Let’s talk about Kunstgeschichte!

Über die Studienwahl, Taxifahrer*innen-Witze und die Jobsuche. Leonie Scheffner und Maja Vasic (Bohema) fragen bei vier Kunstgeschichte-Studentinnen nach. 

Maja Vasic (c)

Bohema: Warum habt ihr euch für das Kunstgeschichtestudium entschieden?

Kati (1.Semester): Ausgewählt habe ich mir das Studium, weil ich mich eigentlich schon immer für Kunst interessiert habe, aber ich hatte immer das Vorurteil im Kopf, dass alle Jobs, die irgendwie mit Kunst und Kultur zu tun haben, brotlos und keine richtigen Jobs seien. Und dann hatte ich ungefähr vor zwei Jahren einen kleinen Mindshift, als ich gedacht habe, dass man eigentlich in jedem Job sein Brot verdienen kann, wenn man einfach gut ist. Und gut werden kann man, wenn man etwas mag und liebt und eine Passion hat. Das war mehr oder weniger die Kunst für mich.

Emily (1. Semester): Ich habe mich hauptsächlich für das Studium entschieden, weil ich in der Oberstufe einen Kunstgeschichte-Kurs hatte, und das hat mir eigentlich richtig gefallen. Davor hatte ich wirklich noch gar keine Erfahrung, ich wusste nicht, dass es das Fach überhaupt gibt. 

Bohema: Wir haben eine Person, die im Master studiert, oder?

Alice: Ja, so halb. Es fühlt sich so an, als ob ich aus dem Bachelor nicht rauskomme. Ich dachte mir, nach zwei, drei Semestern kann ich mich schon in eine Richtung spezialisieren. Aber jedes Semester kommt von asiatischer Kunst bis Moderne irgendetwas anderes dran, bei dem man reinkommt – und das ist im Master dasselbe. Dann denkt man sich: Warum kann ich mich nicht auf ein Thema spezialisieren? Wenn man so darüber nachdenkt… für die Kunstszene in Wien und für den Betrieb, was für Vorlesungen sind da überhaupt irgendwie nutzbar?

Bohema: Wie zeitintensiv ist das Studium?

Siri (7. Semester): Für mich geht es voll. Ich habe daneben immer wieder Sprachkurse gemacht und gearbeitet – lange Zeit zehn Stunden, mittlerweile zwanzig Stunden die Woche. Ich finde es ist an der Grenze, da Bachelorarbeit schreiben doch auch einiges an Zeit beansprucht. Ich habe auch probiert ein Zweitstudium zu führen, aber das ist mir dann zu viel geworden. 

Emily: Eigentlich habe ich mir vorgestellt, dass ich mehr zu tun haben würde. Also bis jetzt hat alles ganz gut funktioniert.

Alice: Im Endeffekt ist das Studium ja schon so ausgelegt, dass man sich das alles gut selbst einteilen kann, was einem zu viel oder zu wenig wird. Das ist das Praktische an der Uni Wien. Aber da kann man schnell auch seinen Antrieb verlieren. Man hat halt auch wenig Motivation wegen des fehlenden Zusammenhalts und weil man sich untereinander nicht so gut kennt. Das muss man alles aus Eigeninitiative machen – und das ist positiv und negativ.

Bohema: Würdet ihr euch mehr als eine Exkursion wünschen?  

Siri: Ich finde es könnte viel mehr Exkursionen geben. Ich weiß nicht, ob das ein zu großer Aufwand ist. Ich persönlich hätte voll die Motivation, öfters in Museen zu gehen oder mir vor Ort eine Kirche anzuschauen. Es hat direkt was anderes, wenn man um die Statuen gehen kann und sich etwas aus der Nähe anschauen kann, die Textur fühlen kann. Das ist schon was anderes, als wenn man nur eine PPP-Folie hat.

Bohema: Mit Exkursionen könnte man neuere Sachen einbringen, die man in der Stadt ansehen kann, wie Architektur. Oder aber, das ist jetzt sehr was anderes, so etwas wie Graffiti. Findet ihr, dass die Uni mehr über zeitgenössische Kunst anbieten sollte?

Kati: Allgemein total gerne. Ich denke das ist auch ein wichtiger Teil. Ich finde es wäre sehr interessant, Sachen, die gerade passieren, von einer Kunsthistoriker*innen-Perspektive analysieren zu können. Aber das kann natürlich nicht der Hauptfokus sein. 

Siri: Zeitgenössische, also super aktuelle Kunst, hat mir im Studium nicht so gefehlt, weil ich das privat verfolge. Aber so als Übung würde ich es auch total spannend finden, in eine aktuelle Ausstellung von zeitgenössischen Künstler*Innen zu gehen und da bei einem Herbert Brandl oder Hubert Scheibl zu lernen, wie man Bilder beschreibt. Gegenstandslose Kunst ist sehr rar in dieser Weise behandelt worden. 

Bohema: Arbeitet jemand von euch im Kunstbereich?

Alice: Ich suche schon seit ein, zwei Semestern etwas in der Richtung. Wenn du nicht schon daneben unbezahlte Praktika oder Kontakte hast, ist es schwer, in das Ganze reinzukommen. 

Siri: Es ist schon so, dass man sich viel leichter tut, wenn man gewisse Kontakte hat. Ich hatte die auch nur durch meinen Vater und durfte deshalb jahrelang in einer Galerie jobben. Ich bin mir bewusst, dass das nicht so easy für Leute ist, die diese Kontakte nicht haben. Ich finde es voll wichtig, dass man von Anfang an nach Praktika sucht.

Bohema: Findest du, dass es eine gute Wechselbeziehung ist? Also, dass das Studium dir in der Galerie geholfen hat und andersrum?

Siri: In der Galerie eher nicht so. Es ist zeitgenössische Kunst und das, was ich im Studium gelernt hab, war da nicht so krass anzuwenden. Aber einfach generell den Galeriebetrieb über Jahre beobachten zu können - das ist schon ein Teil, den man im Studium nicht mitbekommt. Wie das so behind the scenes ablaufen kann. Das Studium hilft mir eher bei meinem jetzigen Job von der Albertina, wo sich oft an mich gewandt wird bezüglich Fragen von Kund*innen.

Bohema: Auf der Homepage der Kunstgeschichte werden erstaunlich selten Stellenangebote ausgeschrieben. Wie könnte den Studierenden an dieser Stelle besser unter die Arme gegriffen werden? 

Alice: Ich find’s komisch, dass Wien eine wichtige Kulturstadt ist und dieses Studium diese Verbindung nicht schafft. Es wäre hilfreich, mit Museen zusammenzuarbeiten. Ich mache gerade das Seminar NS-Kunstpolitik, wo die zwei LV-Leiterinnen die ganze Ausstellung organisiert haben und mit uns in die Tiefe gehen. Ich finde, genau so etwas sollte viel öfter passieren. Zu merken, wie die Forschung in Museen abläuft, oder Archive besuchen zu dürfen, da eine Verbindung aufzubauen. 

Kati: Natürlich würde ich das auch cool finden und es ist fast eine Verschwendung, dass wir in einer Kulturstadt leben mit so vielen großartigen Museen, da aber gar keine Vorteile als Kunstgeschichtestudent*innen haben. Ehrlich gesagt war ich mir fast sicher, dass wir irgendeinen Studierendenrabatt für Museumstickets bekommen. 

Bohema: Wie leicht könnt ihr euch mit anderen Studienkolleg*innen vernetzen? Auf welchen Veranstaltungen wart ihr bisher? 

Kati: Ich war bei dem Ersti-Picknick. Sonst kann ich mich nicht an so viele andere Sachen erinnern. Mehr Events wären bestimmt ganz cool.

Emily: Ich stimm‘ da auch zu, dass mehr Events schön wären, weil das so ein großer Studiengang ist. 

Alice: Vor ein paar Wochen wurde ein Punschstand organisiert. Es wird eh probiert, aber es ist einfach schwer, da die Leute, mit denen du dich befreundest, jedes Semester ganz andere Sachen belegen und dann verliert man sich aus den Augen und ist wieder in einem Seminar mit neuen Leuten.

Bohema: Gibt es Vorurteile, die ihr gerne loswerden möchtet?  Wie geht ihr mit Kommentaren wie “brotloses Studium” um?

Kati: Ja, den Kommentar Was machst du nach dem Studium? Kannst ja nur Taxi-Fahrerin werden höre ich mittlerweile auch sehr oft. Nehm’ ich neutral an.

Leonie (Bohema): Man sollte das machen, was einen interessiert. Das kommt natürlich auch darauf an, was man für Ziele hat. Wenn man nicht Angst haben mag, dass man finanziell schlecht dasteht, wäre wahrscheinlich etwas anderes besser. Ich glaube, dass das viele Leute eben anders sehen und deshalb nicht verstehen können, warum man so etwas wie Kunstgeschichte studiert. Mich persönlich haben diese Sprüche nie gestört. Da muss man einfach drüberstehen. 

Fluch und Segen - ein Kommentar

Es gibt Gründe, warum die Facebook-Seite für Kunstgeschichte an der Uni Wien nemo cogitur artis historiam heißt; aus dem Latein übersetzt heißt dies niemand wird gezwungen, Kunstgeschichte zu studieren. Tatsächlich kommt es wahrscheinlich eher selten vor, dass Eltern ihren Kindern raten, statt Medizin doch lieber Kunstgeschichte zu studieren. Wenn mich jemand fragt, was ich mit meinem Studium denn später beruflich anfangen könne, dann sage ich meistens so etwas wie alles und nichts. Wenn mal wieder die total kreative Taxifahrer*in-Bemerkung fällt, dann entgegne ich meistens, dass es doch nett ist, wenn man sich mit seiner Taxifahrerin über Tizian und Van Gogh unterhalten kann. Und wenn jemand fragt, ob wir im Studium mehr machen als Bilder zu beschreiben, dann kann ich nur sagen Ja, auch Skulpturen und Gebäude. Vorurteile und Unwissenheit darüber, was den Inhalt eines Studiums betrifft, sind immer schwer loszuwerden und nervig (genauso wie die Latein-Zusatzprüfung, if you know, you know).
Ja, der Aufbau des Studiums ist zumindest an der Uni Wien ausbaufähig. Viele Studierende wünschen sich mehr Praxis, zudem ist es schwer, sich auf ein Themengebiet zu spezialisieren, zeitgenössische Themen bleiben oft auf der Strecke. Solche Dinge muss man sich dann meist selbst außeruniversitär organisieren oder über die Erweiterungscurricula kompensieren. Das ist alles Fluch und Segen zugleich. Zu den positiven Punkten gehört aber zum Beispiel, dass das Studium einem ermöglicht, sich die Zeit frei einzuteilen und viel selbstständig zu arbeiten. Es gibt einem Grundlagen und bildet die Basis für Wissen und Kompetenzen. Kunstgeschichte, genauso wie alle anderen Geisteswissenschaften, gestaltet die Kultur maßgeblich mit und durch die Beschäftigung mit der Kunst und Kultur vergangener Jahrhunderte und verschiedenster Weltteile entwickelt man ein ganz neues Gefühl für Geschichte und ihrer Zusammenhänge. Es kommt dann zu einem gewissen Teil darauf an, was man mit eben dieser Basis anfängt und wie man sie erweitert. Im Curriculum gibt es ein breitgefächertes Themenangebot, welches auch über europäische Kunst hinausgeht und sich viel mit der Geschichte islamischer oder asiatischer Kunst befasst. Auch von den Jobmöglichkeiten muss man sich nicht zu schnell abschrecken lassen, denn die sind größer, als man denkt. Man kann beispielsweise in Universitäten und Forschungseinrichtungen, Museen, Galerien, im Bereich der Denkmalpflege, in der Kuration oder im Journalismus Fuß fassen.
Man kann sagen, dass man kreativ werden muss, um die Möglichkeiten auszunutzen, welche das Studium einem gibt. Aber wenn man Kunstgeschichte studiert, wird man wahrscheinlich eh in irgendeiner Form eine kreative Ader dafür haben. Kreative Branchen sind eben so vielfältig wie die Menschen, welche in ihnen tätig sind.
Und nebenbei: Taxifahrerinnen und Kunsthistoriker schlecht zu reden, ist unüberlegt. Denn eine Sache haben wir gemeinsam: Wir werden oft unterschätzt, aber wenn es uns nicht geben würde, würde man uns ziemlich vermissen.

Bohema Bohemowski

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