angefangen und wirklich viele Stationen durchgemacht.

Ich habe es vielen Kolleg*innen vorgespielt, auf verschiedensten historischen Instrumenten erarbeitet, mit Stimmungen experimentiert, in mehreren Konzerten aufgeführt, darunter im Konzerthaus Wien im Rahmen von Great Talent, beim Montréal Bach Festival und bei den Thüringer Bachwochen. Im letzten Jahre wurde damit schließlich mein erstes Album bei Alpha Classics in Kooperation mit dem DLF veröffentlicht.

B: Wirst du die Zeit haben, dich in Wladikawkas und St. Petersburg umzuschauen und Konzerte von Anderen beim Festival anzuhören?

P: Nachdem ich mir das Programm angesehen habe, weiß ich, dass ich mir die Zeit dafür nehmen muss. Es interessiert mich wirklich sehr, was meine Kolleg*innen machen. Überhaupt übe ich gerne vormittags, im Flugmodus, wo mich niemand stören kann und nachmittags und abends habe ich dann etwas Zeit für Spaziergänge in der Stadt oder Konzertbesuche.

B: Fühlst du dich gewappnet für lange Wodka-Nächte oder bereitest du dich mental schon vor, von den russischen Kolleg*innen unter den Tisch gesoffen zu werden?

P: Ich trinke gelegentlich, bin aber nicht besonders trinkfest. Trotzdem bin ich aber gut gewappnet für gesellige Abende (soweit Covid das zulässt). Die Menschen sind immer das, was mich an neuen Orten am meisten interessiert.

Aaron wird auf Bohema von seinen Russland-Erfahrungen berichten, damit wir alle zumindest virtuell weiße Weihnachten haben… Stay tuned!

Previous
Previous

Punk-Rezitative einer Alltagspoetin

Next
Next

Let’s talk about Kunstgeschichte!